Nachgefragt

"Es braucht ein gesamtwirtschaftliches und gesellschaftliches Engagement"

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von Christoph Grau

Seit Mai ist Christina Kehl Geschäftsführerin des Verbands "Swiss Finance Startups" (SFS). Sie ist Mitgründerin des vielfach ausgezeichneten Fintech-Start-ups Knip. Aus dessen operativen Führung zog sie sich zurück, um sich ganz den Interessen der jungen Fintech-Szene zu widmen.

Christina Kehl wird Geschäftsführerin bei Swiss Finance Startups. (Quelle: Knip)
Christina Kehl wird Geschäftsführerin bei Swiss Finance Startups. (Quelle: Knip)

Seit kurzem engagieren Sie sich Vollzeit für die Interessen der jungen Fintech-Unternehmen. Was sind Ihre nächsten Projekte?

Christina Kehl: Wir wollen unsere bisherigen Aktivitäten weiter ausbauen und eine noch engere Verbindung zwischen den Marktteilnehmern auf dem Schweizer Finanzplatz schaffen. Denn wir sehen uns nicht als abgekoppelte Branche, Fintech ist klar ein fester Teil des Finanzmarktes. Mehrere Punke sind mir wichtig. Zunächst das Lobbying auf dem politischen Parkett für die Interessen der Fintech-Szene und bessere Rahmenbedingungen für Start-ups. Dann will ich den Austausch mit den Verwaltungen und Unternehmen stärken. Und schliesslich ist es uns wichtig, eine enge Verbindung zwischen den Banken, Versicherern, also den traditionellen und grossen Playern im Finanzmarkt und den recht neuen Fintechs zu schaffen. Eine Begegnung auf Augenhöhe ist wichtig für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Zuletzt ist es mir noch ein Anliegen, die Schweizer Fintech-Start-ups, aber auch den Fintech Hub Schweiz selbst in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. Ausser der nationalen Sichtbarkeit ist uns auch die Steigerung der internationalen Bekanntheit sehr wichtig.

Aktuell gibt es drei Verbände für die Fintech-Szene Schweiz. Warum braucht es drei?

Es entsteht gerade ein Ökosystem und per se ist es zunächst gut, dass Fintech so viele Unterstützer findet. Weiterhin gibt es viele Individualinteressen, die in den Verbänden ihren Niederschlag finden. Dies ist aber eine normale Entwicklung, wie sie auch in anderen Branchen zu beobachten ist.

Könnte es denn zu einer Konsolidierung kommen?

Davon gehe ich aus. Die Interessengruppen müssen ihre Profile schärfen und dürfen nicht im Selbstzweck verharren. Unser Fokus liegt auf den Start-ups, und diese bilden den Kern der Fintech-Entwicklung. Gleichzeitig arbeiten wir sehr eng mit grossen Corporates und Bankhäusern zusammen und sehen uns daher als Bindeglied und zentrale Anlaufstelle für Schweizer Fintech-Firmen.

Warum hat die Schweiz die Fintech-Welle bisher verschlafen?

Von Verschlafen würde ich nicht sprechen. Wir haben die Innovatoren im Land, die das grosse Potenzial der Schweiz in Sachen Fintech erkannt haben und nutzen wollen. Noch wird ihnen das Leben aber schwerer gemacht als nötig. Vielleicht ging es dem Finanzmarkt insgesamt einfach zu gut. Wir haben eine funktionierende Wirtschaft und gut bezahlte Arbeitnehmer, es besteht im Grunde kein Druck für Veränderungen. Dies ändert sich momentan, und in Zukunft wird es keinen erfolgreichen Finanzplatz ohne Fintech mehr geben. Es ist wichtig, die Zeichen der Zeit rechtzeitig zu erkennen.

Sollte es mehr Initiativen für die Fintech-Förderung geben?

Es braucht ein gesamtwirtschaftliches und gesellschaftliches Engagement für den Finanzplatz Schweiz in der Zukunft. Es geht um die Sicherung wertschöpfender Arbeitsplätze in der Schweiz und damit um die soziale und gesellschaftliche Stabilität unseres Landes. Dies sollten alle Parteien aus Politik, Verwaltung, Grossunternehmen, Start-ups und Medien als gemeinsamen Auftrag sehen.

In welchen Fintech-Bereichen könnte die Schweiz am ehesten ­erfolgreich sein?

Es gibt vier Bereiche, in denen sich die Schweiz international positionieren könnte: Wealth Management, Crypto Currencies, Versicherung und Sicherheit. Der Consumer-Bereich ist tendenziell eher schwierig, da wir ein kleines Land sind, noch dazu mit einer mehrsprachigen Bevölkerung. Aber was wir haben, ist das Banking-Know-how am Finanzplatz. Dieses gilt es nun von Finance in Fintech zu transformieren. Die agilen Fintechs können mit Technik, Innovation und Schnelligkeit punkten und zu wertvollen Partnern für die Schweizer Banken werden, indem sie technische Lösungen für sie bauen. Gleichzeitig würde dies Fintechs wiederum in eine grossartige Ausgangsposition versetzen, um ihr Business zu skalieren und international auszuweiten.

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