Philippe Perreaux zur Lancierung von Rightclearing.com

"Der Künstler ist bis heute der Trottel im ganzen System"

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Das Schweizer Start-up restorm.com hat Ende Februar Rightclearing.com, eine moderne Lizenzenzierungsplattform für Musik, lanciert. CEO Philippe Perreaux erklärt im Interview, was er mit der neuen Plattform vorhat.

Philippe Perreaux will Musikern mit der Lizenzierungsplattform Rightclearing.com mehr Einnahmen ermöglichen. Bild: Restorm.com
Philippe Perreaux will Musikern mit der Lizenzierungsplattform Rightclearing.com mehr Einnahmen ermöglichen. Bild: Restorm.com

Herr Perreaux, Sie haben mit Rightclearing.com eine Plattform lanciert, die eine Alternative zu bisherigen Verwertungssystemen für künstlerische Werke werden soll. Was machen die "alten" Player falsch?

Das Konzept mit den Verwertungsgesellschaften als solches ist im Grunde schon richtig. Jeder Rappen, der eingenommen wird, müsste allerdings auch wirklich bei jenem Künstler landen, der ihn verdient. Das ist derzeit nicht der Fall. Ein Teil davon verschwindet irgendwo im Niemandsland. Einen anderen Teil bekommen jene Top-Künstler, die sowieso schon erfolgreich sind.

Begründet wird dies oft damit, dass man nicht genau eruieren könne, wer die Anderen sind. Wenn Madonna, die schon mehrere Millionen Dollar auf ihrem Konto hat, noch die ein oder andere Millionen dazu verdient, dafür aber der kleine Künstler gar nichts bekommt, dann ist das einfach falsch. Er muss sein Brot am Ende des Tages mit harter Währung bezahlen und bekommt es nicht, nur weil er viele Facebook- und Youtube-Likes hat.

Könnte man das heute mit moderner IT nicht genau abrechnen?

Das Problem bei den Verwertungsgesellschaften sehe ich darin, dass sie es bisher nicht geschafft haben, eine moderne IT-Infrastruktur aufzubauen. Dabei sollte genau die in der heutigen Zeit eigentlich höchste Priorität geniessen.

Was bringt Rightclearing.com denn für den Künstler konkret?

Künstler, die sich nicht mit Musiklizenzierung auskennen, können erstmals von diesem Geschäftszweig profitieren. Sie erhalten 90 Prozent der Lizenzierungssumme und müssen dafür weder bei einem Label sein, noch einen Anwalt haben. Auch früher gab es viele schlechte Künstler, die niemand hören wollte.

Unter anderem deshalb hat man mit dem bekannten Modell der Verwertungsindustrie ein System etabliert, mit dem man die guten Künstler aus der Masse herausfiltern kann. Es gibt aber viele andere, die ebenfalls sehr gut sind und keinen Vertrag bekamen. Unter anderem dieser Gruppe geben wir mit Rightclearing.com eine neue Chance.

Und wie funktioniert das System als solches?

Der Künstler lädt seine Musik hoch, bestimmt die Preise zu den entsprechenden Nutzungsformen. Wenn auf der anderen Seite ein Lizenznehmer die Rechte an einem Song erwerben möchte, muss er sein Budget und einige wenige weitere Informationen angeben.

Das System berechnet dann in Echtzeit eine Offerte, ähnlich wie es bei Flug- oder Hotelbuchungen üblich ist. Wenn der Kunde mit dem Angebot einverstanden ist, bezahlt er direkt via Paypal oder Kreditkarte. Das Geld fliesst direkt zum Künstler. Beide Parteien erhalten sofort einen rechtsgültigen Vertrag und können erhebliche Anwaltskosten einsparen.

Nebst der traditionellen Rechteverwertungsindustrie gibt es neue und teils hochgelobte Bezahllösungen wie iTunes. Hat iTunes den Künstlern effektiv etwas gebracht?

Der Deal für den Musiker ist auch hier schlecht. Apple und Zwischenhändler nehmen viel Geld dazwischen heraus. Wenn ein Künstler aufgrund seines Labeldeals von 90 Cents vielleicht noch 30 bis 40 Cents bekommt, dann kann er sein Brot am Ende des Tages immer noch nicht bezahlen.

Das gleiche Problem sehe ich bei Spotify, das derzeit enorm gepusht wird wegen der Kooperation mit Facebook. Die bestgespielte Künstlerin Lady Gaga soll dort ein paar wenige Tausend Franken verdienen. Da kann sich jeder ausrechnen, was alle anderen verdienen. Der Künstler ist bis heute der Trottel im ganzen System.

Noch schlechter für die Künstler sieht es bei Filesharing-Portale wie dem kürzlich geschlossenen Megaupload aus. Dort bekommen sie gar nichts. Wie stehen Sie zum Filesharing?

Filesharing als solches finde ich grundsätzlich legitim. Sehr problematisch finde ich, dass dann aber Rapidshare, Megaupload und Konsorten daran sehr viel Geld verdienen, wenn Nutzer anderen Sharen. Fazit: Aus technischer Sicht hat Megaupload etwas gemacht, was Nutzer möchten. Aus juristischer Sicht waren sie definitiv im dunkelgrauen Bereich. Aus Sicht der Künstler waren sie definitiv nicht der Dienst, der ihnen etwas bringt.

Wie geht es jetzt mit Rightclearing.com weiter?

Wir haben eine Partnerschaft mit dem US-Lizenzdienstleister Rumblefish abgeschlossen, damit wir genügend Songs im Pool haben. Bis in wenigen Monaten sollten es mehrere 100 000 sein. Damit verdeutlichen wir unseren Anspruch global und schnell zu wachsen.

Unser Job ist es jetzt, dass wir mögliche Lizenznehmer, also etwa bei TV und Werbern, auf unsere Plattform aufmerksam machen. Nur so verdienen wir letztlich auch Geld. Daneben werden wir die Plattformen aufgrund von Feedbacks weiter entwickeln, um die Kundenbedürfnisse besser erfüllen zu können. Die längerfristige Vision ist dann, Rightclearing Multicontent-tauglich zu machen, also nicht nur für Musik, sondern auch für Fotos, Videos oder wissenschaftliche Texte.