Interview mit Rob Tarkoff von Lithium Technologies

"Keiner will im Callcenter in der Warteschlaufe hängen"

Uhr

Lithium Technologies möchte Konversationen von Kunden untereinander für Unternehmen gewinnbringend nutzbar machen. Wir sprachen mit Rob Tarkoff, CEO der Social-CRM-Firma.

Rob Tarkoff (Quelle: Spencer A Brown - mail@spencerbrownphoto.com)
Rob Tarkoff (Quelle: Spencer A Brown - mail@spencerbrownphoto.com)

Herr Tarkoff, worauf spezialisiert sich Ihre Firma Lithium Technologies?

Tarkoff: Wir betreiben eine Plattform, die es Unternehmen ermöglicht, näher zu ihren Kunden zu kommen. Dafür vertreiben wir Community- und Social-Media-Management-Software. Diese hilft zu verstehen, was Kunden wollen und schafft einen Ort, an dem sich Kunden mit anderen Kunden unterhalten können. Wir liefern also grossen Marken eine Plattform, über die sie die Konversationen mit ihren Kunden über alle Netzwerke hinweg und die Konversationen der Kunden untereinander verwalten und betreiben können – also eine Art White-Label-Plattform, mit der Firmen ihre eigene Community bauen können.

Wie viele Kunden haben Sie zurzeit?

Wir haben aktuell etwa 400 Kunden, die ihre Online Communities über eine Lithium-Plattform laufen lassen. Das bedeutet, dass sich monatlich weltweit über 100 Millionen Unique Users auf unserem Netzwerk austauschen. Dadurch erhalten wir viele Daten, die wir unseren Kunden neutralisiert zur Verfügung stellen, damit diese Entscheidungen bezüglich der Einbindung ihrer eigenen Kunden in unternehmerisch wichtige Prozesse treffen können. Damit können unsere Kunden dann wiederum ihren Kunden ein besseres Kontakterlebnis oder einen besseren Service bieten.

Haben Sie auch in der Schweiz einige grosse Kunden?

Ja, zum Beispiel Helsana, Orange Schweiz, Homegate oder Swisscom. Die Swisscom beispielsweise nutzt Lithium Technologies für den Betrieb der Support Community. Kunden diskutieren dort mit anderen Kunden über ihre Fragen. Die Idee ist, dass sie schnell zu Antworten gelangen können, anstatt im Callcenter in der Warteschlaufe zu hängen. Es ist übrigens sehr beeindruckend: Teilweise sind die Community-Mitglieder so gut über die Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens informiert, dass man meinen könnte, es handle sich um Mitarbeiter der Swisscom. Das ist aber nicht der Fall. Mitarbeiter der Swisscom sind zwar auch in der Community aktiv, anhand ihres Avatars aber als solche erkennbar.

Inwiefern profitieren die Unternehmen vom Aufbau solcher Communities?

Grundsätzlich geht es darum, dass wir in den nächsten paar Jahren eine grosse Verschiebung erwarten - und zwar vom klassischen Callcenter hin zu sozialen Plattformen. Dadurch wird sich das gesamte Feld des Customer-Relationship-Managements verändern. Der Kunde bewegt sich heute primär auf Social Media und in der virtuellen Welt. Es geht darum, die Pflege von Kundenbeziehungen in diese Sphäre zu verschieben. Dazu muss aber natürlich noch einiges geschehen. Heute denken viele Firmen, es reiche, ein Facebook-Profil zu bewirtschaften. Dabei geht es darum, die gesamte Social-Media-Strategie auf Niveau der Unternehmensführung zu verfolgen. Das bedeutet, sie sollte beim Spitzenmanagement angesiedelt werden und in unternehmensweite Strategie-Prozesse eingebunden sein, anstatt als Silo behandelt zu werden.

Vor kurzem haben Sie die Firma Klout übernommen. Wie gedenken Sie deren Dienstleistungen in ihr aktuelles Produktportfolio zu integrieren?

Nun, Klout bietet das grösste unabhängige Reputationsanalyse-System, das ausserhalb von Facebook oder Google existiert. Es ist ein Tool, das über verschiedene Plattformen hinweg dazu dient festzustellen, wie einflussreich Personen im Bezug auf bestimmte Themen sind. Bis jetzt war Klout sehr erfolgreich darin, sehr viele Nutzer zu gewinnen. Hauptsächlich in den USA, in Nordeuropa und in Singapur. Nun, um ihre Frage direkt zu beantworten: Es geschieht viel in der Welt der sozialen Medien und viele Unternehmen möchten Erkenntnisse hierzu mit einer Analyse ihrer Communities verbinden. Durch die Akquisition von Klout werden wir in der Lage sein, beides aus einer Hand anzubieten. Mit den Daten von Klout und unseren Daten aus den Communities werden wir in den Auswertungen noch bessere Kundenprofile erstellen können.

Wissen Sie wie genau die Klout-Scores zu Stande kommen?

Grundsätzlich wird der Score mittels einiger komplexer Algorithmen berechnet. Es ist zum Beispiel wichtig, eine grosse Anzahl an Followern auf Twitter oder Facebook zu haben. Aber auch ein hoher Prozentsatz an Retweets ist hilfreich, um einen guten Score zu erreichen. Die Art, wie der Score gemessen wird und zustande kommt, ist aussagekräftig. Viele Datenspezialisten und Wissenschaftler waren bei der Entstehung und Entwicklung des Scores beteiligt. Teile davon wurden auch im Open-Source-Modell entwickelt, aber es gibt natürlich gewisse Informationen zur genauen Berechnung, die wir nicht preisgeben möchten.

Anderes Thema. Sie haben ein Büro in Zürich – was tun Sie an Ihrem Schweizer Standort und wie lange sind Sie schon hier?

Wir sind bereits seit fünf Jahren in Zürich mit einem eigenen Büro präsent. Als Lithium die Entscheidung traf, nach Europa zu kommen, entschieden wir uns, gleichzeitig zwei Geschäftsstellen zu eröffnen: Eine in London und eine in Zürich. Nicht nur, weil unser Europa-Manager ein Schweizer ist, sondern weil die Schweiz ein zentraler Standort ausserhalb Englands und Skandinavien ist.

Haben Sie auch in Deutschland grosse Kunden?

Ja, zum Beispiel O2, das Telekommunikationsunternehmen oder die Deutsche Telekom. Aber auch einige mittelgrosse Kunden. Wir sind auf jeden Fall im Wachstum begriffen.

Können Sie es sich vorstellen, mit ihrer Firma bald an die Börse zu gehen?

Dazu gibt es natürlich von Zeit zu Zeit Spekulationen. Aber es ist nicht unsere Hauptpriorität. Ein Börsengang ist ja letztlich eine Art, viel Geld zu akquirieren. Wir hatten bis jetzt das Glück, im Bereich Venture Capital sehr erfolgreich an ausreichende Mittel zu kommen, weshalb wir auf den richtigen Zeitpunkt warten können.

Webcode
382

Passende Jobs