Interview mit Daniel Röthlin, CEO von Ex Libris

"Die Zeitachse der Entwicklung ist online zwanzigmal kürzer als offline"

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Ex Libris hat sich vom rein stationären Detailhändler zum E-Commerce-Anbieter entwickelt, der vermehrt in eine Cross-Channel-Strategie investiert. Worauf es dabei ankommt, erzählt Daniel Röthlin, CEO von Ex Libris, im Interview.

Daniel Röthlin, CEO von Ex Libris (Quelle: Ex Libris)
Daniel Röthlin, CEO von Ex Libris (Quelle: Ex Libris)

Daniel Röthlin ist seit Januar 2010 Geschäftsführer der Migros-Tochter Ex Libris. Zuvor arbeitete er bereits seit drei Jahren im gleichen Unternehmen als Leiter Retail und war schon damals Mitglied der Geschäftsleitung. Seine berufliche Karriere hat der Detailhandelsprofi in verschiedenen Unternehmen aufgebaut. Er war unter anderem bei Jelmoli, Globus, Charles Voegele und Diax Telecommunications in unterschiedlichen Positionen tätig.

Herr Röthlin, Ex Libris besteht seit 1947 und war früher vor allem im stationären Handel tätig. Wie behaupten Sie sich am heutigen E-Commerce-Markt?

Ich meine, einer der Hauptgründe ist, dass wir uns 1999 schon frühzeitig im E-Commerce-Markt positioniert und etabliert haben. Wir haben über die Jahre hinweg in unseren Onlineshop investiert und ihn kundenorientiert weiterentwickelt. Hinzu kommt auch unsere personelle Struktur, die auf Effizienz und Produktivität ausgerichtet ist, was uns wiederum günstige Verkaufspreise ermöglicht. Zudem liefern wir seit jeher portofrei, für Kunden ein wichtiges Kriterium bei der Wahl des Anbieters.

Worin besteht der Hauptunterschied zwischen dem stationären und dem Onlinehandel?

Die Zeitachse der Entwicklung ist online zwanzigmal kürzer als offline. Als Start-up können Sie im Internet ein viel schnelleres Wachstum hinlegen, das zeigt uns beispielsweise Zalando. Aber die internationale Konkurrenz ist fordernd. Im stationären Handel steht die persönliche Beratung im Vordergrund: Kunden finden hier Gesichter, persönliche Beratung und Wärme. Online hingegen finden unsere Kunden ein breites Angebot, verbunden mit einem hohen Servicegrad. Sie entscheiden hier auch eher über den Preis. Noch vor fünf Jahren haben wir uns gefragt, wie wir über den stationären Handel den Onlinehandel befruchten können. Heute ist es umgekehrt.

Wie investieren Sie in den Onlinehandel?

Wir haben unter anderem unseren Onlineshop und unsere IT-Infrastruktur komplett neu aufgebaut. Unser alter Onlineshop war historisch gewachsen und wurde der zunehmenden Komplexität nicht mehr gerecht.

Wir lange haben Sie für dieses Refactoring gebraucht?

Knapp zehn Monate. Wir haben die ganze Infrastruktur zergliedert und neu aufgebaut. Da ist kein Stein auf dem anderen geblieben.

Welche Vorteile ergeben sich heute daraus?

Wir sind jetzt viel einfacher und flexibler aufgestellt als früher. Jetzt können wir problemlos neue Umsysteme oder Frontends anhängen, und die neuen Strukturen greifen alle auf unsere zentralen Datenbanken zu. Dank unserer Webservices sind wir immer auf dem aktuellen Stand. Wenn ich beispielsweise an der Kasse etwas verkaufe, ist es fünf Sekunden später im Filiallager abgebucht. Wenn ein Kunde dann eine Produktabfrage macht, erfährt er auf allen Kanälen, ob der Artikel noch am Lager und in welcher Filiale er in welcher Stückzahl verfügbar ist.

Ist das nicht selbstverständlich?

Nein, es gibt durchaus noch viele Unternehmen, die die Tagesverkäufe über Nacht per Batch übermitteln. Aber es ist ein riesiges Handicap, wenn man nicht mit in Echtzeit aktualisierten Daten arbeitet. Denn wenn der Kunde extra wegen eines Artikels in den Laden kommt und das Produkt ist nicht mehr verfügbar, ist der Frust programmiert.

