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"Wir haben Kosten gespart und dennoch unsere Services ausgeweitet"

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Versicherer setzen auf die Digitalisierung. Grosse Versicherer experimentieren und investieren in Start-ups. Doch auch kleinere und mittlere Anbieter transformieren ihr Business. So wie Sympany, eine der zehn grössten Krankenkassen der Schweiz. Wie die Digitalisierung das Unternehmen ­verändert, erklärt Lothar Heintel, CIO von Sympany.

Sympany hat den Geschäftsbereich Online & IT neu geschaffen. Weshalb?

Lothar Heintel: Anfang des letzten Jahres haben wir unsere Strategie genau unter die Lupe genommen. Ein wichtiges Thema war die Digitalisierung. Damals war ich ausschliesslich für die IT von Sympany verantwortlich. Wir erkannten aber in der Geschäftsleitung, dass wir für eine umfassende Digitalisierungsstrategie einen gemeinsamen Nenner, ein einheitliches Verständnis brauchen.

Wie meinen Sie das?

Bei der Digitalisierung denken noch manche in der Branche, dass es sich dabei um die elektronische Erfassung von Belegen und deren elektronische Abrechnung handelt. Dabei reicht die Digitalisierung viel weiter. Deshalb sprechen wir bei Sympany, wenn wir die Digitalisierung meinen, von Online und IT.

Wie sind Sie weiter vorgegangen?

Wir gingen zunächst die Customer Journey unserer Kunden durch und überlegten uns dabei, bei welchen Schritten es überall Ansätze für Digitalisierungsprojekte gibt, beziehungsweise wo die Kunden mit Onlineservices in Kontakt kommen. Danach diskutierten wir, was denn einen reinen Onlineversicherer von einem Offlineversicherer unterscheidet.

Was bedeutet das nun für Sympany?

Wir kamen zu dem Schluss, dass unsere Kunden keine Trennung der Kanäle wünschen. Kunden wollen sich online informieren und wünschen oft ein zusätzliches Beratungsgespräch. Nach einem Vertragsabschluss wollen sie sich wiederum rasch über ihre Police informieren. Das können sie telefonisch oder online erledigen. Daher ergibt eine Multichannel-Strategie für uns Sinn.

Wo ist die Digitalisierung bei Sympany angesiedelt, im Business oder in der IT?

Wir haben erkannt, dass wir das Thema Online und Digitalisierung zentral aufhängen müssen. Unser Fokus im Onlinebereich ist der Bestandskunde. Nur eine Abteilung wie etwa die Leistungserbringung oder den Vertrieb zu involvieren, wäre zu kurzsichtig gewesen. So kamen wir zum Schluss, dass wir auf Ebene der Geschäftsleitung eine eigene Organisation aufbauen müssen, welche die IT-Abteilung als Enabler der Digitalisierung integriert.

Was hat sich dadurch für Sie geändert?

Meine Rolle als Enabler hat sich erweitert. Es gehört zu meinen Aufgaben, die Sicht des Onlinebereichs entlang der gesamten Wertschöpfungskette respektive der gesamten «Customer Journey» einbringen. Das ist etwas Neues für mich.

Wie meinen Sie das?

Das heisst, dass ich vom digitalen Onboarding eines potenziellen Kunden bis zur Leistungsabwicklung einen durchgängigen Prozess aufbauen und gewährleisten muss. Die Erstellung dieser Fachprozesse geht über den reinen Aufgabenbereich der IT hinaus. Wenn wir etwa einen 24-Stunden-Online-Chat betreiben wollen und einen Telefonservices während des Tages, so müssen IT und Business zusammensitzen und gemeinsam planen.

Der Digitalisierungsansatz verändert also die Business-­Strukturen von Sympany?

Massgeblich. Technisch ist vieles ja bereits machbar. Wichtig ist dabei, die Entwicklungen auch in der Organisation und in der Unternehmenskultur zu verankern. Die Kundenansprache ändert sich etwa bei einem Chat, im Vergleich zu der in einem Telefongespräch oder in einer E-Mail. Man muss hierfür die Mitarbeiter sehr viel stärker mitnehmen und auf die Veränderungen einstellen als bei einer rein technischen Neuerung.

Und wie nehmen Sie Ihre Mitarbeiter mit auf diesem Pfad der Digitalisierung?

Information ist zentral. Die Mitarbeiter müssen wissen, was wir wie erreichen wollen. Damit alle vom gleichen reden, braucht es ein entsprechendes Grundwissen. Über das Thema Digitalisierung sprechen wir regelmäs­sig an unseren Kader- und Mitarbeiterveranstaltungen. Teilweise laden wir dazu auch externe Fachleute als Referenten ein.

Welche weiteren Massnahmen haben Sie getroffen?

Darüber hinaus wollen wir insbesondere auf interne Evangelisten in allen Geschäftsbereichen setzen. Wir haben in jedem Geschäftsbereich Kolleginnen und Kollegen, die besonders affin sind für die neuen Themen. Damit meine ich nicht, dass eine Person, die sich mit Facebook auskennt, automatisch ein Evangelist für Social Media ist. Man merkt aber etwa bei Präsentationen oder in Gesprächen, wer ein Out-of-the-Box-Denken mitbringt und diese Ideen an der Basis vermitteln kann.

