Digitale Werbeflächen

Ein Selfie mit Roger

Uhr | Aktualisiert
von Oliver Bendel, Professor für Wirtschaftsinformatik, FHNW.

Interaktive Werbeflächen sind Plakate, Terminals und Säulen, die sich als digitale Werbeträger automatisch auf Passanten, Besucher, Kunden und Interessierte einstellen und mit diesen in eine Interaktion treten. Sie verbreiten sich in der Schweiz immer mehr. Es ergeben sich Chancen und Risiken.

Unlängst wurde ich nach der Landung am Flughafen Zürich von Roger Federer begrüsst. Dieser machte Witze und lud zum Selfie ein. Neben ihm entstand ein Umriss, ähnlich einer Kreidezeichnung nach einem Unfall. Dorthin sollte man sich stellen.

Die Firma, die für die Werbung verantwortlich war, konnte auf einige Fotos auf Instagram verweisen. Vielleicht wäre das Interesse noch grösser gewesen, wenn der Tennisstar nicht nur im Film gezeigt worden, sondern eine virtuelle Figur gewesen wäre, die mit den Passanten plaudern kann. Wenn er Teil von interaktiven Werbeflächen gewesen wäre, wie sie in Zürich und anderen Schweizer Städten aus dem Boden schiessen.

Interaktive Werbeflächen sind Plakate, Terminals und Säulen, die sich automatisch auf Anwesende einstellen und mit diesen interagieren. Sie können als adaptive Systeme aufgefasst werden. Es werden Bewegungsmelder, Kameras sowie Muster-, Bild- und Gesichtserkennung zur Bestimmung von Geschlecht, Grösse und Alter eingesetzt.

Die Fähigkeit zur natürlichsprachlichen Kommunikation ist wichtig

Eine Ausprägung ist der Terminal, der in Läden und bei Messen vorkommt und Information, Kommunikation und Interaktion unterstützt und ermöglicht. Eine andere sind digitale Plakate und Säulen an Strassen und auf Plätzen. Als Oberbegriff hat sich "Digital Signage" etabliert.

Interaktive Werbeflächen können Menschen, die in ihrer Nähe sind, mit personalisierter Werbung versorgen. Die Fähigkeit zur natürlichsprachlichen Kommunikation ist wichtig, wenn Fragen der Benutzer zu Produkten und Dienstleistungen beantwortet und Kundenbeziehungen aufgebaut werden sollen.

Lichtzeichen und Signaltöne können für Aufmerksamkeit sorgen. Eine Integration von sozialen Medien bietet sich an, damit Produkte empfohlen und Botschaften zu Dienstleistungen verbreitet werden können. Dabei kann das Smartphone eine zentrale Komponente sein.

Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft

In den nächsten Jahren geht es darum, die Herausforderungen bei digitalen Werbeträgern und -mitteln zu identifizieren und diese zu optimieren. Dabei darf man nicht beim Technischen verharren, sondern muss auch das Rechtliche und Ethische einbeziehen.

Technologieintegration

Kunden und Interessierte wollen das Erlebnis, das sie an und mit der digitalen Werbefläche haben, an Freunde und Bekannte weitertragen. Es müssen entsprechende Schnittstellen zwischen der Werbefläche, dem Smartphone und den sozialen Medien vorhanden sein. Manche Unternehmen entwickeln Apps für die Integration; auf Wunsch des Benutzers ist es möglich, sich beim Betreten des Ladens zu authentifizieren und geeignete Angebote anzeigen zu lassen.

Muster-, Bild- und Gesichtserkennung, Bewegungsmelder und auditive Schnittstellen sind weit entwickelte Technologien und Methoden. Es kommt darauf an, sie in effektiver Weise zu integrieren und ihre Reichweite zu definieren.

Eine Frage ist, ob spezifische Gesichtserkennung angewandt werden soll oder ob es genügt, Merkmale wie Geschlecht, Alter und Grösse festzustellen. Eine weitere ist, auf welche Bewegungen reagiert werden und wie nahe man bei der digitalen Werbefläche sein soll, damit eine Ansprache sinnvoll erscheint.

