Live-Interview mit Pascal Frauchiger

"Man darf Technologien weder zu früh noch zu spät einführen"

Uhr | Aktualisiert

Pascal Frauchiger, Head of Infrastructure bei Manpower Schweiz in Genf, spricht im Interview über die Anforderungen von Manpower an die IT sowie die Möglichkeiten, die sich durch ein Outsourcing ergeben.

Pascal Frauchiger, Head of Infrastructure bei Manpower Schweiz (Quelle: Netzmedien)
Pascal Frauchiger, Head of Infrastructure bei Manpower Schweiz (Quelle: Netzmedien)

Herr Frauchiger, Sie lagern derzeit Ihre gesamte IT-Infrastruktur an einen externen Partner aus. Was bedeutet das genau?

Wir haben derzeit drei Infrastruktur-Projekte am Laufen: Wir wollen unsere E-Mail- und Telefondienste sowie unsere Firewalls/Proxies auslagern. Letztere lagern wir bei unserem Partner Swisscom in die Cloud aus. Diese drei Projekte sind Teil eines globalen Programms mit dem Namen "Zero Inhouse Datacenter" und "Full IP Voice". Ziel dieses Programms ist es, unser Inhouse Datacenter komplett auszulagern. Bisher haben wir alle diese Dienstleistungen intern betrieben.

Wie weit ist das Projekt fortgeschritten?

Im Moment ist 90 Prozent unserer Infrastruktur in die Cloud ausgelagert. Bis Ende des Jahres sollen es 100 Prozent sein, wir liegen also im Zeitplan.

Wie ist die Migration vonstatten gegangen?

Sie war für die Nutzer immer transparent. Das wichtigste Ziel, also so wenige Unterbrechungen wie möglich bei der Arbeit zu haben, haben wir damit erreicht. Geschafft haben wir das, indem wir die Server am Wochenende oder in der Nacht migrierten. Aus technischer Sicht mussten wir zudem einige Grundvoraussetzungen erfüllen, damit die Migration problemlos ablaufen konnte. Erstens brauchten wir in unserem Datacenter, das wir ersetzen wollten, virtualisierte Systeme. Nur so konnten wir unsere Server telquel migrieren, wie wir es getan haben. Das wiederum erfordert zweitens, dass man den IP-Adressierungsplan des Netzwerks auf keinen Fall verändern darf. Das heisst, dass der Adressplan unseres Datacenters und derjenige des Cloud-Datacenters unseres Partners über den gleichen Adressplan verfügen mussten. Drittens spielt bei der Datenübertragung zwischen den beiden Datacentern auch die Bandbreite eine Rolle. Unsere kleineren Server verfügten über einen Speicherplatz von 20 bis 30 Gigabyte, die grössten Server bis zu 250 Gigabyte. Uns stand eine Bandbreite von 500 Megabit pro Sekunde zur Verfügung, um die Migration in einer vernünftigen Zeit zu realisieren. Der grosse Brocken war also die Vorbereitung. Bei der Migration selbst hatten wir keine technischen Probleme.

Warum haben Sie sich für das Outsourcing entschieden?

