Boris Battistini im Interview

"Corporate Ventures müssen zeigen, dass sie professionell und ausdauernd sind"

Uhr | Aktualisiert
von Interview: Rodolphe Koller, Übersetzung: Janine Aegerter

Boris Battistini ist Spezialist für Corporate Venturing und Autor verschiedener Berichte zum Thema. Er arbeitet am Departement Management, Technologie und Ökonomie der ETH Zürich. Im Interview spricht er über die Herausforderungen, die mit Corporate Venturing einhergehen.

Boris Battistini forscht an der ETH Zürich. (Quelle: ETH Zürich)
Boris Battistini forscht an der ETH Zürich. (Quelle: ETH Zürich)

Herr Battistini, gibt es derzeit einen Boom im Corporate Venture Capital?

Ich würde eher von einem neu erwachten Interesse für diesen Investitionstyp sprechen. Seit dem Platzen der Dotcom-Blase haben viele Unternehmen Geld verloren, nicht zuletzt, weil sie teilweise zu wenig über Venture Capital wussten. Dies hat die Situation zusätzlich abgekühlt, und es brauchte Zeit, bis die Wunden heilten. Seit vier oder fünf Jahren sind Unternehmen wieder an diesem Thema interessiert, experimentieren und tauschen sich an Veranstaltungen aus. Corporate Venturing hat sich zudem auch weiterentwickelt. Statt sich nur auf Start-ups in einem fortgeschrittenen Stadium zu konzentrieren, mit einem Exit – also einem Börsengang oder einem Verkauf – als Ziel, sind sie eher an der Innovation interessiert, die ihnen diese Investition im Rahmen der Technologie und ihres Geschäftsmodells bringen kann. Darüber hinaus ist Corporate Venture Capital nicht mehr nur auf die ICT-­Branche beschränkt, sondern breitet sich auch in andere Wirtschaftszweige aus. Zudem erhält das Thema eine grössere Anerkennung von traditionellen Investoren. Man muss aber auch relativieren: Der Anteil des Corporate Venture Capital ist im Verhältnis zur investierten Gesamtsumme marginal.

Wie wichtig ist Corporate Venturing für die Innovationsstrategie von Unternehmen?

Die Investition ist Teil der Bewegung der offenen Innovation. Es ist eines der verfügbaren Werkzeuge, um die Innovation von aussen zu entwickeln, abgesehen davon, was im Unternehmen erforscht und entwickelt wird. Aber es gibt auch andere Formen der Zusammenarbeit, wie diejenige mit Forschungsinstituten oder strategische Partnerschaften.

Bedeutet das, dass traditionelle Investoren Geld verdienen wollen, während sich Corporate-Venture-Unternehmen Innovation wünschen?

Das ist teilweise richtig. Ich würde eher sagen, dass sich Corporate Ventures dadurch von klassischen Investoren unterscheiden, dass sie ausser dem finanziellen auch ein strategisches Interesse haben. Die zuständigen Abteilungen haben also einen strategischen Auftrag ihrer Organisation. Um anderen Investoren gegenüber glaubwürdig zu erscheinen, müssen sie aber gleichzeitig auch ein finanzielles Interesse an den Tag legen.

Schätzen es klassische Investoren, dass sich Unternehmen an ihren Investitionen beteiligen?

Ja, unter bestimmten Bedingungen. Corporate Ventures können dank ihres Bekanntheitsgrads und in ihrer Rolle als Kunde den Start-ups und den Investitionen mehr Gewicht verleihen. Aber dieser Mehrwert ist nur sinnvoll, wenn sie sich auch als professionelle und langfristige Investoren zeigen. Das bedeutet, dass sie sich über einen längeren Zeitraum engagieren müssen und dass sie kompetente Mitarbeiter haben. Umgekehrt sind die Unternehmen als Investitionspartner nicht erwünscht, wenn ihre Strategie sich ständig ändert oder Druck darauf ausgeübt wird, oder wenn ihre Investitionstätigkeit plötzlich beendet werden kann, weil es eine Reorganisation oder eine Änderung im Topmanagement gibt.

Ist es schwierig, finanzielle Interessen und Innovationsziele in Einklang zu bringen?

Ja, es kann eine Herausforderung sein, aber es ist vor allem abhängig von der Art der Investitionstätigkeit. Die beiden Tätigkeiten lassen sich beispielsweise dann vereinbaren, wenn das Unternehmen in Innovationen investiert, die die eigenen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten ergänzen und an der Früherkennung von externen Trends interessiert ist, die sich langfristig auf die eigene Branche auswirken können. Hingegen lassen sie sich nur schlecht vereinbaren, wenn das Unternehmen nur auf der Suche nach schnell umsetzbaren Innovationen ist.

Haben Start-ups ein Interesse an Unter­nehmensinvestoren?

Im Allgemeinen haben Start-ups bei ihren Investoren keine grosse Wahl, da alles mögliche Kapital wünschenswert ist. Dennoch bringen Unternehmen wie Google Ventures und Intel Capital zwei Arten von Vorteilen gegenüber herkömmlichen Investoren mit sich. Erstens kann das Start-up vom technischen Wissen der Unternehmensinvestoren profitieren, und sei es auch nur deswegen, weil diese das ­Potenzial einer Lösung verstehen können. Zweitens verfügen die Unternehmens­inves­toren über Marktkenntnisse und Vertriebskanäle. Sie können so eine Lösung bekannt machen und deren Einführung auf dem Markt erleichtern.

Versuchen Corporate Ventures die Ent­wicklung und das Angebot von Start-ups zu beeinflussen?

Es muss unbedingt vermieden werden, dass ein Unternehmen die Kontrolle über solche Entscheidungen übernimmt. Erstens ist das nicht professionell: Das Unternehmen ist Teil einer Gruppe von Investoren. Es kann zu Entscheidungen beitragen, soll diese aber nicht erzwingen. Sonst würde es sich um eine Art Vorakquisition mit Rabatt handeln, falls ein Unternehmen nur mit der Idee investieren würde, das Start-up später zu kaufen. Darüber hinaus wäre ein solcher Einfluss kontraproduktiv, weil es die Möglichkeiten eines späteren Verkaufs der Start-ups an ein Konkurrenz­unternehmen schmälern könnte. Der Vorteil des Unternehmens, das investiert, sollte sich daher rein auf eine bessere Kenntnis des Start-ups begrenzen.

Passende Jobs