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"Mich macht das gesamte Endprodukt stolz"

Uhr | Aktualisiert
von Christoph Grau

Der grosse Sieger des diesjährigen Best of Swiss Web Awards ist die Schweizerische Post. Ulrich Hurni, Leiter Postmail, und CIO Dieter Bambauer erklären, warum die Post bei der Digitalisierung den meisten anderen Schweizer Unternehmen einen Schritt voraus ist.

Zweimal Gold, zweimal Silber, fünfmal Bronze und der Digital Transformation Award. Wie war Ihre Reaktion auf die Preisflut für die Post?

Ulrich Hurni: Ich habe mich natürlich sehr gefreut. So viele Preise gewinnt man nicht alle Tage.

Dieter Bambauer: Ich bin sehr stolz auf das gute Abschneiden der Post bei den diesjährigen Awards. Viele Kolleginnen und Kollegen haben dafür hart gearbeitet.

Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Hurni: Ich glaube, es gibt kein Geheimnis. Man muss einfach klar wissen, wohin man will, und dann alles daran setzen, dieses Ziel auch zu erreichen.

Bambauer: Die Post ist ein sehr breit aufgestellter Konzern mit einer sehr diversen Belegschaft. Mit all den verschiedenen Skills, die wir unter einem Dach vereinen, sind wir sehr gut für die digitale Transformation gerüstet.

Warum brauchte es eine neue Website?

Hurni: Das alte Post-Portal war in die Jahre gekommen und organisch zu einem sehr heterogenen Konstrukt angewachsen. Es standen unsere Produkte und Dienstleistungen im Vordergrund, statt sich an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren. Die Kunden mussten lange Wege durchlaufen, oftmals über mehrere in neuen Browserfenstern öffnende Seiten navigieren, bis sie zum Ziel kamen. Damit waren auch unsere Onlinedienste nur schwer zugänglich und dadurch wenig frequentiert. Die Heterogenität der Log-in-Lösungen führte dazu, dass sich ein Kunde bis zu neun verschiedene Log-ins merken musste. Dazu kam, dass das CMS das Ende des Produkt­lebenszyklus erreicht hatte und nicht mehr unterstützt wurde. Der alte Auftritt war damit weder benutzerfreundlich noch einfach im Unterhalt. Deshalb waren unsere Ziele, eine gute Basisinfrastruktur zu schaffen, die User Experience zu verbessern und die Transaktionen zu fördern. Heute haben wir ein modernes skalierbares CMS und eine Informationsarchitektur, welche die Bedürfnisse der Kunden ins Zentrum setzt, und Informationen und Onlinedienste sind einfach, schnell, übersichtlich und mit einem einzigen Log-in zugänglich.

Wie viele Besucher hat die Seite jeden Tag?

Hurni: Täglich besuchen rund 60 000 Menschen das Post-Portal und rufen dabei über 240 000 Seiten auf. Im Durchschnitt verweilen sie dabei knapp 5 Minuten auf unserem Portal. Etwa jeder Dritte nutzt dabei ein mobiles Gerät. Darin nicht eingerechnet sind mögliche Subdomains und die zahlreichen Webservices.

Wann haben Sie mit der Umstellung begonnen?

Hurni: Die ersten Überlegungen wurden bereits 2010 angestellt. Der eigentliche Startschuss fiel im Oktober 2011 mit der Überarbeitung der Portalstrategie. ­Insgesamt hat das Projekt fast vier Jahre in Anspruch genommen.

Was waren die grössten Hürden, die Sie beim Projekt überwinden mussten, und wie haben Sie diese gemeistert?

Hurni: Ein wesentlicher Teil des Aufwands waren die zahlreichen Anpassungen im Hintergrund, wie die Vereinheitlichung des Kunden-Log-ins und die damit zusammenhängende Migration der bestehenden Kundendaten ins neue Portal. Das war technisch sehr anspruchsvoll. Bei den Geschäftskunden gibt es viele Dienstleistungen, die über das Portal gesteuert werden, mit denen man als Privatkunde nie in Berührung kommt. Entsprechend viele Dienste mussten angepasst werden. Eine weitere grosse Herausforderung war die Konzeption der Informationsarchitektur und der damit einhergehende Paradigmenwechsel von einer produktorientierten in eine bedürfnisorientierte Sicht. Dabei hat uns geholfen, dass wir den Kunden ins Zentrum gestellt haben.

Wie konnten Sie dies erreichen?

