Fragwürdige Vergabepraxis beim Bund

Wenn die Ausnahme fast zur Regel wird

Uhr | Aktualisiert

Freihändige Vergaben von Aufträgen beim Bund sollten eigentlich eine Ausnahme sein. Beim Seco hat man dies anscheinend vergessen.

IBM und Lenovo haben eine definitive Übereinkunft getroffen. Das US-Finanzministerium muss aber noch sein OK geben. (Quelle: sxc.hu)
IBM und Lenovo haben eine definitive Übereinkunft getroffen. Das US-Finanzministerium muss aber noch sein OK geben. (Quelle: sxc.hu)

Bereits letzten Sommer war bekannt geworden, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) einen Auftrag im Wert von 22 Millionen Schweizer Franken unter der Hand an den amerikanischen Softwarehersteller CSC vergab. Die Eidgenössische Finanzkontrolle kritisierte dies damals und sagte, dass der lukrative Auftrag hätte ausgeschrieben werden müssen.

Wie Recherchen des Tagesanzeigers nun beweisen, war diese Vergabe nur die Spitze des Eisbergs. Laut der Zeitung hat das Seco von 2009 bis 2011 insgesamt 43 IT-Aufträge im Umfang von über 34 Millionen Franken ohne wettbewerbliche Ausschreibung vergeben. Mehr als die Hälfte der Mandate gingen dabei an ein und dieselbe Firma, die das Seco aber nicht namentlich nennen wolle.

Seco wehrt sich gegen Transparenz

Zu seiner Verteidigung sagt das Seco laut Tagesanzeiger, dass die Vergabe via eine Ausnahmeregelung erfolgt sei. Diese besagt, dass "Leistungen zur Ersetzung, Ergänzung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen" nicht öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Für die Zeitung aus Zürich ergibt diese Argumentation jedoch wenig Sinn. Zu gross seien Volumen und Anzahl der Folgeaufträge gewesen. Ausserdem hätte das Seco die Vergaben öffentlich bekannt machen müssen, was es unterliess.

Am Vorgehen des Seco irritiert den Tagesanzeiger auch, dass dieses sich bis heute gegen die Transparenzbemühungen von Medien wehre. Die Zeitung erklärt, sie hätte zum Beispiel um die Freigabe der Auftragslisten in einem langwierigen Schlichtungsverfahren vor dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten kämpfen müssen. Ausserdem habe sich das Staatssekretariat bis heute geweigert darzulegen, auf welchen Grundaufträgen die unter der Hand vergebenen Folgeaufträge basierten oder zu welchen Stundenansätzen die IT-Experten diese abrechneten.

Seco weist Anschuldigungen von sich

Marie Avet, stellvertretende Leiterin Kommunikation beim Seco, widerspricht diesen Ausführungen. Sie erklärt, der Tagesanzeiger habe alle vorhandenen Auftragslisten erhalten, einzig die Namen seien anonymisiert worden. Des Weiteren sagt sie, dass die Zeitung tatsächlich weitere Ergebnisse angefordert habe. Deren Erarbeitung hätte jedoch einen erheblichen Aufwand bedeutet, der hätte abgegolten werden müssen. Dies habe der Tagesanzeiger abgelehnt. Zu den Salären führt sie aus: "In den Verträgen wurden die in der Bundesverwaltung erlaubten Höchstansätze verwendet. Der Tagesanzeiger wurde für diese Höchstansätze an das Bundesamt für Bauten und Logistik verwiesen."

Christian Brönnimann vom Tagesanzeiger stimmt auf persönliche Anfrage den Ausführungen Avets teilsweise zu. Tatsächlich habe ihm das Seco angeboten eine Offerte für die Erarbeitung weiterer Ergebnisse zu liefern. Er bezeichnet dies allerdings als einen ungewöhnlichen Schritt, der möglicherweise dazu diene, Zeit zu schinden. Ausserdem habe er Druck ausüben müssen, bis sich das Staatsekretariat zu diesem Schritt durchgerungen habe. Den Verweis auf die in der Bundesverwaltung erlaubten Höchstsätze habe er erhalten: "Ich wollte aber keine allgemeine Lohntabelle, sondern eine konkrete Zahl", sagt der Journalist. 

Bereits früher Skandale

Bereits 2005 war es zu einem ähnlichen Skandal gekommen. Bei einer vom Bundesamt für Informatik und Telekommunikation durchgeführten IT-Auftragsvergabe verhalfen zwei Bundesangestellte einem Unternehmen, zu dem sie in enger Beziehung standen, zu einem Grossauftrag. Da damals aber keine strafrechtlich relevanten Handlungen festgestellt werden konnten, blieb ihr Verhalten folgenlos.