Kolumne

Keine Chance für den Mittelstand im App-Store-Klassenkampf

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von Christof Zogg

Es mehren sich die Fragen, ob Apps auch künftig die Smartphone-Nutzung dominieren werden. Der Schreibende ist davon überzeugt. Nur die mittelmässig erfolgreichen Apps werden sich kaum mehr behaupten können.

Christof Zogg, Leiter Digital Business bei den SBB. (Quelle: Netzmedien)
Christof Zogg, Leiter Digital Business bei den SBB. (Quelle: Netzmedien)

Wenn Sie einen Bären fragten, was denn ausser dem Honig seine Leibspeise sei, einen FCZ-Fan, welche Mannschaftssportart ausser dem Fussball dominiere, oder einen ferrophilen ÖV-Pendler, wie er künftig ohne Zug täglich von Zürich nach Bern reisen wolle – sie würden ungläubiges Staunen ernten (und vom Bären zusätzlich noch einen kräftigen Prankenhieb). Genau so erging es mir, als ich kürzlich gefragt wurde, was denn nach den Apps komme und die Smartphone-Nutzung dominieren werde. Denn auf den ersten Blick erscheint die Frage wirklich sinnlos. Alle Appconomy-Indikatoren zeigen nach oben. Die täglich mit der Nutzung von Mobile Devices verbrachte Zeit nimmt stetig zu (in den USA steht sie bei über 3 Stunden und schlägt den TV als bisheriges Lieblingsgerät). Die Nutzung des mobilen Browsers fällt auf unter 10 Prozent – die User wollen Apps, nicht Mobile Websites. Und auch kommerziell gab’s 2015 weitere Rekorde: In Apples App-Store stieg der Umsatz um rund 25 Prozent auf 20 beeindruckende Milliarden Dollar. Stehen also alle Signale immer noch auf Grün für US-App-Publisher?

The winner takes it all

Die Antwort ist ein klares Jein. Denn etwas hat sich in den letzten beiden Jahren dramatisch verändert: Die Erfolgsaussichten für Apps, einen Platz im äusserst lukrativen Kreis der Top-5-Publisher, die rund 80 Prozent der Nutzungsdauer ernten, zu ergattern. Und nicht viel besser steht es um die Chancen, mit neuen App-Projekten in die Phalanx der durchschnittlichen 26,7 Apps zu dringen, die überhaupt noch regelmässig genutzt werden. Klassenkämpferisch gesprochen könnte man sagen, dass immer weniger App-Kapitalisten ihren Prozentanteil am immer grösseren Kuchen behaupten, während der Grossteil der App-Bourgeoisie zunehmend marginalisiert wird und ins App-Proletariat absteigt. Oder eingänglicher mit den Worten von ABBA gesungen: The winner takes it all.

Die Ursache dafür ist einfach: Die Smartphone-Pene­tration erreicht allmählich Sättigungsniveau. Die Wachstumsraten sinken und mit ihnen die Downloadzahlen in den App-Stores. Besonders eindrücklich illustriert diesen Umstand ein kürzlich im Technologie-Blog «The Verge» erschienenes Feature über den mittelständischen App-Publisher Pixite aus San Diego («Life and Death in the App Store»). Die Reportage beschreibt anschaulich die Erfolgsgeschichte der Firma in den Anfangsjahren der Appconomy und den anschliessenden Tipping Point im Jahr 2014, an dem sich das Wachstum ins Gegenteil verkehrte. Ich kann den Artikel, wie der Pfarrer die sonntägliche Kollekte, wärmstens empfehlen.

Market it or leave it!

App-Publisher haben das längst erkannt. Es sind nicht mehr Entwicklungsfragen, Mobile Testing oder Cross-Plattform-Development, die als grösste Herausforderungen im App-Business gelten, sondern das Marketing. Und erfolgreiche App-Publisher handeln danach im grossen Stil. So investierte etwa Branchenleader Supercell 2014 rund ein Viertel seiner Einnahmen, nämlich exorbitante 400 Millionen Euro, in die Vermarktung seiner Apps.

Was schliessen wir daraus? Wer eine App entwickelt und nicht bereit ist, zu den Entwicklungskosten nochmals mindestens denselben Betrag ins App-Marketing zu investieren, sollte künftig ganz die Finger davon lassen.

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