Digital und mobil

Das neue Geld

Uhr | Aktualisiert

Die Digitalisierung der Welt ruft neue Bezahlformen hervor: Während der Erfolg von Mobile-Payment-Lösungen von einem einheitlichen Standard abhängt, behindert der unklare Rechtsstatus der Bitcoins ihre stärkere Verbreitung.

IBM lanciert einen Marktplatz für "smarte" E-Commerce-Lösungen.
IBM lanciert einen Marktplatz für "smarte" E-Commerce-Lösungen.

Das Geld als zentrales Element menschlicher Interaktion hat sich im Laufe der Zeit im selben Masse weiterentwickelt wie die Zivilisationen, die es hervorbrachten. So ersetzten zunächst Metallmünzen den Tausch von materiellen Gütern. Mit der Zunahme der wirtschaftlichen Transaktionen und der Ausschöpfung der Goldbestände suchten die Menschen nach einer Alternative, die im Gegensatz zu Münzen leichter einzusetzen und unbeschränkt reproduzierbar sein sollte. Die Antwort auf dieses Bedürfnis war Papiergeld. Wie bereits die Münzen stellte es nicht nur einen logistischen Fortschritt, sondern eine eigentliche Revolution des Geldkonzepts dar. Geld brauchte fortan nicht mehr dem realen Tauschwert zu entsprechen, sondern musste diesen bloss noch formal repräsentieren. Das Aufkommen der Kreditkarte mit den auf Magnetband gespeicherten Zahldaten veränderte ab den 1950er-Jahren erneut das Verständnis von Geld und stellte eine weitere Abstrahierungsleistung dar. Die fortschreitende Digitalisierung der Welt hat die letzten Jahre abermals neue Bezahlformen hervorgerufen: E-Payment, Mobile Payment und verschiedene Kryptowährungen, von denen der Bitcoin die bekannteste ist. Welche von diesen Lösungen sich durchsetzen und ob damit der Begriff von Geld erneut revolutioniert wird, ist derzeit unklar. Sicher ist, dass die Lösung zahlreichen markt- und sicherheitsspezifischen Anforderungen wird genügen müssen.

Mobile Payment immer beliebter

Während E-Commerce-Transaktionen mittels Paypal oder anderer Applikationen schon seit einigen Jahren genutzt werden, erfreuen sich derzeit vor allem mobile Bezahlformen mittels Near Field Communication (NFC), Bluetooth, QR-Code oder SMS wachsender Beliebtheit. So haben die Migros und der Zürcher Verkehrsverbund im letzten Jahr alle ihre Kassen beziehungsweise Ticketautomaten für NFC ausgerüstet. Der Betreiber von Getränke- und Snack-Automaten Selecta wiederum hat ab 2011 fast sämtliche seiner 3000 im öffentlichen Raum befindlichen Automaten für Premium SMS ausgestattet und nutzt damit Infrastruktur und Abrechnungsmöglichkeiten der Schweizer Telekomanbieter für den Verkauf seines Angebots.

Alle drei Unternehmen machten mit der Einführung neuer Bezahltechnologien gute Erfahrungen. Gemäss Selecta bezahlen inzwischen rund 20 Prozent der Kunden mit dem Handy. Bei der Migros nutzen rund 10 Prozent der Kundschaft die Möglichkeit, kontaktlos zu bezahlen. Da der Zürcher Verkehrsverbund das Bezahlen via NFC erst seit letzten November eingeführt hat, liegen gegenwärtig noch keine Daten zur Nutzung der neuen Technologie vor. Ein vorangegangener Test belegte jedoch, "dass die Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens einem steigenden Kundenbedürfnis entspricht", so ein Sprecher des ZVV.

Keine einheitliche Lösung auf dem Markt

So vorteilhaft die neuen Bezahlformen auf den ersten Blick anmuten, sie haben auch ihre Schattenseiten. Der vielleicht grösste Nachteil ist der Umstand, dass sich bisher keine Methode durchsetzen konnte. Dadurch müssen Nutzer von Mobile-Payment-Lösungen unterschiedliche Technologien und Applikationen erlernen und je nach Angebot zwischen verschiedenen Systemen hin- und herwechseln. Auch lassen sich die wenigsten Lösungen in nur wenigen Schritten in Betrieb nehmen, sondern setzen eine gewisse Erfahrung im Umgang mit neuen Technologien voraus. Damit sich jedoch in Zukunft ein einheitlicher Standard durchsetzen kann, müsste eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Telekomunternehmen, Kreditkartenanbietern, Banken und Technologiekonzernen gelingen. Die Tatsache aber, dass Apple bei seinen iPhones auf Bluetooth Low Energie statt auf NFC setzt, zeigt, dass noch einige Hürden bis zu einer einheitlichen Lösung zu nehmen sind. Doch auch Sicherheitsbedenken behindern gegenwärtig eine breite Übernahme der neuen Bezahlform. Einer Schätzung von NQ Mobile zufolge haben sich 2012 weltweit bereits 32,8 Millionen Android-Geräte mit einem Schadprogramm infiziert. Angesichts der steigenden Flut von Malware dürften viele Besitzer von Android-betriebenen Smartphones den neuen Bezahlformen mit einer gewissen Skepsis begegnen.