Hurni: Wir definierten zu Beginn Personae, mit denen wir Szenarien modellierten, die uns über den gesamten Projektverlauf begleiteten. Dabei hat man sich in einem bereichsübergreifenden Fachteam regelmässig ausgetauscht. Eine Institution, die sich bewährt hat und auch in die Rahmenorganisation eingeflossen ist und heute als Steuerungsgremium genutzt wird. Und schliesslich war die komplexe IT-Landschaft eine Herausforderung. Es ging nicht nur um die Ablösung eines CMS, sondern um die sinnvolle Einbettung der über 80 Onlineservices sowie der parallel neukonzipierten Log-in-Lösung. Dabei galt es, unzählige Anforderungen einheitlich zu adressieren. Hier war der intensive Austausch zwischen den Projektleitenden im eigens dafür eingerichteten Projektoffice eine Massnahme, Lösungen schnell und unkompliziert zu besprechen und direkt Entscheidungen zu treffen.

Auf welche Teile der neuen Site sind Sie besonders stolz?

Hurni: Aus Sicht der Kunden ist das vereinheitlichte Log-in mit dem zentralen Kundencenter sicher eine der wichtigsten Verbesserungen am neuen Portal. Aber auch die Benutzerführung in der Navigation und die Bedienbarkeit sind meiner Ansicht nach viel besser als beim alten Auftritt. Schliesslich macht mich das gesamte Endprodukt stolz. Die Seite ist aufgeräumt, übersichtlich und einfach zugänglich. Vermutlich konnten wir gerade deshalb in der Kategorie Usability den Sieg nach Hause nehmen.

Wo sehen Sie noch Optimierungspotenzial?

Hurni: Das Internet steht niemals still. Mit dem neuen Portal haben wir eine Ausgangslage geschaffen, damit wir laufend optimieren können, ohne das ganze Portal neu bauen zu müssen. Es gibt noch zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten. Wir stellten dazu extra ein Team auf, das sich mit der Weiterentwicklung und dem Betrieb des Portals beschäftigt. Schon wenige Wochen nach dem Go Live und dem Abschluss des Projekts lancierte dieses Team wesentliche Verbesserungen im Kundencenter. Diesen Bereich wollen wir auch weiter ausbauen und dem Kunden erweiterte Möglichkeiten anbieten und das Zusammenspiel mit den Onlineservices optimieren. Die Arbeit geht uns nicht aus.

Wie war das Feedback von der Kundenseite bisher?

Hurni: Insgesamt hat uns sehr viel positives Feedback erreicht. Gerade am Anfang gab es aber natürlich auch kritische Stimmen. Das ist ganz normal, wenn ein Werkzeug, das man mehrmals pro Woche nutzt, plötzlich ganz anders aussieht. Die Leute fanden sich aber schnell auf dem neuen Portal zurecht, und auch die Anfragen beim Kundendienst gingen rascher zurück, als wir das erwartet hatten. Wir sind sehr zufrieden.

Was sind die nächsten Projekte, die Sie angehen möchte? Ist schon wieder ein Redesign des Redesigns in Planung?

Hurni: Wir konnten im letzten Jahr ein grosses, langes und arbeitsintensives Projekt abschliessen. Jetzt wollen wir die Weiterentwicklung auf dieser neuen Basis schrittweise vorantreiben und das Portal stetig aktualisieren, sodass sich nicht wieder grösserer Änderungsbedarf aufstaut. Entsprechend ist zurzeit keine revolutionäre Änderung geplant. Aber wir erweitern unser Angebot an der Schnittstelle physisch-digital natürlich laufend weiter und werden auch im laufenden Jahr neue Angebote für die Kunden bringen, die über das Portal gesteuert werden können.

Nach den SBB im Vorjahr haben nun die Post und Medela den Digital Transformation Award erhalten. Was haben Sie alles gemacht, um diesen Preis zu erhalten?

Bambauer: In erster Linie erstellten wir innerhalb kürzester Zeit in einem echten Teameffort über alle Bereiche hinweg einen speziellen Digital-Transformation-Auftritt, mit dem wir die zahlreichen Aktionen und Initiativen, die zur digitalen Transformation der Post beitragen oder beigetragen haben, darstellen konnten. Das waren mehrheitlich Inhalte, die auf dem Post-Portal bereits vorhanden waren, aber neu kombiniert werden mussten. Und dann meldeten wir uns natürlich für den Award an.

Warum ist die Post so viel weiter als manch anderes Schweizer Unternehmen?

