Frank Boller, CEO, Green im Interview

"Unsere Server-Cloud ist ein hochskalierbares Angebot"

Uhr | Aktualisiert
von David Klier

Im Januar hat Green.ch einen neuen Chef bekommen. Frank Boller übernahm das Zepter von Franz Grüter. Boller gilt als Unternehmensretter, war lange selbstständiger Berater. Green muss er nicht retten, Luft nach oben gibt es trotzdem, wie Boller im Interview sagt.

"Ich glaube Green ist gut aufgestellt und verfolgt die richtige Stossrichtung" - Frank Boller, CEO von Green.ch (Quelle: Netzmedien)
"Ich glaube Green ist gut aufgestellt und verfolgt die richtige Stossrichtung" - Frank Boller, CEO von Green.ch (Quelle: Netzmedien)

Nach einer langen HP-Karriere sind Sie von einer Firma zur nächsten gewechselt. Diax, Obtree, TDC, Cablecom und dann die Selbstständigkeit. Als Berater halfen Sie Unternehmen aus der Klemme. Jetzt sind Sie bei Green. Warum? Hat Green Probleme?

Frank Boller: Meine Selbstständigkeit entstand aus dem Bedürfnis, unabhängig zu sein. Das funktionierte ziemlich gut. Ich hatte eine Menge spannende Mandate und konnte viele neue Erfahrungen sammeln. Der Haken ist, dass man an der weiteren Entwicklung eines Unternehmens nicht mehr beteiligt ist. Das hat mir mit der Zeit gefehlt. Mit Green tat sich da eine gute Chance für mich auf. Aber nicht, weil Green ein Sanierungsfall ist oder irgendwelche Probleme hat.

Vor Ihrer selbstständigen Tätigkeit blieben Sie selten länger als zwei Jahre bei einer Firma. Wie lange werden Sie bei Green bleiben?

Ich habe keinen konkreten Plan, etwas zu ändern. Solange ich einen sinnvollen Beitrag leisten kann, habe ich keinerlei Absichten, mich anders zu orientieren.

Was heisst für Sie "ein sinnvoller Beitrag"?

Ich will die Entwicklung des Unternehmens in eine positive Richtung begleiten können.

Wie wollen Sie das anstellen? Wie sieht Ihre Strategie aus?

Ich glaube, Green ist gut aufgestellt und verfolgt die richtige Stossrichtung. Es gibt vielleicht ein paar Fokusfelder, wo man noch ein bisschen mehr herausholen könnte. Aber in den Grundzügen wird sich unsere Strategie nicht verändern. Wir versuchen, das ISP-Geschäft mit innovativen Dienstleistungen weiterzuentwickeln, die über den reinen Wiederverkauf von Access hinausgehen. Und im Rechenzentrumsgeschäft sind wir heute wahrscheinlich der renommierteste Schweizer Anbieter. Wir haben grosse Flächen und grosse Installationen. Darauf können wir aufbauen. Interessant wird es in der Mitte zwischen den beiden Geschäftsbereichen.

Was ist in der Mitte?

Das Cloud-Geschäft. Es ergibt sich aus Synergien zwischen den Dienstleistungen aus dem ISP-Geschäft und unserem Rechenzentrum. Das können und werden wir ausbauen.

Und was ist mit diesen Fokusfeldern, wo "man noch ein bisschen mehr herausholen könnte"?

Das Cloud-Thema selbst hat natürlich verschiedene Schattierungen. Ich glaube, da können wir unsere Wertschöpfungstiefe noch vergrössern, mehr Dienstleistungen und mehr Nachhaltigkeit hineinbringen.

Ihr Vorgänger Franz Grüter sprach letztes Jahr über Ihr zweites RZ-Modul. Damals war es schon zu einem Fünftel unter Vertrag. Wie sieht es heute aus?

Die Vermietung läuft nach Plan. Es sind Kunden eingezogen, das Modul ist in Gebrauch. Wir sind auf Budgetkurs.

Es ist also nicht so wie beim ersten Modul, das innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war?

Ich glaube, es gibt inzwischen mehr Kapazitäten in der Schweiz. Der Ansturm hat sich verlangsamt. Wir gehen nicht davon aus, dass wir innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder voll ausgebucht sein werden. Aber sobald wir sehen, dass wir an die Kapazitätsgrenze stossen, holen wir wieder den Bagger aus der Garage. Wir haben ja noch Platz für ein ­Modul.

Konkrete Pläne für Modul 3 gibt es also noch nicht?

Die Pläne liegen in der Schublade. Aber der Zeitpunkt für den Baubeginn hängt von der Kapazitätsentwicklung in unseren bestehenden Modulen ab.