Wo haben Sie sich sonst noch engagiert?

Wir haben zum einen eine App für iOS, Android und Windows 8 entwickelt, mit der man auf den Onlineshop zugreifen kann. Zum anderen haben wir mit Samsung kürzlich eine Smart-TV-App entwickelt. Wir haben uns auch gefragt, was unsere nationalen Stärken sind. Diese sind aus dem stationären Handel heraus gewachsen. Zusammen mit den neuen Kanälen konzentrieren wir uns nun auf eine Cross-Channel-Strategie. Es ist sinnvoll, all diese Kanäle miteinander zu verbinden und dem Kunden damit im Brand und nicht in den einzelnen Kanälen einen hohen Dienstleistungsgrad zu bieten. Ich glaube, das ist ein Trend, der sich in Zukunft noch verstärken wird.

Was kann Ihre neue TV-App?

Man kann damit über einen Samsung-Fernseher der neueren Generationen auf alle Artikel und Funktionen des Onlineshops von Ex Libris zugreifen. Ich glaube daran, dass die Kombination von TV und Internet Zukunft hat, deswegen haben wir auch in diese App investiert, auch wenn wir damit der Zeit wohl noch zwei bis drei Jahre voraus sind.

Woher wissen Sie denn, welche Produkte in Zukunft Erfolg haben könnten?

Es ist extrem schwierig, heute Voraussagen darüber zu machen, was langfristig sein wird. Das Risiko einer falschen Strategie steigt und dementsprechend ist es wichtig, dass man die Nase im Wind und gute Sparringpartner hat, mit denen man seine Meinung austauschen kann. Dies ist umso wichtiger, weil die meisten unserer Mitarbeiter im direkten oder indirekten Kundenkontakt stehen. 6 bis 7 Prozent der Belegschaft arbeiten an einem Schreibtisch, die restlichen 93 Prozent sind im direkten oder indirekten Kundenkontakt tätig, also im Kundendienst, in der Logistik oder im Verkauf. Wir sind also sehr intensiv im Tagesgeschäft engagiert. Deswegen brauchen wir Partner, die uns auf Entwicklungen und Trends aufmerksam machen, die für uns wichtig sind.

Wen zählen Sie zu Ihrer Konkurrenz, national wie international?

Amazon steht als internationaler grosser Mitbewerber im Feld, an ihm richten wir uns auch aus. Deswegen hat unsere Cross-Channel- Strategie mit einem dichten Filialnetz auch eine so hohe Priorität, denn das ist etwas, das Amazon nicht bieten kann. Als nationale Mitbewerber sehen wir vor allem stationäre Händler wie Thalia und Weltbild, Interdiscount oder Mediamarkt, je nach Warengruppe.

Wie viel haben Sie in den letzten Jahren in die IT investiert?

Wir haben in den letzten Jahren etwa 2,5 Millionen Franken pro Jahr investiert, nicht nur in die IT, sondern generell. Mittlerweile haben aber die Investitionen in die IT 50 Prozent dieses Betrags überschritten. Ich glaube, dass die Komplexität der IT zunimmt, auch wenn man noch so sehr versucht, das Ganze logisch und einfach aufzustellen. So wie eine Verlagerung bei den Umsätzen stattfindet, muss auch eine frühzeitige Verlagerung bei den Investitionen stattfinden.

Wie werden sich diese Investitionen in Zukunft entwickeln?

Da gibt es sicher zwei Aspekte. Einerseits ist da die technische Entwicklung. Dort müssen wir die Nase vorn haben, nicht zuletzt, weil wir mittlerweile das Image eines technischen Innovators haben. Andererseits haben wir die Produkte und die Neuentwicklungen und wir wollen auch die Dienstleistungen für die Kunden stets verbessern. Wenn Sie ein IT-Projekt planen, reicht es nicht, die aktuellen Bedürfnisse zu erfassen. Die Kunst ist es, alle Eventualitäten aufzugreifen, weil sich die Bedürfnisse laufend verändern. Wir sind ein KMU, das selbstfinanzierte Investitionen tätigt und in einem harten internationalen Umfeld kämpft. Daher ist es elementar, dass wir die Investitionen in unsere Zukunft so tief wie möglich halten können.

