Interview mit Silent-Circle-CEO Michael Janke

"Es gibt eine lange Liste von Leuten, die uns nicht mögen"

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Michael Janke, CEO von Silent Circle, einem Unternehmen, das Apps für verschlüsselte Kommunikation anbietet, spricht über seine Motivation, den Kampf mit der Telkobranche aufzunehmen.

(Quelle: Netzmedien AG)
(Quelle: Netzmedien AG)

Herr Janke, Silent Circle ist die Firma, die hinter dem sogenannten Blackphone-Smartphone steht. Was ist das Besondere an diesem Mobiltelefon?

Wir bieten unseren Nutzern die Möglichkeit, verschlüsselte Telefonanrufe zu tätigen, verschlüsselte Nachrichten zu versenden und die eigenen Kontakte und Anrufprotokolle zu verschlüsseln. Unzählige Apps fragen nach Daten ihrer Nutzer – sie sehen, wo du bist, wer zu deinen Kontakten gehört, auf welchen Websites du surfst. Die Facebook-App beispielsweise saugt jede Stunde 37 Datensätze vom Nutzer ab, der sie einsetzt. Das alles blockieren wir, aber Facebook weiss das nicht. Denn wir tricksen die App aus und liefern ihr falsche Daten. So denkt die App, sie habe die Daten erhalten, im Grunde genommen hat sie aber gar nichts. Der Nutzer kann somit kontrollieren, welche Apps seine Daten erhalten sollen und welche nicht. Das Gleiche gilt auch für die Beacon-Technologie. Wenn man durch ein Geschäft läuft und Beacons Informationen vom Smartphone absaugen wollen, blockieren wir das. Das Surfverhalten eines Nutzers anonymisieren wir mit einem VPN-Tunnel. Wir bieten auch eine verschlüsselte Datenablage. Jegliche Dateien, die ein Nutzer hat, kann er verschlüsselt in der Cloud ablegen. Und wenn er will, zerstören sich die Dateien nach einer bestimmten Zeit selbst. Man kann also einen Film in der Cloud ablegen, jemandem den Link schicken und ihm sagen, dass dieser Film in sieben Stunden aus der Cloud gelöscht wird. Und es ist möglich, die Batterie aus dem Blackphone zu entfernen. Die meisten Mobiltelefone erlauben dies ihren Nutzern heute nicht mehr.

Das klingt alles super, aber in der Schweiz kennt kaum jemand das Blackphone, hingegen wollen die meisten ein iPhone. Gibt es überhaupt einen Markt für das Blackphone?

Am 7. Juli haben wir die erste, globale und verschlüsselte VoIP-Option in 120 Ländern lanciert, auch in der Schweiz. Nutzer bezahlen damit keine Roaming-Gebühren mehr und sie können verschlüsselt telefonieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir den Markt über den Haufen werfen werden. Ich habe dafür auch ein Beispiel: Unsere globale Option für 40 Dollar beinhaltet 1000 Anruf-Minuten, ist für 120 Länder gültig und verschlüsselt. In der Schweiz zahle ich für ein ähnliches Abo das Doppelte für weniger Länder, und die Anrufe sind nicht verschlüsselt.

Kommt denn das Blackphone nächstens in die Schweiz?

Nun, wir werden voraussichtlich nächsten Monat eine exklusive Zusammenarbeit mit einem Schweizer Telko ankündigen. Grundsätzlich ist es unser Ziel, mit ein paar wenigen, sehr innovativen Telkos Partnerschaften einzugehen. Carlos Slim aus Lateinamerika beispielsweise verkauft exklusiv unsere Apps und unsere Abonnements in Lateinamerika. KPN, ein dänischer Telko, verkauft Blackphones exklusiv in den Niederlanden, Belgien und Deutschland. Auch den britischen Telko EE konnten wir für uns gewinnen.

Keine Roaming-Gebühren in 120 Ländern – das klingt, als ob Sie sich damit einige Feinde machen.

Die Telkos in den USA und in Europa sind generell nicht wirklich happy mit dem, was wir tun. Denn mit unserem Angebot fressen wir einen Grossteil der Profite der Telkos auf, da das Roaming wegfällt. Ein Journalist hat mich kürzlich gefragt, ob es irgendjemanden in der Branche gibt, den ich nicht verärgere. Und ich sagte: «Ich kann mir keinen vorstellen» (lacht).

Erhalten Sie auch Drohungen?