Wie sieht die weitere digitale Roadmap von Sympany aus?

Wir lösten 2013 unser altes Kernsystem ab. Nachdem bisher vor allem IT-Themen im Vordergrund standen, packen wir nun mehrere Onlineprojekte an. Eines ist der Relaunch unseres Webauftritts.

Was haben Sie geplant?

Wir wollen unsere Website einfacher und attraktiver gestalten. Aufbau und Struktur stehen dabei besonders im Fokus. Die Seite kann künftig etwa durch Scrollen statt weiterklicken durchforstet werden. Das erleichtert die Navigation auf Smartphones und Tablets. Zudem sollen die Inhalte noch kundengerechter aufbereitet werden. Technisch möchten wir das CMS Lifelink durch Magnolia ersetzen. Auch die Suchmaschinenoptimierung ist derzeit nicht ideal. Ziel ist es, dass Inhalte mit wenig Aufwand rasch auf unserer Seite gefunden werden. In den gesamten Prozess haben wir auch bewusst Kunden involviert.

Inwiefern?

Wir entwickeln in zweiwöchigen Sprints und prüfen anschliessend mit Testkunden, was wir entwickelt haben. Das Feedback der Tester fliesst dann in die Aufgaben der nächsten Sprints mit ein.

Mit Digitalisierungsprojekten wollen Unternehmen auch Kosten einsparen. Wie hilft Ihnen die Digitalisierung, IT-Kosten zu sparen?

IT ist ein zentrales Element für jeden Versicherer. Der Aufwand für die IT-Systeme sind der grösste Block im Verwaltungskostenbudget von Sympany. Inzwischen haben wir die IT-Kosten gegenüber 2013 um 48 Prozent senken können.

Inwieweit spüren Sie noch den Spardruck?

Wir haben unsere Hausaufgaben auf der Kostenseite gut gemacht. Dadurch haben wir heute überhaupt erst die Möglichkeit, in neue, digitale Projekte zu investieren. Natürlich müssen wir weiterhin auf die Kosten achten. Unser Auftrag ist es, haushälterisch mit unseren Ressourcen umzugehen. Das Geld, das uns zur Verfügung steht, stammt letztlich von den Versicherten. Es ist aber kein Widerspruch, in Online sowie in die Digitalisierung zu investieren und gleichzeitig zu sparen. Es geht schliesslich nicht nur um die Kosten der IT, sondern um die Gesamtkosten. Da können wir mit der Automatisierung von Prozessen etc. Kosten sparen. Digitalisierung heisst für uns aber nicht, einfach Kosten zu senken, sondern es ist ein kundenorientierter Prozess. Kunden erwarten heute, sich einfach und schnell mit uns über verschiedene Kanäle in Verbindung setzen zu können.

Welche Bereiche haben Sie ausgelagert?

Wir wollen in den Bereichen eine hohe Tiefe an Eigenfertigung erreichen, wo wir entweder einen Wettbewerbsvorteil kreieren können oder einen Kundennutzen. Auslagern würden wir hingegen Commoditys wie Serverbetreuung, First- und Second-Level-Support. Wir machen dafür jedes Jahr einen Kostenvergleich im Bereich Infrastruktur einerseits mit anderen Versicherern, aber auch mit Providern wie Swisscom. Aber im Moment können wir das selbst noch am günstigsten erbringen.

Was würden Sie nicht auslagern?

Wo wir uns abheben können, wollen wir die IT selbst betreiben. Das ist etwa Business Intelligence. Bei Themen, die sehr nahe am Business sind. Diese wollen wir nicht aus der Hand geben.

Welche Pläne verfolgen Sie in diesem Bereich?

Uns geht es um die Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen. Das ist für uns jetzt noch kein Big Data, wenn man das etwa vergleicht mit den grossen Datenmengen einer Supermarktkette wie Migros.

Was bedeutet Big Data für Sie?

Big Data ist für uns Mittel zum Zweck, um noch besser für unsere Kundinnen und Kunden da sein zu können. Wir wollen die Daten, die wir von unseren Kunden haben, zusammenführen, um unseren Service zu verbessern. Das können wir aber erst, wenn etwa auf einen Blick ersichtlich ist, wie der Kunde mit uns am häufigsten kommuniziert. Oder welche Services der Kunde bei uns bezieht. Auf diese Weise können wir Kunden alle Fragen gleich beantworten. Diese Themen stehen im Bereich Data Warehousing derzeit ganz oben auf der Agenda.

Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrer Arbeit?

Wir haben kurze Entscheidungswege. Man kann schnell viel bewegen. Was mir sehr gut gefällt ist, dass wir das Mindset und die Fähigkeiten der Mitarbeiter in den letzten Jahren stark weiterentwickeln konnten, ausgerichtet auf die künftigen Anforderungen der Digitalisierung. Wir sparten einerseits Kosten und weiteten dennoch unsere Services aus. Wir verzeichnen ein, auch im Vergleich zur Branche, sehr hohes Commitment unserer Mitarbeiter. So macht die Arbeit Spass.

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