Haben Sie Ihre IT-Abteilung in den letzten Jahren ausgebaut?

Wir sind gerade daran, unsere IT-Abteilung auszubauen. Dennoch haben wir dort nur wenige Leute, da wir vorwiegend mit externen Partnern zusammenarbeiten. Das hat den Vorteil, dass wir uns auf unsere Kernkompetenz konzentrieren können. So bleiben wir auch viel flexibler.

Welche Aufgaben übernimmt Ihre IT-Abteilung und welche die externen Partner?

Die Entwicklung neuer Ideen und die Projektleitung haben wir inhouse behalten, aber die Umsetzung, also auch die Softwareentwicklung, übernehmen unsere Partner. Wir setzen uns also mit den Partnern an einen Tisch und klären ab, was möglich ist und was nicht. Abhängig von der Dauer und den Kosten für die Umsetzung entscheiden wir uns für oder gegen ein neues Projekt.

Wie würden Sie Ihre Partner beschreiben?

Es sind langjährige Partner, die von Beginn an dabei waren und quasi unsere DNA in sich tragen. Das spart uns viel Zeit und Geld. Sie arbeiten in die gleiche Richtung wie wir, was sehr wertvoll ist.

Befinden sich die Partner in der Schweiz oder im Ausland?

Sie sind in der Schweiz.

Wie wichtig ist für Ex Libris der Mobile-Markt?

Der ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Mittlerweile liegt der Anteil der mobilen Bestellungen bei 10 bis 11 Prozent. Das sind die Bestellungen, die über die App reinkommen. Anhand des Browser-Typs sehen wir zudem, ob unsere Kunden mobil auf unsere Website zugreifen oder über einen Desktop-PC. Auch da haben wir festgestellt, dass der mobile Anteil relativ hoch ist, also auch über 10 Prozent. Deswegen hat für uns eine mobile-optimierte Website eine hohe Priorität. Wenn ich den Umsatz zusammenzähle, der über die App und über mobile Browser hereinkommt, liegen wir deutlich über 20 Prozent, Tendenz steigend.

Wie wird sich der Mobile-Bereich in den nächsten Jahren entwickeln?

Ich glaube, dass er in fünf Jahren etwa grösser oder gleich 50 Prozent sein wird. Wenn man sich die Umsatzzahlen von PCs, Notebooks, Tablets und Smartphones ansieht, sieht man eine Verlagerung hin zu mobilen Geräten. Daher wird es auch beim Traffic eine ähnliche Verlagerung geben, rein aufgrund der neuen Geräte, die auf den Markt kommen.

Wie viele Nutzer haben sich auf Ihrer Website registriert?

Wir haben über 250 000 App-Downloads sowie eine knapp siebenstellige Zahl von Nutzern, die bei uns registriert sind und über ein Konto verfügen. Über die Hälfte der Besucher unserer Website hat auch ein Konto bei uns.

Sind Sie mit diesen Nutzerzahlen zufrieden?

Ich bin mit den Nutzerzahlen nie zufrieden (lacht).

Wie können Sie diese steigern?

Wir müssen aufzeigen, wie registrierte Nutzer von den Möglichkeiten von Cross-Channel profitieren können. Diese Leistung werden wir noch mehr vermarkten, dann können wir sicher auch die Zahl unserer registrierten Nutzer erhöhen.

Unterscheiden Sie eigentlich zwischen weiblichen und männlichen Nutzern? Oder Altersgruppen?

Nein, wir machen relativ wenige Auswertungen. Wenn man eine Statistik erstellt, muss man nicht nur etwas daraus gewinnen, sondern das auch umsetzen können. Momentan konzentrieren wir uns lieber auf andere Dinge, als uns in den Details des Mikromarketings zu verlieren. Konkret messen wir unseren Warenkorb und unsere Konversionsrate, und wir messen, aus welchen Kanälen wir am meisten Umsatz generieren. Solange sich das alles erfreulich entwickelt, gehen wir nicht weiter ins Detail, sondern fragen uns lieber, wie wir unsere Dienstleistungen für den Kunden ausbauen können.

Wie stehen Sie zu Windows 8?

Wir haben eine Windows 8-App, aber aufgrund der Umsatzzahlen und der Entwicklung von Windows 8 bauen wir diese derzeit nicht weiter aus.

