Studie von EY

Schweizer Mittelstand verschläft Digitalisierung

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Beim Schweizer Mittelstand spielt die Digitalisierung oft kaum eine Rolle. Eine Studie von EY attestiert noch viel ungenutztes Potenzial. Grossunternehmen gehen das Thema aktiver an.

Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY (vormals Ernst & Young) hat sich in einer Studie die Bedeutung der Digitalisierung im Schweizer Mittelstand angesehen. Dazu befragten die Studienautoren 700 Schweizer Unternehmen mit 30 bis 2000 Angestellten. Die Umfrage wurde im Dezember 2015 durchgeführt.

Digitalisierung hat oft keine Priorität

Ein zentrales Ergebnis lautet, dass bei mehr als der Hälfte der befragten Unternehmen digitale Technologien in den Geschäftsprozessen keine oder nur eine geringe Bedeutung haben. Einzig 17 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die Bedeutung sehr gross sei, und 28 attestierten eine mittelgrosse Bedeutung.

Laut den Studienautoren messen Unternehmen aus den Bereichen Life Sciences (62 Prozent) und Dienstleistungen (54 Prozent) digitalen Technologien die grösste Bedeutung bei. Mit deutlichem Abstand folgen Handel (42 Prozent), Industrie (41 Prozent) und Bau (37 Prozent).

Betrachtet man den Umsatz, dann setzten grössere Unternehmen mit einem Umsatz über 30 Millionen Franken digitale Technologien schon heute viel häufiger ein als kleinere Firmen. Der Wert liegt bei ihnen deutlich über 50 Prozent.

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Potenziale ungenutzt

Die grösste Bedeutung haben digitale Technologien beim Kundenkontakt. 63 Prozent der Unternehmen, welche die Digitalisierung als zentral bezeichneten, nannten diesen Aspekt. Dahinter folgten die Punkte "technische Nutzung von mobilen Endgeräten" sowie "Produktverkauf und online bezahlen".

In der Administration werden digitale Technologien bei nur 5 Prozent der Unternehmen verwendet. "Gerade im administrativen Bereich lassen sich mit digitalen Technologien im klassischen Sinne viele Prozesse automatisieren. Die Digitalisierung wird die Berufsbilder gerade im kaufmännischen Bereich mittelfristig grundlegend umwälzen, und viele administrative Arbeiten werden automatisiert", lässt sich Marcus Rübsamen, Partner Advisory bei EY, in der Mitteilung zitieren. Grosse ungenutzte Potenziale gebe es auch bei der Optimierung der Lieferkette, wo nur 20 Prozent der befragten Unternehmen digitale Technologien einsetzen.

Geringe Auswirkungen erwartet

Nur etwas mehr als jedes vierte befragte Unternehmen glaubt, dass der Einfluss von digitalen Technologien auf das Geschäftsmodell in den nächsten fünf Jahren steigen werde. 37 Prozent glauben nur an einen leichten Anstieg, und 36 Prozent verneinten einen Einfluss.

Auch bei diesem Aspekt liegen die Branchen Life Sciences und Dienstleistungen deutlich vor Industrie und Bau. Im Handel glauben sogar nur 19 Prozent der Unternehmen an eine Zunahme der Bedeutung. Dabei zeigte laut den Studienautoren das Beispiel des Buchhandels, wie digitale Technologien einen Wirtschaftszweig aufmischen können.

Dabei gebe es bei der überwiegenden Mehrheit der befragten Unternehmen kaum Hemmnisse, nicht mehr in der Digitalisierung zu tun. Nur 8 Prozent nannten begrenzte finanzielle Mittel und jeweils 7 Prozent fehlendes Know-how und Personal.

Laut EY-CEO Bruno Chiomento "hinkt der Schweizer Mittelstand den Grosskonzernen hinterher". Diese würden sich schon seit vielen Jahren mit der Digitalisierung auseinandersetzen. Der Mittelstand habe daher noch viel aufzuholen.

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