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Warum Wolf Appway nicht verkaufen will

Uhr | Aktualisiert
von Marc Landis, Chefredaktor

Hanspeter Wolf ist CEO und Gründer des Schweizer Softwareunternehmens Appway. Mit Appway will Wolf die Art und Weise, wie man Software entwickelt, neu definiert haben. Mit der Client-Onboarding-Lösung ist Appway nach eigenen Angaben Weltmarktführer.

Hanspeter Wolf ist CEO und Gründer des Schweizer Softwareunternehmens Appway. (Quelle: Appway)
Hanspeter Wolf ist CEO und Gründer des Schweizer Softwareunternehmens Appway. (Quelle: Appway)

Sie haben Appway 2003 gegründet. Mit welcher Absicht?

Hanspeter Wolf: Ich war damals – und bin es heute mehr denn je – überzeugt davon, dass die Technologie und die Geschäftsmodelle von Unternehmen untrennbar mitei­nander verbunden sein müssen. Software ist für mich der Kern des Geschäftserfolgs moderner Unternehmen. Ich habe das Unternehmen mit der Vision gegründet, neu zu definieren, wie man Applikationen baut und dafür die Entwicklungsplattform Appway gebaut.

Und haben Sie das geschafft?

Ja, das haben wir. Allerdings war es am Anfang gar nicht so einfach, Kunden zu finden, welche die Appway-Plattform nutzen wollten. Denn wir hatten keinen replizierbaren Showcase, um zu zeigen, wie und wofür man unser Framework in der Applikationsentwicklung einsetzt. Doch dann traf ich jemanden, der sich gerade mit Compliance-Regeln und Client Onboarding für Banken auseinandersetzte und dafür ein neues System bauen wollte. Ich dachte mir: Das ist interessant. Und dann merkte ich auch bald, dass es in diesem Feld keine anderen Anbieter gab. Allerdings interessierte sich damals noch kaum eine Bank dafür.

Und nun sind Sie Marktführer im Client Onboarding für die Finanz­industrie. Wie haben Sie das erreicht?

Für uns war es wichtig, in einem bestimmten Bereich relevant zu werden. Es war unser Ziel, ein grosser Fisch in einem kleinen Teich zu werden, statt ein kleiner Fisch in einem grossen Teich zu sein. Und so definierten wir mit dem Client Onboarding unseren eigenen Teich und besetzten diese Nische. Und wenn man der Beste in einem bestimmten Bereich ist, kommt es auch nicht darauf an, ob es ein Glamourthema ist, in dem man tätig ist. Wenn man Weltmarktführer ist, hat das automatisch Strahlkraft.

Sie sind mit Appway nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Asien und in Nordamerika präsent. Warum sind diese Regionen für Sie wichtig?

Wir sind mit unseren Niederlassungen dort, wo unsere Märkte, also die wichtigsten Finanzplätze der Welt sind. Zudem sind wir an den Orten, wo wir die richtigen Talente für unser Geschäft, die Produktentwicklung finden. Auch war es für mich immer klar, dass wir in den USA präsent sein müssen; das ist Pflicht für einen Softwarehersteller. Es verschaffte uns Reife und Widerstandsfähigkeit. Wenn man es in den USA schafft, dann schafft man es eigentlich überall.

Und was ist die Appway-Plattform genau?

Die Appway-Plattform ist ein Framework, das es ermöglicht, Applikationen modellbasiert kontinuierlich weiterzuentwickeln. Denn heutzutage müssen neue Releases schnell auf den Markt, in immer kürzer werdenden Abständen. Rapid delivery, rapid feedback. Appway basiert auf der Überzeugung, dass Software und wie wir diese programmieren und einsetzen, zum Nutzen der Menschen, die sie bedienen, gemacht sein muss. Appway verbindet User Experience und Work Automation. Gleichzeitig geht es bei der Appway-Plattform darum, Arbeiten end-to-end abzudecken, ohne Kompromisse bei Compliance und Verlässlichkeit einzugehen. Software wird in Zukunft zum Kern eines Unternehmens gehören und nicht mehr nur ein Werkzeug sein. Alle Unternehmensprozesse werden durch Software definiert werden, das Unternehmen wird durch Software definiert sein. Und Digitalisierung kann nur durch Software definiert sein. An Software führt kein Weg vorbei. Ich bin auch überzeugt davon, dass es immer mehr Custom-Applikationen geben wird. Diese werden den Unterschied machen zwischen den Leadern und den Überlebenden einer Branche. Wenn Sie sich vorstellen, dass alle Marktteilnehmer einer bestimmten Branche dieselbe Standardsoftware einsetzen, die dieselben Standardprozesse unterstützten, dann wird automatisch auch das Business dieser Branchenteilnehmer dasselbe sein und wird damit austauschbar. Wie sollten sich diese Unternehmen denn noch voneinander unterscheiden? Ich bin deshalb sehr überzeugt davon, dass nicht die Standardisierung von softwarebasierten Applikationen, sondern ihre Individualisierung den Anwenderunternehmen den notwendigen Wettbewerbsvorteil bringt. Und dafür stellen wir bei Appway die Plattform zur Verfügung.

