Nachgefragt

"Von flexiblen Arbeitsformen profitiert auch das Unternehmen"

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Die "Work Smart Week", vormals "Home Office Day", findet im September zum zweiten Mal statt. Co-Projektleiterin Bigna Salzmann erklärt in einem Gespräch, wie der Stand bei flexiblen Arbeitsmodellen in der Schweiz ist.

Bigna Salzmann, Co-Projektleiterin der Work Smart Initiative und Corporate Responsibility Managerin bei Swisscom. (Quelle: Swisscom)
Bigna Salzmann, Co-Projektleiterin der Work Smart Initiative und Corporate Responsibility Managerin bei Swisscom. (Quelle: Swisscom)

Wie weit verbreitet sind flexible Arbeitsmodelle in der Schweizer ICT-Branche?

Bigna Salzmann: Um autonom und flexibel arbeiten zu können, sind moderne Kommunikationslösungen wichtig. Sie sind deshalb wichtige Treiber für flexible Arbeitsformen. Aufgrund der Technologieaffinität sind solche Lösungen in der ICT-Branche weit verbreitet. Deshalb ist diese Branche bezüglich der Umsetzung flexibler Arbeitsformen auch weiter. Ein weiterer Grund ist sicherlich auch, dass die ICT-Branche sehr viele Wissensarbeiter beschäftigt. Damit spielt automatisch die physische Präsenz eine untergeordnete Rolle, respektive der Output steht im Vordergrund.

Wie steht die Schweiz im Vergleich zum europäischen Ausland da?

Die Schweiz befindet sich hier im Mittelfeld. Wenn man aber berücksichtigt, dass die Schweiz weltweit einen Spitzenplatz in puncto ICT-Ausgaben pro Kopf belegt, so könnten wir ruhig etwas weiter sein. Zumindest haben wir die richtigen Werkzeuge zur Verfügung, die uns orts- und zeit­unabhängiges Arbeiten erlauben. Vorreiter von Flexibilität und Agilität sind Länder im Norden Europas – dies nicht zuletzt aufgrund ihrer liberalen Gesellschaftsstrukturen und der untergeordneten Bedeutung von Hierarchien. Letzteres unterscheidet uns etwa auch von unserem nördlichen Nachbarn Deutschland, der hinter uns liegt, was flexible Arbeitsformen betrifft. Ähnlich verhält es sich mit Österreich. Ebenfalls weniger weit sind unsere östlichen Nachbarn, weil dort Arbeit und auch das Büro noch stärker mit Status und Anerkennung verbunden werden. Wenn wir Richtung USA schauen, ist es spannend zu sehen, wie gespalten das Land ist. Neben der sehr lebendigen Start-up-Kultur, dem Phänomen Silicon Valley und dem sehr grossen Anteil an Freelancern herrscht parallel auch eine sehr traditionelle Präsenzkultur.

Woran scheitert die Einführung von flexiblen Arbeitsmodellen in Unternehmen am häufigsten?

In unserer Work-Smart-Studie vom letzten Jahr ist eine Ursache für das Scheitern von flexiblen Arbeitsformen besonders deutlich hervorgetreten: die "Scheinbeteiligung" von Managern. Anders gesagt: Wenn sich ein Unternehmen moderne Arbeitsformen auf die Fahnen schreibt, diese aber im Alltag nicht glaubwürdig vorlebt, entsteht Frust. Klassisches Beispiel einer solcher Dissonanz: Ein Manager läuft durchs halbleere Büro und fragt laut, ob heute eigentlich niemand arbeite. Solch widersprüchliche Signale führen nicht nur zu Stillstand, sondern zu Unzufriedenheit, da man zuerst Hoffnungen weckte und Erwartungen schürte. In dieser Falle – sich einen modernen Anstrich geben, ohne ernste Absichten zu haben – stecken ganz viele Unternehmen. Hier möchten wir mit der Work-Smart-Initiative ansetzen und einen Beitrag leisten, indem wir Orientierungshilfe bieten und "Best Practices" aktiv teilen.

Mit welchen Argumenten sollten Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber für mehr Flexibilität am Arbeitsplatz eintreten?

Von flexiblen Arbeitsformen profitiert auch das Unternehmen, mindestens im gleichen Ausmass, denn im digitalen Zeitalter kommt den Themen Agilität, Eigenverantwortung und Selbstregulierung eine noch grössere Bedeutung zu. Es frisst längst nicht mehr der Grosse den Kleinen, sondern der Schnelle den Langsamen.

Welche Rolle spielen Sicherheit und eingeschränkte Kommunikationstools im Zeitalter der Cloud noch?

Die Themen Mobilität und Sicherheit sind das Herzstück von moderner Software und Kollaborationslösungen. Die Schwachstelle ist heute der Mensch, nicht die physische Umgebung oder die Hard- beziehungsweise Software. Es gilt einzig zu beachten, dass gewisse Branchen spezielle Regulationen für den Umgang mit vertraulichen Daten, insbesondere was die Cloud-Speicherung betrifft, haben. Hier gilt es, diese richtig zu klassifizieren – das heisst nicht automatisch, dass ortsunabhängiges Arbeiten nicht möglich ist.

Gibt es Gründe, die gegen flexible Arbeitsformen sprechen? Ich denke hier an die Trennung von privat und Beruf.

Die Entgrenzung von Arbeit und Freizeit ist tatsächlich eine grosse Herausforderung für Vorgesetzte und Mitarbeiter, die flexibel arbeiten. Bei einer gezielten Begleitung der Mitarbeiter zu einem eigenverantwortlichen und gesunden Umgang mit den neuen Möglichkeiten können Ängste und Reibungsverluste auf ein Minimum reduziert werden. So überwiegen die Vorteile bei weitem. Wichtig ist die Bereitschaft, Wissen zu teilen, sowie die Fähigkeit, flexibel mit Veränderungen umzugehen. Es ist auch wichtig festzuhalten, dass flexibles Arbeiten eine Wahlfreiheit darstellt und kein Muss ist. Führung sollte primär dann zum Zuge kommen, wenn wir merken, dass der Mitarbeiter überfordert ist.

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