Ein Ökosystem für kontaktlose Anwendungen

Das Aufkommen internationaler Standards und der starke Anstieg von NFC-fähigen Smartphones motivierten Swisscom, das Projekt eines Ökosystems für kontaktlose Anwendungen in Angriff zu nehmen, das dieses Jahr auf den Markt kommen soll. Wie die Projektverantwortliche Britta Reinhardt erklärt, steht Tapit – so der Name der Applikation – als neutrale Plattform allen Serviceprovidern offen. Die Idee ist eine Art digitales Portemonnaie, mit dem die Nutzer nicht nur bezahlen, sondern auch Verkehrsabonnemente und Kundenkarten verwalten und sich zu Gebäude Zutritt verschaffen können. Auch soll Tapit gemäss Reinhardt besonders sicher sein, da sämtliche Daten verschlüsselt auf einer neuen Generation von NFC-SIM-Karten abgespeichert werden. Als Bargeldersatz funktioniert Tapit wie eine mit NFC ausgestattete Kreditkarte: "Wenn Sie eine Karte innerhalb von Tapit als Bezahlkarte aktiviert haben, müssen Sie als Kunde die Applikation nicht einmal mehr öffnen. Sie können einfach das Telefon dem Terminal entgegenhalten und bis zu 40 Franken ohne Eingabe des PINs bezahlen", so Reinhardt. Swisscom möchte möglichst viele Partner für Tapit gewinnen, denn «ohne Serviceprovider wäre die Applikation einfach ein leerer Container», erklärt Reinhardt. So sollen die Partner innerhalb von Tapit bis zu einem gewissen Grad auch die Customer Experience mitgestalten dürfen. Gemäss Reinhardt sollte Tapit aber nicht zu einem Marktplatz mit Joghurtaktionen und anderen Sonderangeboten verkommen. Derzeit haben insbesondere Kreditkartenanbieter wie Mastercard und Visa ihre Systeme für NFC-Transaktionen umgestellt. Doch auch Kunden- und Debitkarten sollen in absehbarer Zeit Teil von Tapit werden.

Viele der aktuell erhältlichen Smartphones sind bereits NFC-fähig und können problemlos mit Tapit genutzt werden. Reinhardt ist überzeugt, dass auch die iPhones früher oder später mit NFC ausgestattet sein werden: "Spätestens wenn sich in den Vereinigten Staaten eine vergleichbare Lösung wie Tapit durchsetzt, wird Apple seine Geräte aufrüsten."

Wenn es nach Swisscom geht, soll Tapit keine reine Swisscom-Anwendung werden, sondern auch Kunden anderer Schweizer Telekomunternehmen zur Verfügung stehen. Gespräche mit Sunrise und Orange seien im Gange. Reinhardt ist überzeugt, dass Swisscom auf lange Sicht einen grossen Teil des Marktes wird adressieren können. Wie schnell sich die Lösung aufseiten der Kunden durchsetzen wird, ist gemäss Reinhardt schwer abzuschätzen. So würden die Nutzer die neue Bezahlform erst erlernen, wie davor der Umgang mit einer Kreditkarte: "Aber wenn man das mal gemacht hat, dann möchte man es nicht mehr anders tun", so Reinhardts Fazit.

