Stetoskop - Kolumne

"IT follows Organisation" – auch bei E-Health Schweiz!?

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von Jürg Lindenmann

Nachdem das EPDG nun von National- und Ständerat verabschiedet worden ist, stellt sich in vielen davon betroffenen Institutionen die Frage: Und was nun? Bringt das elektronische Patientendossier (EPD) Firmen weiter, gibt es ein dringendes Bedürfnis der Leistungserbringer, sich an das EPD anzuschliessen, oder stellt der Anschluss an das EPD bisher nur eine gesetzliche Pflicht mit noch ungewissem Nutzen dar?

Jürg Lindenmann, selbststän­diger ­Berater, Health-it GmbH. (Quelle: Jürg Lindenmann)
Jürg Lindenmann, selbststän­diger ­Berater, Health-it GmbH. (Quelle: Jürg Lindenmann)

2006 ist der Bund vielversprechend mit der eHealth Strategie Schweiz gestartet. Einerseits wurde die Erkenntnis gewonnen, dass konkrete Anwendungen und Bedürfnisse wie etwa die E-Überweisung, das E-Rezept, die Telemedizin und sogar die E-Abrechnung (!) sowie standardisierte Patientendaten auf dem Weg zum Patien­tendossier eine wichtige Rolle spielen, andererseits musste aber auch festgestellt werden, dass eine Umsetzung nicht durch den Bund selbst, sondern durch die Akteure im Gesundheitswesen selbst vorzunehmen ist. Der Bund definierte das Ziel der eHealth Strategie 2007 folgendermassen: "Ziel der Strategie ist es nicht, einen fertigen Umsetzungsplan zu präsentieren. Vielmehr sollen die gesetzlichen, organisatorischen und technischen Leitplanken so gesetzt werden, dass sich ‹eHealth› entwickeln kann (evolutionärer Ansatz)." 

Weiter wies der Bund darauf hin, dass im Zuge der eHealth Stratgie Schweiz keine alten Abläufe elektronisch abgebildet werden sollen, sondern "die bestehenden Prozesse verknüpft und vereinfacht werden [müssen] – mit dem Ziel, neue und bessere Prozesse zu etablieren", wobei die Technik nicht im Vordergrund stehen soll.

Was davon übrig blieb

Auf dem Weg zum EPDG wurden dann aber aus akademisch-­theoretischen und politischen Gründen die technischen und gesetzlichen Leitplanken so eng gefasst, dass es fraglich bleibt, ob sich daraus noch etwas Evolutionäres entwickeln kann. Auch ist die (Teil-)Automatisierung und Vernetzung von Prozessen in dem vorgesehenen architektonischen Layout unter den Akteuren weiterhin nur konventionell (empfohlen werden Fax oder E-Mail!) möglich, und die Standardisierung der Patientendaten steht noch komplett am Anfang.

Letztlich handelt es sich beim EPDG um ein Gesetz zur Einführung einer hochkomplexen nationalen technischen Infrastruktur zur Ablage von elektronischen Patientendokumenten ohne konkrete Anwendungen oder Ansätze zu Prozessverbesserungen.

E-Health entwickelt sich in der Schweiz Bottom-up

Parallel dazu sind in der Schweiz aber schon seit längerer Zeit einige konkrete E-Health-Anwendungen von Leistungser­bringern realisiert worden oder stehen kurz vor deren Umsetzung. Dahinter stecken konkrete Bedürfnisse, um den neuen Herausforderungen (Wettbewerb, Kostendruck, sinkende Patientenzahlen, Personalmangel) zu begegnen. Im Vordergrund steht dabei der möglichst automatisierte elektronische Datenaustausch zwischen den Leistungserbringern (Zuweiser, Spitäler, Reha, Spitex, Apotheker usw.), um konkrete Prozessverbesserungen und damit Effizienzgewinne zu erreichen.

Das eine tun und das andere nicht lassen

Den durch das Gesetz Betroffenen empfiehlt sich, einerseits ihre Bedürfnisse nach digitalem Datenaustausch Bottom-up, etwa in Form einer Zuweiserplattform umzusetzen, andererseits sich gemeinsam mit anderen einer solchen anzuschliessen und gleichzeitig darauf zu achten, dass die gewählte Lösung über einen kompatiblen Anschluss an das Top-down gesetzlich vorgeschriebene EPD verfügt.

Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis die beiden Welten von konkreten E-Health-Anwendungen und das nationale Patientendossier gemäss EPDG zusammenwachsen. Möglicherweise wird dies sogar nie der Fall sein, weil die Ansätze in Bezug auf das im Titel genannte Primat "IT follows Organisation" zu verschieden sind.

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