Podium

Das beschäftigt Schweizer Webagenturen

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Am Best of Swiss Web Award findet seit 16 Jahren die Crème de la Crème der Schweizer Internetwirtschaft zusammen. Die Umfrage bei ausgewählten Webagenturen zeigt, welche Trends sie ausmachen, was die Kunden wollen und wie sie die Zukunft der Schweizer Webszene sehen.

Nathalie Hämmerli, Head Consulting & Partner, Dotpulse

Welche Trends sehen Sie bei Webprojekten?

Nathalie Hämmerli: Trends sind die Optimierung und, wo möglich, die Automatisierung von Prozessen. Ausserdem wird das Web auch von Kunden endlich als "Verkaufskanal" wahrgenommen. Sprich, die Akquise, das Vernetzen und Aufeinander-Abstimmen aller Webaktivitäten auf der eigenen Website, auf Social Media (Linkedin, Facebook, Search etc.) tritt in den Mittelpunkt. Hochflexible, intuitive Systeme, wie das CMS Neos, die webtechnisch auf dem neuesten Stand sind und keine Bindung an Lizenzverträge und Agenturen mit sich bringen, können eine Stütze für den USP der Schweizer Webagenturen sein. Eine Webpräsenz, die aus ihrem Umfeld herausragt und trotzdem klar und einfach zu bedienen ist, zeichnet eine Top-Webpräsenz aus. Hier liegt die Betonung auch auf "in ihrem Umfeld", denn die Lösungen sind je nach Bereich andere.

Wie haben sich die Anforderungen und Erwartungen Ihrer ­Kunden im Zusammenhang mit Webprojekten in den letzten ­Jahren verändert?

Früher hiess es: "Wir brauchen eine neue Website." Heute: "Wir müssen ­über das Web ganzheitlich mehr Nachfrage generieren." Grundsätzlich wird eine höchstmögliche Flexibilität und zugleich Automatisierung angefragt und erwartet.

Gibt es überhaupt noch Webprojekte, in denen Mobile keine ­Rolle spielt?

Wir müssen immer zuerst an Mobile denken. Dies auch, wenn es der Kunde nicht anfragt. Somit ergibt sich die Antwort auf die zweite Frage: Nein. "Mobile first?" oder "und auch Mobile?", das sind die einzigen Fragen.

Welche Berechtigung wird die Schweiz als Produktions- und Entwicklungsstandort wegen der hohen Kosten in Zukunft noch haben?

Auswechselbare Arbeiten werden zukünftig nicht mehr in Schweizer Agenturen gemacht. Aber überall dort, wo unsere Werte und das Qualitätsverständnis zum Tragen kommen, werden wir weiterhin produzieren und entwickeln. Beim Entwickeln einer Webapplikation etwa laufen Konzeption, Gestaltung und Produktion interaktiv nebeneinander und lokal zusammen mit dem Kunden. Das beste Produkt entsteht im nahen, steten Austausch und Zusammenspiel aller Spezialisten. Die Adaptation der Webapplikation, sagen wir einer Web-App, auf eine iOS-App und Android-App kann erfolgen, wo immer es das entsprechende technische Know-how gibt.

Maximilian Plank, Managing ­Director, Plan.Net Suisse

Welche Trends sehen Sie bei Webprojekten?

Maximilian Plank: Ich möchte eher von "nachvollziehbaren" Entwicklungen als von Trends sprechen. Ein grosser Treiber ist die gesamte Datenthematik. Denn damit verbunden sind Technologien, die Folgendes leisten müssen: Wie erfasst man die Daten? – Tracking. Wie speichert man sie? – Datenbank. Wie wertet man sie aus? – Analytics. Wie macht man sie verfügbar? – CRM, Marketing Automation etc. Man kann aktuell nichts mehr isoliert betrachten. Folglich fordern die Kunden von uns immer häufiger eine holistische Sichtweise. Mit anderen Worten: Wir übernehmen als Externe teilweise eine CDO-Funktion. Im Online-Campaigning werden wir uns immer stärker mit Programmatic auseinandersetzen, denn die Technologie wird immer genauer und besser bedienbar. In einigen Branchen sollte man aber auch klar schauen, dass man den Anschluss an das Internet of Things nicht verliert.