Selbstlernendes System

Die interaktive Werbefläche kann als selbstlernendes System gestaltet werden. Zum einen kann sie immer mehr über Kundenverhalten und -wünsche im Allgemeinen erfahren, zum anderen in Bezug auf einzelne Personen Wissen anhäufen. Sie kann Profile von Kunden bilden und die Entwicklung von Benutzern begleiten und fördern.

Für Diabetiker, Allergiker und Vegetarier ist es hilfreich, wenn bei Lebensmitteln und Medikamenten passende Empfehlungen vorgesehen werden. Man kann gezielt eine solche Arznei bewerben und anbieten, die keine schädlichen Wechselwirkungen zu einer jüngst erstandenen hat. Wenn die Identität an der Ladentür über eine App offengelegt wird, mag eine persönliche Ansprache und Beratung auf Grundlage der Biografie erfolgen.

Diskretion, Hygiene und Gesundheit

Insbesondere bei individualisierter Beratung ist Diskretion ein entscheidender Punkt. Der Kunde im Laden will kaum, dass jemand im Umfeld etwas über seine Furunkeln und Hämorriden oder seine sexuellen Präferenzen erfährt.

Entweder ist die interaktive Werbefläche in einem speziellen Bereich untergebracht, was allerdings anderen Anforderungen widerspricht, oder es wird Diskretion durch die Verringerung der Lautstärke und die Verkleinerung von Bildern und Buchstaben hergestellt: Der Kunde befindet sich in nächster Nähe und in vertraulicher Kommunika­tion und Interaktion mit dem Gerät. Auf der Strasse verschärft sich das Problem, es braucht da zusätzliche Massnahmen.

Bei Touchscreens sind Hygiene und Gesundheit zu berücksichtigen. Bereits die privaten Kleinstrechner sind voller Keime, Bakterien und Viren. Bei öffentlich genutzten Touchscreens ist die Gefahr gross, dass Krankheiten übertragen werden, und sie müssen regelmässig gereinigt werden.

Das Smartphone kann bei Eingabe und Steuerung eine wichtige Rolle spielen. Weltweit werden neuartige Schnittstellen entwickelt, bei denen ein direkter Kontakt ganz obsolet wird. Das Max-Planck-Institut in Deutschland arbeitet an berührungslosen Handydisplays, mit dem explizit formulierten Ziel, dass weniger Bakterien und Keime auf den Bildschirm (und damit auf Benutzer) übertragen werden.

Rechtliche und ethische Fragen

Bei der Verwendung von interaktiven Werbeflächen werden rechtliche und ethische Fragen aufgeworfen. So ist etwa zu klären, wer die Haftung bei falschen Produktinformationen übernimmt, insbesondere dann, wenn diese nicht fest ins System gegossen, sondern in der Kommunikation mit dem Kunden oder auf der Basis von Profilen vermittelt werden.

Aus Sicht von Informations- und Wirtschaftsethik ist der Schutz der Bürger und Konsumenten von Relevanz. Interaktive Werbeflächen können in die Privatsphäre eingreifen, sogar in öffentlichen Bereichen, und das Persönlichkeitsrecht sowie die informationelle Autonomie verletzen.

Die Verbraucher entscheiden

Letzten Endes entscheiden die Verbraucher über den Erfolg der digitalen Werbeträger und -mittel. Wenn sie einen interaktiven Roger Federer anziehend finden, wenn sie mit ihm Zeit verbringen, während er Produkte erwähnt oder zeigt, oder wenn sie einen Nutzen aus virtueller Information und Kommunikation ziehen und sich für angebotene Produkte und Dienstleistungen entscheiden, ist das Konzept aus Sicht von Technologieentwicklern und Werbeschaltenden aufgegangen.

Wenden sie sich ab, muss man nach neuen Lösungen suchen.

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