Wir definierten für unsere IT-Infrastruktur drei Schlüsselwerte: Agilität, Flexibilität und Schnelligkeit. Diese in die Praxis umzusetzen ist derzeit unsere grösste Herausforderung. Aus Sicht der Infrastruktur müssen wir die Kapazität haben, diese immer weiterzuentwickeln, um somit das Business in seinen Zielen unterstützen zu können. Dafür müssen wir uns auf unser IT-Kernbusiness konzentrieren. Die Businessapplikationen werden bei uns von einer anderen internen Manpower-Abteilung betreut. Was wiederum bedeutet, dass wir erst definieren mussten, woraus unser Kernbusiness genau besteht. Grundsätzlich müssen wir bei Manpower die Governance, die IT-Architektur, das Servicemanagement, die Arbeit unserer Generalisten, die Sicherheit und das Projektmanagement im Griff haben. Alle anderen Aufgaben gehören nicht zum Kernbusiness und beinhalten somit für uns keinen Mehrwert, also lagern wir diese aus. Dazu gehört auch der Besitz der Hard- und Software sowie die spezialisierte Arbeit unserer Ingenieure. Denn wir hatten bisher zwei Arten von Aufgaben für unsere angestellten Ingenieure: generelle sowie spezialisierte Aufgaben. Ziel ist es, die Kosten und Kompetenzen zu optimieren, indem wir intern Generalisten beschäftigen, die die Bedürfnisse unserer Nutzer gegenüber unseren externen Spezialisten übersetzen können. Diese wiederum verfügen über die nötigen technologischen Kenntnisse, um diese Bedürfnisse abzudecken. Das ist wie in der Medizin: Die Stärke des Allgemeinarztes besteht darin, dass er seinen Patienten kennt und weiss, wann es nötig ist, einen Spezialisten zurate zu ziehen. Ziel ist es, dass unsere IT-Abteilung für jede unserer anderen Abteilungen ein Dienstleistungsunternehmen "à la carte" repräsentiert, statt ein undurchsichtiges Gebilde von Kosten darstellt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss sich unsere IT-Abteilung insofern verändern, dass die entstandenen Kosten auf Dienstleistungen und nicht mehr länger auf Löhnen und Verträgen basieren. In Bezug auf die Cloud bin ich sicher, dass diese letztlich für alle kommen wird. Früher stellten sich alle die Frage, ob sie virtualisieren sollten oder nicht, heute stellt man sich diese Frage nicht mehr, weil es jeder macht. Heute stellen sich einige immer noch die gleiche Frage bezüglich der Cloud, in vier, fünf Jahren wird sich auch das niemand mehr fragen. Die Cloud wird eine Technologie sein, an die sich alle gewöhnt und die alle implementiert haben.

Welche Vorteile ergeben sich aus der Cloud?

Auf diese Weise kann ich meinen Kunden etwas bieten, was ich nicht könnte, wenn ich alles intern machen müsste. Meine Kosten würden schlichtweg explodieren. Wir sind nicht gross genug, um in allen unseren Dienstleistungsgebieten einen Spezialisten anbieten zu können. Diese Struktur erlaubt es uns, unseren Nutzern Lösungen in einer Qualität zu liefern, die man normalerweise nur bei einem grossen Unternehmen finden würde. Und dies zu einem für uns erschwinglichen Preis. Indem wir die Hard- und Software – exklusive Businessapplikationen – sowie die Spezialisten auslagern und Dienstleistungen einkaufen, reduzieren wir auch die finanziellen und technologischen Investitionsrisiken.

Was bedeutet das für die Mitarbeiter der IT-Abteilung?

Für sie macht es natürlich einen Unterschied. Sie waren vorher Systemingenieure und -administratoren und müssen nun zu Servicemanagern nach den Vorgaben von ITIL werden. Das ist auch eine interne Veränderung. Das Ziel eines Ingenieurs ist es, Probleme zu lösen. Das ist sein Berufsstolz. Mit dieser neuen Struktur muss er Probleme, wenn er sie nicht binnen nützlicher Frist lösen kann, an den Spezialisten weitergeben. Das kann frustrierend sein.

Gibt es auch Mitarbeiter, die ihre Arbeit durch diese Transformation verlieren werden?

Nein, denn die Bedürfnisse der Nutzer werden vielfältiger und auch die Arbeitsbelastung nimmt zu. Den Vorteil, den wir durch das Outsourcing gewinnen, können unsere Generalisten dazu nutzen, um diese zusätzliche Arbeitslast zu bewältigen.

Sind alle Mitarbeiter damit einverstanden?

Die Welt verändert sich, genau wie die Unternehmen auch. Im IT-Infrastrukturbereich muss sich ein Mitarbeiter die Frage stellen, ob er sich in der Rolle eines Generalisten wohlfühlt oder ob er ein Spezialist bleiben will. Glücklicherweise haben sich alle meiner Mitarbeiter dafür entschieden, Generalisten zu werden, und somit bei mir, beziehungsweise bei Manpower, zu bleiben.

Können Sie mit dieser Transformation Kosten sparen?

Kosten stehen immer in einem Verhältnis zu einem Servicelevel und können nicht isoliert betrachtet werden. Wir ziehen es vor, das Kosten-Service-Verhältnis in Bezug auf unsere drei erwähnten Schlüsselwerte zu optimieren. Es ist nicht unser erstes Ziel, einseitig die Kosten zu reduzieren, vielmehr wollen wir auf die Bedürfnisse unserer Nutzer reagieren und ihnen schnell die nötigen Dienstleistungen liefern können, damit sie gegenüber der Konkurrenz bestehen können – und dies zu angemessenen Kosten.