Wie haben sich die Anforderungen und Erwartungen Ihrer ­Kunden im Zusammenhang mit Webprojekten in den letzten ­Jahren verändert?

Deutlich zu spüren ist, dass die Anforderungen stark davon abhängig sind, wie sehr Webprojekte ins Marketing integriert sind. Je integrierter, desto höher die Anforderungen, aber auch aussagekräftigere und bessere Resultate. Einige Kunden beginnen gerade, ihre Marketingmassnahmen auf digitale Technologien und Kommunikation auszudehnen oder gar komplett umzustellen. Hier geht es dann eher darum, sie durch diesen Prozess zu führen. Bei anderen sind Webprojekte schon seit einigen Jahren Schwerpunkt. Hier liegen natürlich dann auch bereits andere unternehmerische Strukturen und personelle Qualifikationen vor, was fokussierte Anforderungen mit sich bringt.

Gibt es überhaupt noch Webprojekte, in denen "Mobile" keine Rolle spielt?

Andersherum, ich glaube fest, dass es keine Webagentur gibt, die den Kunden nicht darauf hinweist – sollte er seinerseits Mobile vergessen haben, zu berücksichtigen. Egal in welchem Zusammenhang, das Mobile Device ist allgegenwärtig, und damit muss man Services und Produkte auch dort sinnvoll zur Verfügung stellen. Und bitte: Man sollte dort nicht aufhören, zu denken. Es gilt, sich damit zu beschäftigen, wie man Wearables einsetzt, denn irgendwo ist dies noch "mobiler", permanenter, "persönlicher". Und weitere Devices/Technologien gibt es ja auch noch, die in Verbindung mit Mobile stehen.

Welche Berechtigung wird die Schweiz als Produktions- und Entwicklungsstandort wegen der hohen Kosten in Zukunft noch haben?

Die Berechtigung ist aus verschiedenen Gründen vorhanden. Einerseits gibt es in der Schweiz ein gemeinsames Qualitätsverständnis, und dieses ist hoch. Somit hat man ein Vertrauen gegenüber allen Projektbeteiligten, dass man ein qualitativ hochwertiges Ergebnis erzielen wird. Nicht zu vergessen ist, dass gerade bei kurzfristigen Projekten der direkte und persönliche Kontakt oftmals schneller zu einem erfolgreichen Ergebnis führen kann. Folglich wird eine Mischung aus Schweizer Ressourcen in Kombination mit Offshore-Ressourcen einen möglichen Weg darstellen.

Michael Hinderling, Crea­tive Director / Managing Partner, Hinderling Volkart

Welche Trends sehen Sie bei Webprojekten?

Michael Hinderling: Ein Trend, der nun auch immer häufiger auf Kundenseite adaptiert wird, ist der agile Projektablauf. Obwohl dieser schon seit ­einiger Zeit bei den Agenturen angekommen ist, brauchen grosse Firmen immer etwas länger, da sie zum Teil ganze Abteilungen umstrukturieren und eine neue Denkweise adaptieren müssen. Ein grosser Trend im Frontend ist der Einsatz von Animationen. Mittels den neuesten Technologien kann man schon fast so interaktive Sites bauen wie zu den guten alten Flash-Zeiten.

Wie haben sich die Anforderungen und Erwartungen Ihrer ­Kunden im Zusammenhang mit Webprojekten in den letzten ­Jahren verändert?

Die Anforderungen sind spürbar gestiegen, und vor allem die Ansprüche im Bereich Projektführung und User Experience steigen stetig. Dies ist für uns aber eher ein Vorteil, weil man immer häufiger auf relativ hohem Niveau mit dem Kunden diskutieren kann.