Franz Grüter sagte damals auch, dass es keine Überkapazität in der Schweiz gebe. Ist das heute immer noch so?

Die verfügbare Kapazität steigt. Aber die Nachfrage steigt natürlich auch. Es bleiben alle im Geschäft, alle wachsen. Ich glaube, der Markt hat sich relativ gut in der Balance gehalten. Von Überkapazität kann man dann reden, wenn sich die Rechenzentren nicht mehr füllen, wenn Module leer stehen. Das höre ich aber weder von unseren Konkurrenten, noch ist das bei uns selbst der Fall.

Wie hoch ist die Fluktuation innerhalb Ihres Rechenzentrums?

Fluktuation gibt es in RZs eigentlich noch nicht wirklich. Man geht in der Regel langfristige Partnerschaften ein. Vielleicht verschwindet mal eine Firma. Dann entsteht eine Fluktuation. Wenn das passiert, ist das meistens bei kleineren Kunden im Colocation-Bereich. Fluktuation ist für uns kein Thema im Moment.

Sie sprachen am Anfang von Innovationen und neuen Produkten. Seit Oktober 2015 bietet Green in Zusammenarbeit mit der Post ein Onlineshop-System an. Wie gut läuft das Angebot?

Das Angebot scheint einem Bedürfnis im Markt zu entsprechen. Mittlerweile laufen etwa 140 solcher Shop-Systeme auf unseren Servern.

Für wen ist das Angebot überhaupt interessant?

Es ist ein Produkt für KMUs, die im E-Commerce tätig sind und die relativ schnell, günstig und ohne Komplikationen einen Webshop aufschalten wollen. Privatpersonen können das Angebot natürlich auch nutzen.

Welche Rolle spielt die Post dabei?

Insgesamt sind drei Partner mit unterschiedlichen Kernkompetenzen in Freeshops involviert. Wir, die Post und Glarotech in Wil, St. Gallen. Glarotech entwickelt die Shop-Lösung als Komplettangebot, wir kümmern uns um das Hosting der Shops und bieten die Lösung auch an, die Post ist als Logistikpartner dabei. So stellen wir sicher, dass die Shops über die Anbindungen verfügen, die nötig sind, um einen reibungslosen Bestellablauf zu gewährleisten. Das geht vom Etikettendruck bis zur Integration aller Bezahlarten via Postfinance.

Schweizer CIOs wünschen sich Dienste wie AWS und Azure. Sie scheitern aber daran, dass diese Dienste nicht in der Schweiz gehostet sind. Bietet Green derart skalierbare Dienste an?

Eigentlich sind wir schon da. Mit unserer Server-Cloud haben wir ein hochskalierbares Angebot. Mit dem grossen Vorteil, dass man bei uns weiss, wo die Daten liegen. Wir machen das aber mit einem leicht anderen Preismodell, als man es von den Megaclouds wie AWS oder Azure kennt.

Heisst?

Wir haben Flatrate-Angebote für unsere Cloud. Das macht es für unsere Kunden wesentlich berechenbarer. Bei den hochflexiblen Modellen, die andere Anbieter zum Teil haben, wissen Sie am Ende des Tages nicht genau, was Ihre Cloud wirklich kostet. Viele Schweizer Kunden schätzen deshalb unser Flatrate-Angebot.

Aber bei Anbietern wie Amazon ziehe ich einfach meine ­Kreditkarte durch und habe Rechenleistung für zwei Wochen. Das ist doch sehr unkompliziert.

Das ist bei uns grundsätzlich auch möglich. Es gibt da kein technisches Hindernis. Es ist vielmehr eine Frage der Preisstruktur. Und bei unserer Preisstruktur ist so ein Vorgehen nicht sinnvoll. Ich glaube, wir fahren mit unserem Angebot relativ gut. Auf dem bauen wir weiter auf.

Was würde passieren, wenn die grossen Player im Markt, Amazon, Google oder Microsoft, ein Rechenzentrum in der Schweiz eröffnen?

Grundsätzlich würde uns das freuen. Besonders, wenn sie zu uns ins Rechenzentrum kommen. Ansonsten denke ich, dass Konkurrenz den Markt belebt. Ich habe keine Angst, dass wir dadurch unsere Existenzberechtigung verlieren würden. Unser Modell, das sich ja von den grossen Anbietern unterscheidet, hätte auch in so einer Zukunft Chancen.

Wie das?