Lassen Sie uns über die Finanzindustrie sprechen, in der Sie ja seit 13 Jahren tätig sind. Wie hat sich die Branche in dieser Zeit verändert?

Die Banken mussten durch die verschiedenen Krisen der letzten Jahre anfangen, über ihre Geschäftsmodelle nachzudenken und damit darüber, wo und wie sie in ihren Prozessen Wertschöpfung generieren. Wo verdient die Bank noch Geld und wo beginnen die Kosten? Brutal wurden zudem die internen und externen Regulatorien. Wir haben auch gemerkt, dass sich die Vermögensverwaltung immer mehr ins Ausland verlagerte. Und es war schon früh unser Ziel, dort Fuss zu fassen und diese Entwicklungen nicht nur zu antizipieren, sondern sie anzutreiben.

Geht die Digitalisierung in der Schweizer Finanzindustrie Ihrer Meinung nach schnell genug? Oder ist es für einige Banken schon zu spät?

Der Druck auf die Banken, ihre Geschäftsmodelle zu digitalisieren, wird immer grösser. Allerdings kommt der Druck nicht nur von aussen durch die Kunden, sondern auch von innen durch die Mitarbeitenden. Die Mitarbeitenden wollen heute und zukünftig auch in einer Bank modern und effizient arbeiten, und dafür braucht es State-of-the-Art-Applikationen. So wie sie andere Industrien auch bieten. Und die Kunden wollen einen zeitgemässen Zugang zu ihrer Bank haben, einfach und bequem – einen Zugang, der im Idealfall auch noch Spass macht. Kunden möchten auch, dass die Abläufe auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind und nicht, dass ihnen die Ereignisse aufgedrängt werden. Wir sprechen auch vom sogenannten «Di-Phy»-Moment, also der Verschmelzung zwischen digitalem und physischem Erlebnis entlang der Customer Journey. Die Digitalisierung eines Prozesses ermöglicht nicht nur ein digitales beziehungsweise virtuelles Erlebnis. Dieses Erlebnis wird erst komplett durch das nachgelagerte, perfekte physische Erlebnis. Es wird in Zukunft immer wichtiger, dass der digitalisierte Prozess in ein perfektes physisches Erlebnis übergeht. Das gilt für alle Industrien, und im Speziellen für die Finanzindustrie.

Wie positioniert sich Appway ausserhalb der Finanzindustrie als Anbieter von Business-Process-Management-Lösungen?

Wir sind ein Plattformanbieter und wollen gemeinsam mit Partnern in anderen Branchen Fuss fassen. Heute entstehen bereits neun von zehn Projekten in Zusammenarbeit mit externen Partnern. Nur diese Offenheit für Partner ermöglicht es uns, so schnell zu wachsen. In dieser vernetzten Welt ist es nicht mehr möglich, alleine eine Industrie nach der anderen aufzurollen. Für uns war immer klar, dass wir ein Ökosystem bauen, das zusammen mehr erreichen kann, als wir allein mit 200 oder 300 eigenen Mitarbeitern. Und wenn ein Partner auf unserer Plattform etwas Grossartiges kreiert, das Wert generiert, dann ist das eine riesige Genugtuung für uns. Heute arbeiten wir mit 1700 externen Entwicklern in der ganzen Welt. Gleichzeitig haben wir letztes Jahr selbst 90 zusätzliche Mitarbeitende eingestellt.

Was sind die nächsten Ausbauschritte bei Appway?

Wir werden natürlich an all unseren Standorten weiter wachsen und unsere beiden Standbeine Client Onboarding und die Appway-Plattform weiterentwickeln. Und obwohl wir schon rund die Hälfte unseres Umsatzes im Ausland machen, werden wir am Standort Schweiz festhalten und auch Genf weiter ausbauen. Von dort aus entwickeln wir den französischsprachigen Markt weiter. Wir werden auch weiterhin massiv in Marketing, Sales und vor allem in die Produktentwicklung investieren.

Wann wird Appway von einem Tech-Riesen oder einem grossen Bankensoftware-Hersteller übernommen?

Gar nicht. Denn uns gehört unsere Firma ganz allein und damit auch die Zukunft der Firma. Ich glaube, als Software-Company sollte man nicht von den Interessen externer Investoren getrieben sein.

Aber Sie könnten aussteigen, sich ein schönes Leben machen ...

Ja, klar. Aber es geht mir um mehr. Ich habe die einmalige Möglichkeit, der Softwareindustrie zu zeigen, wie schnell und dynamisch man Applikationen heute entwickeln kann. Ich kann mit Appway dabei sein, wie sich alles verändert, ja die Veränderung selbst gestalten. Das ist eine Chance, wie sie das Leben nur ein Mal bietet. Das würde ich keinesfalls missen wollen, und das werde ich auch nicht aufgeben. Es ist einfach zu gut, was wir hier tun, und es bereitet mir jeden Tag, jede Stunde, jede Minute extrem viel Freude.

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