Gibt es überhaupt noch Webprojekte, in denen Mobile keine Rolle spielt?

Natürlich hat oder hatte der Mobile-Boom einen sehr grossen Einfluss. Mobile spielt bei praktisch jedem Projekt eine wichtige Rolle. Das Testing wird oft unterschätzt: Durch die diversen Mobile-Plattformen vervielfacht sich der Testaufwand. Oft geht aber auch die Experience auf sehr grossen Displays vergessen. Ich finde beides sehr wichtig.

Welche Berechtigung wird die Schweiz als Produktions- und Entwicklungsstandort wegen der hohen Kosten in Zukunft noch haben?

Hohe Qualität wird sich auch in Zukunft durchsetzen. Insbesondere der Bereich Frontend lässt sich nach unserer Erfahrung nur sehr schlecht outsourcen. Es braucht unheimlich viel Know-how und Erfahrung, eine hochwertige Experience für alle Geräte-Typen richtig gut zu realisieren. Und zum Glück lassen sich die Webagenturen nicht nur auf die Entwicklung reduzieren: Bei uns spielen Beratung, User Experience und Design eine genauso grosse Rolle.

Jürg Stuker, CEO, Namics

Welche Trends sehen Sie bei Webprojekten?

Jürg Stuker: Vergesst endlich die Technologie: Die ist gut, wenn sie niemand bemerkt! Auch mit Designtrends gewinnt man heute keinen Blumentopf mehr. State of the Art sind Webprojekte, die Endbenutzer konsequent ins Zentrum stellen, Prozesse sowie Leistung an Onlineanforderungen anpassen und auf ein feinmaschiges, modulares Ertragsmodell bauen. Anzugehen gilt es das positiv wahrgenommene, nahtlose Kunden­erlebnis über alle Kontaktpunkte.

Wie haben sich die Anforderungen und Erwartungen Ihrer ­Kunden im Zusammenhang mit Webprojekten in den letzten ­Jahren verändert?

Die Kundenanforderungen haben sich hin zu umfassender Beratung verändert, die auf Branchenwissen und auf die frühzeitige Berücksichtigung von Prozessen und Betriebsaspekten fusst. Früher dachten Kunden, ein Webprojekt sei mit dem Launch abgeschlossen. Heute wissen sie, dass der Trans­formationsprozess damit erst startet. Full-Service-Digitalagenturen sollten daher idealerweise entlang der ganzen Wertschöpfung des Kunden ihre Dienstleistungen anbieten, um so etwa Technologie- oder Abteilungssilos zu ­vermeiden. Über die Hälfte unserer Projekte haben Business Transformation zum Ziel.

Gibt es überhaupt noch Webprojekte, in denen "Mobile" keine Rolle spielt?

Wenn es sich um eine Website handelt, ist Mobile immer wichtig. Da wir aber zunehmend die Beratung für unterschiedlichste Transformationsaspekte übernehmen, ist Mobile nicht zwingend ein Thema. Immer öfter sind unsere Onlineentwicklungen auch in spezialisierten Geräten enthalten, etwa in ­Laborwerkzeugen oder Wearables.

Welche Berechtigung wird die Schweiz als Produktions- und Entwicklungsstandort wegen der hohen Kosten in Zukunft noch haben?

Wir glauben an den Standort Schweiz, verbunden mit Mitarbeitern, die internationale, länder- und markttypische Erfahrungen einbringen. Das zeigt auch unser Büroneubau in St. Gallen, der 2017 rund 250 Mitarbeitern einen modernen Arbeitsplatz bieten wird. Damit unterstützen wir die für Namics sehr wichtige Zusammenarbeitskultur und Interdisziplinarität – beides sind die Vorrausetzung für exzellente Projekte. Near­shoring kann eine wertvolle Ergänzung sein, ist aber keine Alternative zu den Teams vor Ort.

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7681