Ja, das tun wir. Ich habe einige böse Briefe erhalten, etwa von Blackberry. John S. Chen (der CEO von Blackberry, Red.) mag mich nicht besonders. Und ich habe ein paar gemeine "Dinge" erhalten. Aber ich kann nichts dagegen tun. Wir sind Teil des Wettbewerbs, so wie die anderen auch. Wir werden folglich sehen, wohin das führt. Überall, wo ein Markt durcheinandergewirbelt wird, wie beispielsweise aktuell gerade von Uber, versucht die Konkurrenz dagegen vorzugehen: Ich meine aber, dass das nicht wirklich etwas bringt.

Welche Vorteile haben Unternehmen, die das Blackphone nutzen?

Bei uns ist alles cloudbasiert. Wir haben eine Peer-to-Peer-Verschlüsselung, wir benötigen keine IT-Infrastruktur, es kommt zu 99 Prozent alles aus der Box, bereit für Unternehmen, es sofort einzusetzen. Unser Produkt stellt für ein Unternehmen keine Belastung dar. Es ist günstiger als alternative Produkte, und es kommt auch zusammen mit unseren globalen Mobilabos auf den Markt.

Was sind die Nachteile von Blackphone?

Es gibt tolle Services wie Google Play beispielsweise. Die sind wirklich cool, aber Google zwingt seine Nutzer, ihre Daten herauszugeben. Die Nutzer haben keine andere Wahl, wenn sie wollen, dass es funktioniert. Daher müssen wir aus Sicherheitsgründen ein paar der wirklich coolen Apps und Services von Google, Apple und Co. minimieren.

Wieso gründeten Sie Silent Circle?

Ich bin kein typischer Geschäftsmann. Ich bin ein ehemaliger Navy Seal. Nachdem ich die Spezialeinheit verlassen hatte, schrieb ich ein Buch über Disziplin und wie man die Kontrolle über sein Leben bekommt. Das wurde zu einem Besteller. Als die Mobiltelefone langsam populär wurden, begann ich zu verstehen, dass Geheimdienste, Hacker und Telkos und die grossen Datenunternehmen wie Google, Apple und Microsoft und die chinesischen Unternehmen ganz offen damit begannen, Daten von Nutzern zu sammeln. Da dachte ich mir, dass es da draussen etwas geben müsste, das die Bürger davor schützen kann. Da erinnerte ich mich an die Geschichte von Phil Zimmermann, dem Entwickler der E-Mail-Verschlüsselungssoftware PGP (Pretty Good Privacy, Red.), der gegen die US-Regierung gekämpft hatte. Also kontaktierte ich ihn. Wir wurden Freunde, und zusammen wandten wir uns an einen Partner von ihm, Jon Callas. Er arbeitete damals für Apple und hatte dort die Festplattenverschlüsselung Filevault entwickelt. Beide, Callas wie auch Zimmermann, arbeiteten bereits an verschlüsselten Videos, Voice- und Textnachrichten. Da schlug ich ihnen vor, Silent Circle zu gründen. So fing alles an.

Wie finanzierten Sie Ihren Start?

Wir wollten nie Geld von Risikokapitalgebern annehmen. Das Blackphone von heute gäbe es nicht, wenn wir das getan hätten. Also investierten wir unser eigenes Geld, etwa 12 Millionen Dollar. Anfang dieses Jahres finanzierten uns zudem einige Einzelpersonen mit 30 Millionen Dollar, darunter Sir Peter Bonfield, der ehemalige CEO von British Telecom.

Silent Circle hat dieses Jahr seines Hauptsitz von den Virgin Islands nach Genf verlegt. Gefällt es Ihnen in der Schweiz?

Ja, wir sind sehr glücklich hier. Unser Büro in Genf liegt gleich gegenüber dem Flughafen. Wir haben unser Büros in London geschlossenund die Mitarbeiter hierhergebracht. Bis Ende des Jahres werden wir wahrscheinlich rund 60 Mitarbeiter in unserem Genfer Büro haben. Wir stellen noch neue Mitarbeiter hier in der Schweiz ein, für Sales, Customer Services und technische Aufgaben. Im Customer Service haben wir einen grossen Vorteil: Wir können Mitarbeiter einstellen, die vier Sprachen sprechen. Das ist wirklich toll für uns. Und wir haben Rechenzentren in Genf, Zürich, Bern, Montreal und Toronto.

Warum haben Sie überhaupt das Blackphone lanciert?

Unsere Software ist ein Ökosystem, das auf unseren Geräten läuft. Früher liefen unsere Apps auf verschiedenen Geräten von Samsung, Apple etc. Das Problem dabei war, dass die Geräte uns nicht gehörten. Also konnten Facebook, Google und Co. die Daten der Nutzer stehlen, und wir konnten nichts dagegen tun. Denn wir waren nur ein Service, der auf einem Mobiltelefon lief. Also sagten wir uns, wenn wir wirklich Privatsphäre und Sicherheit bringen wollen, brauchen wir unser eigenes Gerät.

