"Wer nur in seinem eigenen Gärtchen ­arbeitet, der wird kaum weit kommen"

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von George Sarpong

Nach der Verabschiedung des EPDG in den eidgenössischen Räten im Juni 2015 soll das elektronische ­Patientendossier (EPD) jetzt schweizweit realisiert werden. Regierungsrat Thomas Heiniger ist als Gesundheitsdirektor des Kantons Zürich mit der Zurich Affinity Domain mitten in der Realisierungsphase.

Thomas Heiniger ist Gesundheits­direktor des Kantons Zürich. (Quelle: Kantons Zürich)
Thomas Heiniger ist Gesundheits­direktor des Kantons Zürich. (Quelle: Kantons Zürich)

Das Bundesgesetz über das elektronische Patientendossier (EPDG) wurde verabschiedet. Wie koordinieren sich die Kantone bei der Umsetzung des EPDG?

Thomas Heiniger: Es gab bereits vor der Verabschiedung des EPDG Gremien, welche die nationale E-Health-Strategie entwickelten. Daran waren auch die Kantone beteiligt. Zusammen wurden die nötigen technischen und organisatorischen Standards für das elektronische Patientendossier (EPD) erarbeitet. Darüber hinaus existieren heute mehrere Gremien, in denen sich die Kantone bezüglich der Umsetzung des EPDG austauschen. Die Standardisierung in Bezug auf Technologie, damit meine ich die Komponenten des EPD, und Organisation, gemeint ist die Gemeinschaft der Behandelnden, verpflichtet die Kantone aber bei aller Autonomie in der Umsetzung, in die gleiche Richtung zu marschieren.

Das Koordinationsorgan "eHealth Suisse" hat die Standards für den Datenaustausch zusammen mit den Akteuren im Gesundheitswesen ausgearbeitet. Dennoch beschwören Politiker verschiedener Parteien den "Kantönligeist" herauf und fürchten einen Wildwuchs an Insellösungen. Wie erklären Sie sich das?

Die Rahmenbedingungen für den technischen Aufbau des EPD wurden vom Bundesrat in der E-Health-Strategie Schweiz festgelegt, "eHealth Suisse" hat die entsprechenden Standards definiert. Das Gerüst ist also vorgegeben. Dem Kantönligeist sind daher enge Grenzen gesteckt. Das ist auch gut so. Schliesslich müssen innerhalb der gesamten Schweiz Daten ausgetauscht werden. So, wie es das einheitliche Postsystem gibt, muss es auch ein einheitliches System für die Übertragung der Patientendaten geben. Der Weg zur Umsetzung bleibt den Kantonen selbst überlassen. Hierzu zählt etwa, ob der Kanton die Führung für den Aufbau des EPD übernimmt oder ob er auf die Selbstorganisation der Leistungserbringer setzt.

Wie sieht es mit der Finanzierung aus?

Der Aufbau der zentralen technischen Komponenten, diese Grundinvestition, wird im Idealfall über den Betriebsertrag refinanziert. In Bezug auf die Betriebskosten sieht die Stossrichtung zumindest im Kanton Zürich so aus, dass sie durch die Leistungserbringer finanziert werden müssen, etwa über Gebühren. Wir arbeiten am entsprechenden Konzept.

Mit welchen Kosten rechnen Sie für die Leistungs­erbringer?

Mit Bezug auf die zentralen technischen Komponenten des EPD gehen wir laut Vorberechnungen des Bundesrats von einmaligen Investitionskosten in Höhe von zirka 2,5 bis 3 Millionen Franken aus. Der Betrieb der Plattform für eine Stammgemeinschaft wird in einer vergleichbaren finanziellen Grössenordnung angesiedelt. Jemand muss aber in der Lage sein, diese 2,5 Millionen Franken vorzustrecken. Innerhalb des Trägervereins ZAD war dies eine wichtige Fragestellung.

Glauben Sie, dass die 30 Millionen Franken, die der Bund als Fördermittel in Aussicht gestellt hat, ausreichen?

