Erst Swatch, dann Wikileaks

Switch: "Es gibt keinen Grund, Wikileaks.ch vom Netz zu nehmen"

Uhr | Aktualisiert

Während Frankreich die Server von Wikileaks abgeschaltet und Amazon und Paypal ihre Dienste für die Enthüllungsplattform eingestellt haben, zeigt die Schweiz Rückgrat: Switch hält Wikileaks.ch weiter online, und Postfinance führt ein Konto von Wikileaks-Gründer Julian Assange.

"Nach Amazon und EveryDNS hat jetzt auch Paypal Wikileaks fallen gelassen und in den letzten Stunden die Accounts von Wikileaks und der Wau-Holland-Stiftung aus Deutschland gesperrt", berichtet die Piratenpartei Schweiz auf ihrer Website.

Doch die Whistleblower-Organisation sei weiter auf Spenden angewiesen. "Um anonym zu bleiben, kannst du die Überweisung ganz einfach an jedem Postschalter vornehmen", heisst es weiter.

Postfinance führt ein Wikileaks-Konto

Tatsächlich: Postfinance führt ein Konto auf den Inhaber "Julian Paul Assange, Genève". Dahinter steckt ein Fonds, der die Verteidigungskosten Assanges und seiner Mitarbeiter finanziert.

Gemäss Postfinance seien alle Vorschriften bei der Kontoeröffnung eingehalten worden. Ob der Wikileaks-Gründer aber wirklich einen Wohnsitz in Genf habe, sei fraglich. "Gegenwärtig überprüfen wir die Geschäftsbeziehungen mit Julian Assange", so Postfinance-Sprecher Marc Andrey gegenüber NZZ am Sonntag.

Switch sieht keinen Handlungsbedarf

Als erste Zeitung überhaupt berichtete am Samstag der britische Guardian, der sich in den letzten Tagen als heisseste Anlaufstelle für Updates zu Wikileaks etabliert hat, über die Position von Switch. Die Registrierungsstelle habe verlauten lassen, dass es momentan keinen Grund gebe, Wikileaks.ch vom Netz zu nehmen.

Auf Anfrage der Netzwoche erklärt Switch-Mediensprecher Marco D'Alessandro: "Die Fälle, in denen Switch einen .ch-Domain-Namen löschen kann oder muss, sind gesetzlich geregelt."

Hervorzuheben sei der Fall, wenn ein Domain-Name (beziehungsweise die Website) Malware verbreite. "Switch muss einen Domain-Namen auch löschen oder inaktivieren, wenn wir eine richterliche Verfügung erhalten", sagt D'Alessandro weiter.

Offensichtlich ist bis jetzt keiner dieser Fälle eingetreten - Wikileaks.ch ist nach wie vor online. "Solange der Domain-Name registriert ist und die Nameserver funktioneren, wird Wikileaks.ch auch in Zukunft erreichbar sein", so D'Alessandro.

"Die Schweiz brachte uns Swatch, und jetzt auch Wikileaks"

Kurze Zeit nach der Publikation wurde der Guardian-Artikel auf dem Twitter-Account von Wikileaks verlinkt. Dasselbe auf Facebook - und über 3'000 Benutzer klickten auf den Like-Button.

Auf dem sozialen Netzwerk wird die Schweiz mittlerweile als Retter von Meinungsfreiheit und Demokratie gefeiert. "Die Schweiz könnte die letzte Hoffnung für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf dem Planeten Erde sein", schreibt ein User. Ein anderer: "Das Recht auf freie Rede hat ein neues zu Hause gefunden: die Schweiz."

Kritische Stimmen findet man kaum. Ein Nutzer schreibt: "Die Schweiz, ein Land der Gegensätze: Wikileaks und die Fifa unter demselben Dach." Ansonsten gibt es viel Lob für die Schweiz. Einer sagt gar: "Die Schweiz ist die einzige wahre Bastion von Demokratie und Meinungsfreiheit auf der ganzen Welt."

Ein weiterer User urteilt: "Die Schweizer Regierung hat dem totalitären Regime in Australien gerade gezeigt, was Demokratie heisst." Und: "Den Schweizern kann man vertrauen - sie haben uns Swatch gebracht, und nun bringen sie uns Wikileaks zurück."

Julian Assange auf Platz 1 im Time-Ranking

Im laufenden "Person Of The Year 2010" Ranking des US-Magazins Time ist Wikileaks-Gründer Julian Assange mittlerweile auf Platz 1 empor geklettert. Der türkische Politiker Recep Tayyip Erdogan liegt gerade auf Platz 2, Pop-Sängerin Lady Gaga auf Platz 3.

Der Aufenthaltsort des Wikileak-Gründers wird weiter in Grossbritannien vermutet. Über den Guardian hat sein Anwalt verlauten lassen, dass Geheimdienste das Wikileaks-Team mittlerweile auf Schritt und Tritt verfolgen würden.

Keine Angriffe auf Wikileaks.ch

Druck von US-Behörden, die Seite offline zu nehmen, spüre Switch bis jetzt keinen. Auf die Frage, ob es - wie die Piratenpartei mitgeteilt hat - wirklich keine Angriffe auf Wikileaks.ch gegeben habe, antwortet D'Alessandro: "Uns ist nichts anderes bekannt."

Trotzdem: Wikileaks ist daran, sich gegen weitere Hacker-Attacken abzusichern. Bereits sind weltweit über 350 Spiegelserver online, Tendenz steigend. Verbreitet werden diese unter anderem über Twitter, auf dem die Whistleblower gleich mehrmals auf Wikileaks.ch verlinkt haben, um die Mirror-Liste bekannt zu machen.