Six Payment Services als möglicher Konkurrent

Neben Swisscom arbeitet auch Six Payment Services an einer Mobile-Payment-Lösung. Gemäss Bernhard Lachenmeier, Head Product and Marketing von Six Payment Services, handelt es sich um eine Person-to-Person-Zahlungsfunktion (P2P) für Schweizer Banken, die nahtlos in die E- und M-Banking-Umgebung der Banken integriert werden kann. "Damit können die Banken ihren Kunden eine moderne, einfache und schnelle Zahlungsfunktion aus der M-Banking-App anbieten, die es ermöglicht, ohne grosse Zeitverzögerung eine Zahlung von einem Individuum an ein anderes zu senden." Operativ soll die P2P-Dienstleistung Ende 2014 werden. Lachenmeier zufolge eignet sich P2P besonders für ein schnelles Überweisen und Anfordern von kleineren Beträgen innerhalb eines erweiterten Bekanntenkreises, ohne dass die beiden Personen jedoch zu diesem Zeitpunkt physisch beieinander sein müssen. Insofern ist die Lösung keine direkte Konkurrenz zu Swisscoms Tapit, das sich vor allem auf Unternehmen und Verkaufsstellen konzentriert. Six’ privilegierte Beziehungen zu den Banken könnte die Lösung aber auch für den Handel attraktiv machen und zu einer Erweiterung der vorläufig nur auf P2P-Transaktionen ausgerichteten Applikation führen.

Eine Bitcoin-Revolution?

Im Vergleich zu den mobilen-Bezahlformen, die im Wesentlichen die Bezahllogik der Kreditkarte fortführen, steht die Kryptowährung Bitcoin für einen radikal neuen Ansatz. So wird das Bitcoin-Netzwerk gemäss Luzius Meisser, Präsident der Bitcoin Association Switzerland, nicht zentral betrieben, sondern durch tausende "Miners" aufrechterhalten, die sämtliche Transaktionen überprüfen und erfassen. Diese besondere Organisationsform stellt Meisser zufolge nicht nur eine Unabhängigkeit gegenüber Staat und Politik sicher, sondern auch gegenüber Banken und Kreditkarteninstituten. Das Netzwerk ermögliche darüber hinaus im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistern schnellere Transaktionen zu bedeutend tieferen Gebühren.Mit dem Bargeld teilen die Bitcoins immerhin noch eine Eigenschaft, die Anonymität: "Man kann zwar nachschauen, welche Konten existieren, wie viel Guthaben drauf ist und von welchen anderen Konten Überweisungen eintreffen. Aber man kann nicht sehen, wem die Konten gehören", so Meisser. Ein zentraler Unterschied zum herkömmlichen Geld seien indessen die sehr starken Eigentumsrechte. Einmal getätigte Zahlungen können nicht wieder rückgängig gemacht werden. Gemäss Meisser kommt diese Eigenschaft besonders in dysfunktionalen Staaten zum Tragen, in denen Vermögen grundlos beschlagnahmt werden, aber auch bei Geschäften mit Unbekannten, wo ein Betrugsrisiko besteht.

Bevor sich Bitcoins allerdings als ernstzunehmende Alternative durchsetzen können, müssen noch einige Probleme gelöst werden. Zum einen behindert die hohe Volatiliät der Währung ihre Verwendung in der Offlinewelt. "Wenn ich Bitcoins für ein Onlinespiel einsetze und in Bitcoins ausbezahlt werde, spielt der Wert der Währung keine grosse Rolle. Ein Imbiss, der Bitcoins annimmt, möchte aber sichergehen, dass wenigstens sein materieller Aufwand gedeckt wird", so Meisser.

Ein weiterer erschwerender Faktor ist der unklare Rechtsstatus der Währung. Viele Länder, darunter auch die Schweiz, tun sich schwer damit, den Status der Bitcoins zu definieren und sie auf diese Weise für legal zu erklären. Aus Sicht von Niklas Nikolajsen, Geschäftsführer des auf Kryptowährungen spezialisierten Handels- und Beratungsunternehmens Bitcoin Suisse, würden für Bitcoins in der Schweiz drei Optionen infrage kommen. Entweder könnten Bitcoins als Ware eingestuft werden, dann dürfte der Staat darauf die Mehrwertsteuer erheben, für Nikolajsen die ungünstigste Variante. Oder sie würden als Fremdwährung oder finanzielle Dienstleistung eingestuft, was den Handel mit ihnen erheblich vereinfachen würde.

Schliesslich könnte auch die limitierte Zahl von Bitcoins zum Problem werden. Gegenwärtig sind rund 11 Millionen Bitcoins im Umlauf, die vom System festgelegte Höchstmenge beträgt maximal jedoch 21 Millionen. Sollten Bitcoins eines Tages zu stark nachgefragt werden, könnte es zu Engpässen kommen. Nikolajsen sieht diesem Szenario gelassen entgegen: "Durch eine starke Nachfrage würde der Wert der Bitcoins steigen. Da Bitcoins aber unendlich teilbar sind, würden wir einfach dazu übergehen, in Millibitcoins und Millimillibitcoins zu bezahlen."