Mit Ihrer Konkurrenz meinen Sie beispielsweise Adecco, Kelly Services und Randstad?

Nicht unbedingt, nein. Am Schweizer Markt gibt es vier grosse Player: Manpower, Adecco, Kelly Services und Randstad. Aber diese vier machen nur 20 Prozent des Marktes aus, was Temporäranstellungen betrifft. Der Rest wird von kleinen Unternehmen und von Spezialisten besetzt. Die Konkurrenz sind also nicht nur die Grossen, sondern auch die Kleinen, die lokal vertreten sind. Wobei wir auch lokal vertreten sind, denn wir sind mit 70 Filialen in der ganzen Schweiz präsent.

Sie wollen die erwähnten drei Infrastrukturprojekte bis Ende 2014 abschliessen. Was kommt danach?

Nächstes Jahr werden wir die Desktops modernisieren und zwar über ein Programm namens "Innovative Desktop", das wir 2015 ausführen und abschliessen wollen. Mit dem Desktop-Projekt werden wir Themen wie Mobilität, Free Sitting und One Device vertiefter angehen. Der Zugriff auf das Firmennetzwerk ist auch ein Teil davon. Das heisst, dass wir aus Sicherheitsgründen zwischen privaten Geräten, Businessgeräten und externen Geräten von Kunden, Kandidaten oder Beratern unterscheiden wollen. Je nachdem, mit welcher Art von Gerät ein Mitarbeiter oder ein Nutzer arbeitet, bekommt er automatisch eine unterschiedliche Netzwerkverbindung zugewiesen. Zusammenfassend kann man also sagen, dass wir nun zwei Jahre investieren, um die Server und das Backend zu aktualisieren, und dann ein weiteres Jahr für das Frontend einplanen.

Gibt es neben den beiden Projekten "Zero Inhouse Datacenter" und "Innovative Desktop" noch andere Projekte?

Ja, wir haben noch das Programm Big Data, das sich derzeit in der Analyse befindet. Da geht es darum, wie wir mit der steigenden Datenflut umgehen. Für den Infrastrukturteil führen wir bereits eine Analyse durch, um einen Enterprise System Bus zu implementieren. Hier geht es darum, den Austausch zwischen den Applikationen zu vereinfachen, die entweder Daten produzieren oder Daten auswerten. Mit einem Enterprise Bus können wir die entsprechenden Interfaces standardisieren und industrialisieren. Dieses Projekt sollte nächstes Jahr durchgeführt und abgeschlossen sein, zumindest, was den Infrastrukturteil betrifft. Ab nächstem Jahr werden wir dann die Problemstellungen von Big Data angehen können. Das Thema Software, also die Business Intelligence, wird von den Bedürfnissen des Business abhängen.

Worin liegen die Schwierigkeiten und Herausforderungen Ihrer Arbeit?

Das Schwierige daran ist, dass man den richtigen Zeitpunkt für die Implementierung von neuen Lösungen und Technologien finden muss. Man darf sie nicht zu früh, aber auch nicht zu spät einführen. Macht man es zu früh, ist die Technologie noch nicht richtig entwickelt und man wird viele Kinderkrankeiten haben. Wenn man zu spät dran ist, ist es kein Vorteil mehr, sondern sogar ein Nachteil. Denn die Konkurrenz wird die Technologie bereits implementiert haben, was bedeutet, dass man seine Geschwindigkeit verdoppeln muss, um sie einzuholen. Und das ist heute genau die Schwierigkeit von IT-Infrastruktur-Verantwortlichen. Sie müssen den richtigen Moment finden, um mit einer neuen Technologie in Bezug auf Funktionalität, Reife und Kosten das beste Resultat zu erhalten. Diese Problematik verschärft sich übrigens, da sich die IT-Welt immer schneller entwickelt und die verfügbaren Zeitrahmen immer enger berechnet werden. Früher hatte man drei bis fünf Jahre Zeit, um sich zu überlegen, ob man eine Technologie einführen wollte oder nicht. Vor zehn Jahren hatten wir drei bis fünf Jahre Zeit, um die Virtualisierungstechnologie einzuführen. Heute bleibt uns für die Einführung der Cloud nur ein Jahr, um konkurrenzfähig zu bleiben.