Früher boten Sie auch einen verschlüsselten E-Mail-Dienst namens Silent Mail an. Heute gibt es ihn nicht mehr. Was ist damit passiert?

Das stimmt, das war Ende 2012, als wir Silent Mail anboten. Nun, wir wussten zwar, dass wir das nötige technische Wissen hatten, um einen verschlüsselten E-Mail-Dienst zu entwickeln, das Problem aber dabei war, dass die Architektur der E-Mail-Technologie 40 Jahre alt ist. Wenn man also ein verschlüsseltes E-Mail verschickt, schickt man auch Metadaten mit. Und diese sind manchmal ebenso wichtig wie der eigentliche Inhalt einer E-Mail, denn aus den Metadaten ist ersichtlich, wer mit wem kommuniziert, wie gross eine Datei ist, die eventuell mitgeschickt wurde etc. Wir waren so beliebt, dass Regierungen, Menschenrechtsorganisationen und sogar der Dalai Lama unseren Service nutzten. Und dann kam Snowden und mit ihm die Geschichte von Ladar Levison (der Gründer des E-Mail-Services Lavabit, Red.). Snowden nutzte seinen E-Mail-Service, und die US-Behörden zwangen Levison, Daten herauszugeben. Wir wussten daher, dass es auch bei uns nur eine Frage der Zeit war, bis irgendeine Regierung mit rechtlichen Forderungen zu uns kommen und Daten einfordern würde. Also reagierten wir proaktiv und stellten den Service ein, obwohl er uns viel Gewinn eingebracht hatte. Der Gewinn war uns aber egal, wir wussten einfach, dass es zu gefährlich war, den Dienst weiter zu betreiben. Aber wir arbeiten derzeit an einem Peer-to-Peer-E-Mail-Service, der die alte E-Mail-Architektur ersetzen soll. Wir nennen ihn Dark Mail. Er wird aussehen wie E-Mail und funktionieren wie eine E-Mail, aber ohne Metadata-Leak. Diesen Service wollen wir nächstes Jahr auf den Markt bringen.

Ihre drei Apps, Silent Phone, Silent Text und Silent Contacts, kosten zusammen 9 US-Dollar. Manche Smartphone-Nutzer beklagen sich heute schon, wenn sie nur einen Franken oder einen Dollar für eine App bezahlen müssen. Sind Ihre Apps nicht zu teuer?

Nun, die Leute geben jeden Monat mehr Geld bei Starbucks aus, als sie für unsere Produkte ausgeben würden. Und wenn man es aus der Sicht eines Unternehmens betrachtet, gehören diese drei Apps zu den günstigsten Diensten, die sie überhaupt abonnieren können, um ihre Kommunikation zu verschlüsseln. Das ist die eine Seite der Sache. Die andere Seite ist: Es gibt ausser uns niemanden, der so etwas macht. Wir haben Regierungen unter unseren Kunden genauso wie Grossunternehmen. Ausserdem bezahlt ein Unternehmen im Verhältnis immer weniger, je mehr Lizenzen es löst. Wir bieten auch einen anderen Wert. Wenn ein Nutzer eine kostenlose App herunterlädt, bezahlt er diese mit seinen Daten. Wir sind anders. Wir nehmen dem Nutzer seine Daten nicht weg. Stattdessen beschützen wir sie. Und dafür bezahlt er uns.

Was sind Ihre zukünftigen Ziele?

Wir bauen gerade eine neue Gerätefamilie auf. In den nächsten paar Monaten kommen zwei weitere Geräte von uns auf den Markt. Und wir werden am Mobile World Congress in Barcelona ein Tablet lancieren. Ende des nächsten Jahres wollen wir unseren ersten Laden eröffnen. Dort sollen Kunden unsere Geräte, unsere Abos und noch ein paar andere Dinge kaufen können. Und wir werden mit Skype in Konkurrenz treten. Denn wir wissen, dass Skype nicht sicher ist, also wird es in vielen Unternehmen untersagt. Die US-Regierung, oder wer auch immer, hört zu. Also werden wir einen Peer-to-Peer-verschlüsselten Desktop-Video-Teleconferencing-Dienst lancieren. Skype wird uns dafür nicht mögen. Aber es gibt eine lange Liste von Leuten, die uns nicht mögen, also warum sollten wir deswegen aufhören?