Kolumne

Du entkommst uns nicht, Du dummer Kunde!

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von Peter Hogenkamp

Einige Firmen scheinen sich darauf spezialisiert zu haben, die Kündigung fast unmöglich zu machen. Das spricht Bände auch über die Qualität des Produkts.

Peter Hogenkamp ist CEO des Start-ups Newscron. (Quelle: Netzmedien)
Peter Hogenkamp ist CEO des Start-ups Newscron. (Quelle: Netzmedien)

2005 kam mein erster Sohn zur Welt, damit das Bedürfnis, Fotos zu teilen. Es gab nicht nur noch keine Smartphones, sondern auch kein Dropbox, Google Drive oder iCloud. Also richtete ich eine Website ein, um Fotos hochzuladen, warum auch immer bei der deutschen "1&1", eine Tochter der börsenkotierten United Internet (u.a. Web.de, GMX). Fortan zahlte ich also 7,99 Euro pro Monat. Kurz darauf begann ich zu bloggen und entdeckte dadurch den Lieblingshoster der Schweizer Blogger- und Webprofi-Szene, die Firma Cyon in Basel, bei der ich auch Kunde wurde. (Ohne jegliche Eigeninteressen: Empfehlung. Grandioser Support.)

2008 versuchte ich das erste Mal, von 1&1 zu Cyon zu migrieren. Etwas klappte nicht mit dem "Auth Code", die Hilfe las sich umständlich, und ehe etwas schiefgehen konnte, brach ich die Übung lieber ab. Danach war der Umzug sieben Jahre lang (!) eine "Wenn-ich-mal-Zeit-habe"-Pendenz. Im Mai 2015 schliesslich migrierte ich Domain und Daten und aktivierte die neue Website, wo­raufhin der virtuelle Server bei 1&1 leer vor sich hinlief.

Dann wurde es schwierig. Denn 1&1 hat sich darauf spezialisiert, Kündigungen zu verhindern. Nachdem man gemäss Anleitung online im Kundensystem auf "kündigen" geklickt hat, erhält man eine E-Mail: "Um Missbrauch vorzubeugen, ist ein Anruf innerhalb der nächsten 14 Tage bei unserem Kundenservice erforderlich. (…) Halten Sie Ihre Kundennummer und die Bearbeitungsnummer zum Abgleich bereit. Falls Sie sich nicht innerhalb der oben genannten Frist melden, verfällt die Bearbeitungsnummer und die damit verbundene Kündigung."

Um 7.51 Uhr rief ich beim Kundenservice an ("Sie erreichen uns rund um die Uhr") – und fiel zweimal aus der Warteschleife. Dann nahm jemand ab, aber im Gegensatz zum generellen Kundendienst arbeitet das Team, das die Kündigungen bearbeitet, erst ab 8 Uhr, da war ich allerdings verplant. Nein, man könne das leider nicht weiterleiten. Ich schrieb noch eine E-Mail an den Support, meine Willensäusserung sei durch Onlinekündigung und Anruf doch mehr als eindeutig. Keine Antwort. Kein Wunder, auf der Website steht ja auch: "Kündigungen per E-Mail können wir leider nicht bearbeiten."

Erst vor einigen Wochen, bei der nächsten Belastung meines Kontos, fiel mir der Vorgang wieder ein. Natürlich war ich stocksauer und wild entschlossen, es diesmal bis zum Ende durchzukämpfen. Der Anruf beim Kündigungsteam bot ein letztes Highlight. Auf den Account registriert war eine alte, nie aktiv genutzte Domain, kein besonderer Name und erst noch unter der wenig attraktiven Top Level Domain ".net". Der Callcenter-Mitarbeiter sprach mich darauf an: "Ich will mal den Wert der Domain ermitteln, einen Moment … (tippt) … etwa 7900 Euro. Wollen Sie die wirklich mit der Kündigung verfallen lassen oder lieber noch verkaufen?" Da alle anderen gleichlautenden Domains anderer TLDs frei sind, gehe ich davon aus, dass der live "errechnete" Wert etwa um den Faktor 1000 zu hoch war.

Nach elf Jahren bin ich damit den Fängen von 1&1 entkommen. Ich habe 527,34 Euro gezahlt, davon drei Viertel nach meinem ersten Kündigungsversuch. Der Business Case ist also vordergründig aufgegangen. Allerdings werde ich die ganze Gruppe bis an mein Lebensende meiden.

Zum Vergleich die Instruktionen zur Kündigung beim Musikstreamingdienst Spotify: direkter Link zur entsprechenden Seite mit Screenshots, simple fünf Punkte. Zuletzt der Satz: "Deine Abonnementseite zeigt nun das Datum an, an dem Dein Konto auf ‹Free›, unser werbebasiertes Produkt, umgestellt wird. Wir hoffen, Dich bald wieder bei Premium begrüssen zu können!" Einen Service, der sich seiner so sicher ist, will man vermutlich gar nicht erst kündigen.

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