Es ist doch erfreulich, dass der Bund überhaupt finanzielle Mittel zur Verfügung stellt. Oftmals verlangt der Bund etwas, ohne dafür Gelder bereitzustellen. Ausserdem addiert sich zu den 30 Millionen Franken des Bundes nochmals die gleiche Summe, die – je nach kantonaler Strategie – von den Kantonen und von Dritten bezahlt wird. Insgesamt würden also schweizweit mindestens 60 Millionen Franken von der öffentlichen Hand und von Dritten für das EPD aufgewendet. Das ist eine gute Basis, um das EPDG innerhalb der geforderten Fristen umzusetzen.

Wie sieht es mit der Akzeptanz des EPD bei den ­Ärzten aus?

Diese sind nicht immer begeistert davon, dass alle Kollegen wissen, wie man arbeitet. Transparenz ist eine unumgängliche Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg. Wer nur in seinem eigenen Gärtchen arbeitet, der wird kaum weit kommen. Man muss hinter seiner Leistung stehen können. Das gilt auch für Ärzte. Ich halte nichts von abgeschottetem Wirken.

Wie setzen Sie im Kanton Zürich das EPDG um?

Wir gründeten im Juli des letzten Jahres gemeinsam mit den Verbänden der kantonalen Leistungserbringer den Verein Zürich Affinity Domain (ZAD). Dieser Verein wird eine Stammgemeinschaft aufbauen, so, wie sie gemäss EPDG vorgesehen ist. Die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich war ursprünglich die treibende Kraft hinter der Realisierung des Vereins. Aktuell stellen wir im Verein den Präsidenten des Vorstands und die Geschäftsstelle.

Wie ist der aktuelle Stand?

Jetzt geht es um die Realisierung der technischen Plattform. Die technischen Standards sind definiert und der Auftrag für den Aufbau der technischen Plattform ist öffentlich ausgeschrieben. Im Herbst werden wir dann den Anbieter auswählen, der uns die technische Basis für das EPD liefern kann. Anschliessend, wohl im Herbst 2016, kann die Stammgemeinschaft ihre Arbeit aufnehmen.

Sie haben im Trägerverein sämtliche Verbände wie die Ärztegesellschaft, den Verband Zürcher Krankenhäuser, die Curaviva, die Spitex und den Apothekerverband aktiv eingebunden. Wie haben Sie die ambulanten Anbieter vom Projekt EPD überzeugt?

Wir begrüssen es sehr, dass auch die ambulanten Leistungserbringer im Kanton Zürich von Beginn an mitarbeiten werden. Obwohl es ihnen gemäss EPDG ausdrücklich frei steht, sich am EPD zu beteiligen. Niedergelassene Ärzte, Spitex und Apotheken haben alle eine wichtige Rolle im Behandlungspfad und ein unmittelbares Interesse an der raschen Verfügbarkeit behandlungsrelevanter Daten. Es brauchte daher keine Überzeugungskraft, sie waren von Anfang an motiviert, sich anzuschliessen und an der Gestaltung der Stammgemeinschaft mitzuwirken. Dass alle Leistungserbringer im Boot sind, ist für den Nutzen des EPD von zentraler Bedeutung.

Wie schätzen Sie deren Akzeptanz für das EPD ein?

Wir haben hierzu keine Umfragen oder Ähnliches durchgeführt. Allerdings kennen wir die Erfahrungen von Ländern wie Dänemark mit einem EPD. Dort arbeiten Ärzte und Patienten bereits seit Jahren erfolgreich mit dem EPD. Ich baue darauf, dass wir in der Schweiz ein ähnlich akzeptiertes System aufbauen werden. Das Vertrauen der Zürcher Bürger in unser kantonales Gesundheitssystem ist gross. Das zeigt sich in der jährlichen Zufriedenheitsumfrage zum Zürcher Gesundheitswesen – und das schon seit 2001.

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