Computerchips aus Nanomaterialien

Das Ende von "Moore's Law"?

Uhr | Aktualisiert
von David Klier

Die Kosten für Chip-Fabriken könnten in den nächsten Jahren explodieren. Immer mehr Transistoren sollen auf einem einzelnen Chip Platz finden, doch die gängigen Herstellungsverfahren stossen an ihre Grenzen. Einen möglichen Ausweg bieten sogenannte Nanomaterialien, die nicht auf Silizium basieren.

Die von Intel-Mitbegründer Gordon E. Moore aufgestellte Regel, nach der sich die Anzahl von Transistoren auf einem einzelnen Chip ungefähr alle 18 Monate verdoppelt, steht inzwischen unter harscher Kritik. Manch einer bescheinigte ihr schon kurz nach ihrer Veröffentlichung 1965 eine begrenzte Gültigkeit. Inzwischen erhärtet sich der Verdacht nach ihrer Ungültigkeit. Doch Moore's Law ist nicht tot. Sie entwickelt sich weiter, wie die New York Times (NYT) in einem Hintergrundartikel berichtet.

Moore ging damals von Chips auf Siliziumbasis aus. Deren Entwicklung ist inzwischen tatsächlich an einem Punkt angelangt, der sich, bildlich gesprochen, vor einer Wand befindet, die praktisch nicht überwunden werden kann. Mit den aktuell zum Einsatz kommenden Fertigungsverfahren und dem Ausgangstoff Silizium lässt sich die Zahl der Transistoren auf einem einzelnen Chip kaum mehr steigern, ganz zu schweigen von einer möglichen Verdopplung.

Herstellungskosten für klassische Chips werden explodieren

Analysten von Gartner prophezeiten kürzlich, dass in rund zwei Jahren die Kosten für Halbleiterfabriken auf 8 bis 10 Milliarden US-Dollar steigen werden. Das wäre mehr als doppelt so viel, wie aktuelle Fabrikgenerationen kosten. Bis zum Ende der Dekade könnten die Kosten gar auf 15 bis 20 Milliarden Dollar pro Fabrik klettern.

Doch einige Wissenschaftler und Ingenieure zeigen sich optimistisch. Sie sind der Überzeugung, dass es möglich sein wird, Schaltkreise zu entwickeln, die kaum grösser als einzelne Moleküle sind. Ermöglichen soll das eine neue Klasse von Nanomaterialien – Metalle, Keramik, Polymere oder Verbundstoffe, die "bottom up" und nicht "top down" organisiert werden können.

"Wir müssen mit der Natur zusammenarbeiten"

Gemäss NYT arbeiten Halbleiter-Designer an einem chemischen Prozess, der es ermöglicht, Schaltkreise "wachsen" zu lassen. Die bringen Materialien dazu, Muster ultradünner Kabel auf Halbleiter-Wafern zu bilden. Nach Glauben der Forscher sollen diese Nanokabelmuster in Kombination mit konventionellen Fertigungsverfahren zu einer neuen Generation von Computerchips führen, die Moore's Law am Leben erhalten und gleichzeitig die Produktionskosten der Chips reduzieren könnten.

Chandrasekhar Narayan, Director of Science and Technology in IBMs Almaden Research Center in San Jose, Kalifornien, erklärt gegenüber der NYT, dass der Schlüssel der neuen Fertigung die selbstentstehenden Strukturen sind. "Wir nutzen die Kräfte der Natur, um unsere Arbeit von ihr erledigen zu lassen. Rohe Gewalt funktioniert nicht länger. Wir müssen mit der Natur zusammenarbeiten und die Dinge von sich aus entstehen lassen."

Supercomputer berechnen die Supercomputer von morgen

Um das in der Praxis umzusetzen, werden die Halbleiterhersteller von der Ära des Siliziums in die Ära der sogenannten "Computational Materials", also rechenbetonte Materialien, übergehen müssen. Völlig auf die Kräfte der Natur wollen sich die Wissenschaftler aber wohl doch nicht verlassen.

Die Forscher im Silicon Valley etwa nutzen Supercomputer, um die potenziellen Verhaltensweisen von Nanomaterialien zu simulieren. Auf diese Weise wollen sie die Eignung von Materialien für den Einsatz als Halbleiter testen.

Erste Erfolge im Silicon Valley

Es gibt bereits erste Erfolge zu feiern. Im Dezember gaben Forscher der Sandia National Laboratories in Livermore, Kalifornien, bekannt, eine neue Materialienklasse geschaffen zu haben. Sie nannten sie "Metal-organic Frameworks", kurz MOFs. Dabei handelt es sich um kristalline Anordnungen von Metallionen und organischen Molekülen. Diese hatten sie zuvor mit Supercomputern simuliert und dann experimentell verifiziert.

Noch davor beschrieben Wissenschaftler des SLAC National Accelarator Laboratory in einer Publikation eine neue Form von Zinn, das bei Raumtemperatur und einer Dicke von nur einem einzelnen Molekül, Elektrizität mit einer Effizienz von 100 Prozent leiten soll. Eine echte Sensation, da eine derartige Leitungsfähigkeit bislang nur mit sogenannten Supraleitern bei Temperaturen nahe des absoluten Nullpunktes (-273 Grad Celsius) möglich war.

Das Material wäre ein Beispiel für eine neue Materialklasse namens "Topoligical Insulators". Materialien also, die auf ihrer Oberfläche oder an den Kanten extrem leitfähig sind, aber in ihrem Inneren isolierend wirken. In diesem Zusammenhang schlugen die Forscher eine Struktur mit Fluoratomen auf einer einfachen Schicht von Zinnatomen vor.

Das neue Material nannten die Forscher Stanene, in Anlehnung an den lateinischen Namen für Zinn – stannum – und der Endung für Graphit (engl. Graphene).