Was heisst das konkret?

Im Vergleich zu den anderen Plattformen wie Android oder iOS sind die Downloadzahlen bei Windows 8 verhältnismässig klein. Die genauen Prozentzahlen kann ich Ihnen aber gerade nicht nennen.

Wie nutzen Sie soziale Medien wie Twitter und Facebook?

Am häufigsten nutzen wir Twitter und Facebook, aber nicht als Verkaufskanal. Twitter ist so etwas wie eine Ergänzung zum Kundendienst. Wenn sich Kunden über etwas beschweren, können wir dort sehr schnell reagieren und Probleme abfangen oder zumindest abfedern. Solche Dialoge sind wertvoll und helfen bei der Kundenbindung. Für unsere schnelle Reaktion auf Twitter erhalten wir übrigens auch viele Komplimente. Facebook hingegen ist eher für das Atmosphärische gedacht, also welche Produkte wir mögen, beispielsweise.

Wie viele Mitarbeiter kümmern sich um Social Media?

Wir haben zwei Mitarbeiter, die sich mit 20 Stellenprozenten darum kümmern. Sie machen das sehr gut und sind auch sehr empathisch.

Wo liegen die Grenzen von Social Media?

Social Media soll nicht zum Kundendienst werden, dafür ist es nicht gedacht. Es soll eher eine weitere Anlaufstelle für den Kunden sein, die einfache Auskünfte und Hilfestellungen geben kann. Komplexere Anfragen übernimmt dann der Kundendienst. Wir schalten auch keine Werbung auf Facebook und veranstalten keine Bon-Aktionen wie andere. Wir halten nichts davon, Fans einzukaufen und passive Schnäppchenjäger anzulocken. Für uns zählt letztlich die Interaktion mit unseren Kunden.

Was ist Ihre persönliche Motivation?

Ich bin der Meinung, dass ich im Detailhandel einen der spannendsten Jobs habe, die es gibt. Ich komme aus dem stationären Handel und für mich ist es interessant, diese rasche Veränderung von Kundenbedürfnissen mitzuerleben. Diese Veränderung erfordert neue Lösungen. Ich bewege mich gerne in diesem kompetitiven Markt. Die Herausforderung, darin bestehen zu können, nehme ich zusammen mit meinem motivierten Team gerne an.

STICHWORTE

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Im Unternehmen ein Klima zu schaffen, das Raum für eigene Ideen und Innovationen lässt.

Darüber habe ich zuletzt gelacht
Ach, da gibt es viele Anlässe. Lachen ist gesund. Und ich lebe sehr gesund.

Darüber habe ich mich zuletzt geärgert
Die einseitige Berichterstattung über Filialschliessungen, die der Komplexität des Marktes nicht gerecht wird und ausblendet, dass wir uns auf das veränderte Konsumverhalten ausrichten.

Heute in zehn Jahren
Konsumieren wir immer noch Unterhaltungsmedien. Heute zu sagen, wie und mit welchen Technologien das geschieht, käme einem Blick in die Kristallkugel gleich.

ZUR FIRMA

Ex Libris ist eine Tochter der Migros und gehört als unabhängige Gesellschaft zum Departement Handel. Der Schweizer Mediendiscounter beschäftigt rund 420 Mitarbeiter und hat 2012 einen Nettoumsatz von 154 Millionen Schweizer Franken erwirtschaftet. Das Angebot umfasst Bücher, Musik Filme, Games und Software sowie Unterhaltungselektronik und Zubehör. Mit Cross-Channel bietet Ex Libris seinen Kunden die Möglichkeit, in allen Filialen, im Onlineshop, mit der Mobile App, per Telefon-Bestellservice und seit Mai 2013 auch auf dem Samsung-Fernseher mit der Smart-TV-App Angebote aus dem gesamten Sortiment zu bestellen und sich diese portofrei liefern zu lassen. In der Deutschschweiz ist der Mediendiscounter mit einem flächendeckenden Netz von 107 Filialen (Stand 1. Januar 2013) für seine Kunden da. Der Medien-Onlineshop www.exlibris.ch ist mit mehr als 6 Millionen Artikeln der grösste der Schweiz. Bereits jeder zehnte Onlineeinkauf wird mobil über die Ex-Libris-App abgewickelt, Tendenz steigend.

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