Bambauer: Die Post antizipiert und passt sich an das sich verändernde Kundenverhalten und die technischen Entwicklungen an und öffnet neue Geschäftsfelder. Die Entwicklung unseres Kerngeschäfts und gleichzeitig die Erschliessung neuer Märkte sind ein fester Bestandteil unserer Strategie. Wir legten ganz konkret sechs Entwicklungsschwerpunkte fest, die sich allesamt an der Schnittstelle zwischen der physischen und der digitalen Welt bewegen – dort, wo unsere Stärke als Systemdienstleister liegt. Nicht zuletzt beschäftigen wir auch eine der grössten ICT-Abteilungen der Schweiz und haben das Glück, sehr engagierte Mitarbeitende zu haben, welche die Post weiterbringen.

Wann und in welchem Rahmen fiel bei Ihnen die Entscheidung, die Digitalisierung weiter voranzutreiben?

Bambauer: Die Post treibt nicht die Digitalisierung, sie nutzt ihre Erkenntnisse und Möglichkeiten. Dies tun wir seit vielen Jahren; die Weiterentwicklung unserer Produkte und Lösungen, insbesondere in den Bereichen E-Commerce, Zahlungslösungen, Direct Marketing und Dokumentenmanagement, spricht hier eine klare Sprache. Auch unsere Kunden kennen das Nutzenpotenzial der fortschreitenden Digitalisierung und erwarten, dass wir uns damit auseinandersetzen. Die Konsequenz ist die Nachfrage nach komplexeren Produkten. Diesen Nachfragewandel beherrschen wir, hier liegt unser Wettbewerbsvorteil.

Welche Haupthindernisse gab es auf dem Weg, und wie haben Sie diese überwunden?

Bambauer: Grosse Unternehmen haben tendenziell komplexe Organisationen und entsprechende Entscheidungswege. Die Post hat frühzeitig in ihren verschiedenen Geschäftsbereichen Raum geschaffen für innovative und durchaus disruptive Projekte. Somit waren die Voraussetzungen gegeben für die Modernisierung der Kernleistungen und für die Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit. Nachhaltig unterstützt wird dies durch die neue Abteilung "Entwicklung und Innovation", die sich mit der Entwicklung neuer Leistungen und Produkte beschäftigt, dies in gänzlich neuen Bereichen oder zur Ergänzung der Kernleistungen der Post.

Setzen Sie bei der Transformation nur auf eigene Fähigkeiten, oder holen Sie sich auch Unterstützung?

Bambauer: Innovation ist heute nicht mehr möglich ohne Kollaboration. Wir arbeiten sehr eng mit Start-ups und externen Partnern zusammen und stehen im regen Austausch mit unseren Kunden. Denken Sie etwa an unsere Tests mit Drohnen. Es wäre unsinnig, wenn wir hier bei null anfangen und nicht auf die Erfahrung von Partnern aufbauen würden.

Welche Rolle spielen die vielen erfolgreichen Webprojekte in der digitalen Gesamtstrategie?

Bambauer: Das Internet ist als Kommunikations- und Absatzkanal heute vollkommen unverzichtbar. Ein grosser Teil unserer Dienstleistungen für Geschäfts-, aber auch Privatkunden wird schon heute über das Internet gesteuert. Dieser Trend wird sich sicher fortsetzen. E-Commerce beschert uns seit mehreren Jahren steigende Paketvolumen, was die schrumpfenden Margen in diesem hart umkämpften Markt ein Stück weit abfedert. Gerade erst vor ein paar Tagen haben wir in Härkingen das einmilliardste Paket verarbeitet.

Was sind Ihre nächsten grossen Projekte im Bereich Digitalisierung? Können Sie einen kurzen Einblick geben?

Bambauer: Ein spannendes Feld, das wir in den nächsten Monaten genauer testen werden, ist das Internet der ­Dinge. Hier haben wir unlängst ein erstes Testnetz aufgebaut, um verschiedene neue Ideen zu testen. Die «LoRaWAN»-Technik bietet unzählige Möglichkeiten, wie wir unseren Kunden den Alltag vereinfachen und unsere Dienstleistungen intelligenter machen können. Aber auch die nicht mit dem Internet verbundenen Pakete werden wir im Laufe des Jahres intelligenter machen und es den Kunden ermöglichen, ihre Sendungen von überall her zu steuern. Und ansonsten: Die Ideen-Pipeline ist prall gefüllt.

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