Recht auf Vergessen

Einmal Google lebenslänglich

Uhr | Aktualisiert

Google wehrt sich entschieden dagegen zur Durchsetzung des "Rechts auf Vergessen" seine Suchergebnisse zu zensieren. Weshalb genau? Das verriet Google-Anwalt Daniel Schönberger am Dienstag an einer Tagung in Zürich.

Geschichten über Menschen, die aufgrund von unvorteilhaften Bildern im Web ihren Job verlieren oder ihn gar nicht erst bekommen, sind längst keine Seltenheit mehr. Eine der ersten war bekanntlich jene von Stacy Snyder aus dem Jahr 2006. Sie wehrte sich damals erfolglos gegen die Hochschule, die ihr aufgrund eines Fotos ("drunken pirate") nach erfolgreich bestandener Prüfung das Diplom verweigerte.

Prozesse gegen Google

In die Schusslinie ist unterdessen auch Google geraten. In mehreren Gerichtsprozessen versuchen von negativen Web-Inhalten Betroffene teils mithilfe von Datenschützern eine Löschung aus deren Suchergebnissen zu erwirken. Sie sind wegen unterschiedlich schwerer Delikte vorbestraft, finden jedoch nun teilweise keinen Job mehr, weil bei der Eingabe ihres Namens auf Google negative Berichte über sie weit oben rangieren. Deshalb machen sie Persönlichkeitsschutzrechte geltend.

Gegen die Löschung der Einträge wehrt sich Google bisher mit Erfolg, wie deren Anwalt Daniel Schönberger gestern Dienstag in einem Referat an der "6. Tagung zum Datenschutz" des Europa Instituts der Universität Zürich sagte.

Direkt auf Websites löschen

Google sieht sich als  Intermediär, der die Daten weiterleitet – und nicht als Besitzer der Daten. Deshalb müssten die Kläger, wenn überhaupt, die Löschung der Inhalte auf den entsprechenden Websites erwirken. Eine Zensur der Suchergebnisse sei ohnehin wenig wirkungsvoll, weil die Inhalte ja auch via andere Suchmaschinen gefunden werden könnten, fügte Schönberger an.

Das Thema "Recht auf Vergessen" war während Jahrzehnten primär ein medienrechtliches Thema. Einer der bekanntesten Fälle war der Folgende: 1983 verbot das Bundesgericht die Ausstrahlung einer Sendung von Radio DRS über den 1939 zum Tode verurteilten Mörder Paul Irniger. Der Grund: Irnigers Sohn verwies auf den Persönlichkeitsschutz seiner unmittelbaren Verwandten, der durch die Verbreitung im Radio ungleich stärker beeinträchtigt würde als durch andere Formen der Veröffentlichung.

Sollen Daten ein Verfalldatum haben?

Mit seinem Buch "Delete" stiess der österreichische Jurist und Internetexperte Viktor Mayer-Schönberger 2010 dann die Debatte um das "Recht auf Vergessen" im digitalen Zeitalter so richtig an. Während in der Menschheitsgeschichte das Erinnern, Speichern und Weitergeben von Informationen teuer gewesen sei und man deshalb vieles vergessen habe, sei es heute genau umgekehrt. "Daten sollten ein Verfallsdatum haben, das Internet sollte das Vergessen lernen", sagte Mayer-Schönberger 2011 in einem Interview auf Zeit.de.

Ähnliche Forderungen sind auch in der Schweiz zu vernehmen. So forderte der Schweizer Rechtsanwalt Lukas Fässler kürzlich im Interview mit der Netzwoche einen "Anspruch auf Vergessen", denn "es ist ein Fakt, dass man nichts mehr aus dem Netz wegbringt." Er erläuterte dabei einige Beispiele. Neue Datenschutzrichtlinien sind in der EU bereits unterwegs, jedoch nicht minder umstritten, wie Spiegel.de darlegt. Sie sollen auch das "Recht auf Vergessen" regeln.

Andere Rechte mit einbeziehen

Diesem Recht erteilt Schönberger indes nicht eine grundsätzliche Absage. Viel mehr begrüsse er die Bestrebungen "im Grundsatz". Er stellt jedoch in Frage, dass solche "Verfallsdaten" von Daten in der Praxis umsetzbar sind. Zudem sei der Persönlichkeitsschutz auch nicht das einzige Interesse, das man berücksichtigen müsse. Die Informations- und Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, oder die Wirtschaftsfreiheit der verschiedenen beteiligten Akteure seien ebenso miteinzubeziehen.