Der Schweizer Kunde schätzt nicht nur, zu wissen, wer hinter einem Angebot steht und wo die Daten liegen. Er schätzt auch die Greifbarkeit unserer Leute. Bei uns stehen Menschen hinter den Produkten. Menschen mit Gesichtern und Namen. AWS ist nur eine Website. Sonst weiss der Kunde nichts über das Unternehmen.

Mitte Februar hat Equinix Schweiz eine direkte Anbindung zu Microsofts Azure-Cloud angekündigt. Ist das ein Thema für Green?

Das haben wir im Moment so nicht vorgesehen. Technisch können wir das, wenn es nötig ist. In Einzelfällen haben wir das auch schon gemacht. Wir planen dafür ein Businessportal, über das Kunden ihre eigenen Systeme einbinden können. Dadurch erreichen sie dann einen höheren Automatisierungsgrad, wenn sie unsere Cloud benutzen.

Sie erwähnen immer wieder Ihre Cloud. Franz Grüter sagte letztes Jahr, dass Sie eigentlich nicht mehr als Server und Betriebssystem bieten. Wer mehr will, muss sich einen Integrator suchen oder selbst Hand anlegen. Hat sich daran etwas geändert?

Unser Cloud-Produkt ist ein Standardprodukt, das ein Kunde relativ einfach buchen und beziehen kann. Es ist stark auf kleinere und mittlere Kunden ausgelegt, die ihre Leistungen aus der Public Cloud beziehen. Das ist ein gutes Modell, das gut skaliert. Für Grosskunden bieten wir durchaus Dienstleistungen auf höherer Ebene an. Etwa den Betrieb eines Betriebssystems oder einer Datenbank.

Plattform-as-a-Service?

Genau. Aber das machen wir nur gezielt in ausgewählten Grosskundensituationen.

Wieso nur in Einzelfällen?

Weil uns die Zusammenarbeit mit dem Channel wichtig ist. Wir wollen in dem Segment nicht mit unseren Partnern, die sehr häufig auch System­integratoren sind, konkurrieren.

Wie eng arbeiten Sie denn mit dem Channel zusammen?

Die Zusammenarbeit mit dem Channel ist ein wesentlicher Teil unserer Geschäftsstrategie. Soweit ich weiss, war es ein bewusster Entscheid, aus dem Systemintegrationsgeschäft auszusteigen. Man wollte den internen Konflikt nicht schüren, den eigenen Partnern nicht auf den Füssen stehen. Man kann nicht die besten Partner haben und deren Geschäft gleichzeitig selbst machen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Ihren Partnern ­genau?

Wir haben unterschiedliche Partner. Einerseits sind das Reseller, die fixfertige Produkte von uns wiederverkaufen. Für die gibt es Modelle mit Einkaufs- und Verkaufskonditionen. Die interessanten Aspekte unseres Partnermodells betreffen aber eher die Cloud-Services. Dort, wo wir Systemintegratoren mit an Bord nehmen. Diese Partner nehmen unser Cloud-Angebot, ergänzen das mit ihren Kompetenzen und bieten ihren Kunden eine Gesamtlösung an. Mit dem Modell können Partner einen wiederkehrenden Umsatzstrom aufbauen.

Was verlangen Sie von diesen Partnern?

Sie müssen unsere Anforderungen erfüllen. Wir verlangen, dass sie sich aktiv in die Vermarktung einbringen. Wir helfen ihnen dabei natürlich. Es ist ein Geben und Nehmen. Ein Kooperationsmodell, wie man es kennt, was in der Branche üblich ist.

Wie lautet Ihre persönliche Botschaft an den Schweizer ­Channel?

Schweizer Channelpartner müssen sich vom klassischen Wiederverkäufer zu einem Serviceprovider wandeln, der den Namen auch verdient. Das setzt voraus, dass man sich seinen eigenen Platz in der Wertschöpfungskette sucht und ausfüllt. Mit möglichst kundennahen Dienstleistungen. Jeder Partner, der diesen Weg einschlagen und Infrastruktur beziehen will, ist bei uns willkommen.

Persönlich

Frank Boller verantwortet seit Januar 2016 als CEO die Geschäfte des Internetproviders und Rechenzentrumanbieters Green.ch. Von 2009 bis 2015 hatte er verschiedene Mandate inne. Etwa für die Telecom Liechtenstein. Zuvor war Boller in leitender Funktion bei UPC Cablecom und Sunrise – vormals Diax – tätig. Der Telekom-Karriere ging ein lang­jähriges Engagement bei Hewlett-Packard voraus, wo er ­zuletzt als General Manager das Schweizer Geschäft führte. Seine Erfahrungen bringt der Absolvent eines Wirtschaftsstudiums an der Boston University als Vizepräsident in den Verband Swiss-ICT ein. Boller ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder.

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