E-Gov Fokus 2013

Umdenken, nicht den Kopf in den Sand stecken

Uhr | Aktualisiert

Am heutigen E-Gov-Fokus diskutierten Branchenvetreter, wie man Schwierigkeiten bei E-Government-Projekten begegnen und aus dem Weg räumen kann.

Christian Weber, Leiter E-Government für KMU beim Staatssekretariat für Wirtschaft, sprach über die SuisseID. (Quelle: Netzmedien)
Christian Weber, Leiter E-Government für KMU beim Staatssekretariat für Wirtschaft, sprach über die SuisseID. (Quelle: Netzmedien)

Am E-Government Fokus trafen sich heute rund 80 Vertreter aus Verwaltung und Wirtschaft in Bern, um über Schwierigkeiten und Lösungen bei der Zusammenarbeit von E-Government-Projekten zu diskutieren. Unter dem Motto "Kollaboration, Koordination und Stakeholder-Management" sprachen unter anderem die wohl drei bekanntesten Vertreter der Schweizer E-Government Szene: Reinhard Riedl, Leiter des E-Government Instituts der Berner Fachhochschule, Stephan Röthlisberger, Leiter der Fachstelle E-Government und Christian Weber, Leiter E-Government für KMU beim Staatssekretariat für Wirtschaft.

Riedl sprach in seinem Referat über die Schwierigkeiten, ein E-Government-Projekt zwischen autonomen Parteien durchzuführen, "einem Setting, wie wir es in der Schweiz oft antreffen". Stakeholder Management sei, so Riedl, unangenehme Situationen in Angriff zu nehmen und Konflikte zu bereinigen. Dabei gehe es primär darum, zu wissen, wer ein geplantes Vorhaben verhindern könnte und von wem in einer Krise Hilfe zu erwarten sei.

Probleme erkennen, Gegner involvieren

Dabei gibt es aber einen Haken: "Die Antworten auf diese Fragen sind meist naiv oder falsch", so Riedl. So gibt es beispielsweise mehr Gegner, als man meinen könnte. Diejenigen, die sich vor Veränderungen oder vor Mehrarbeit fürchten sowie diejenigen, die Angst haben, die Kontrolle zu verlieren, sind nur ein Teil davon. "Man kann nicht einfach recht haben und seine eigene Sichtweise durchziehen wollen", gibt Riedl zu bedenken.

Vielmehr gehe es im Stakeholder Management darum, alle Probleme eines Projektes zu erkennen und die Gegner zu involvieren. Es gelte, Vertrauen aufzubauen und das dauere seine Zeit. Nicht zuletzt gehe es bei Kritik nicht unbedingt darum, die Gegner zu überzeugen, sondern vielmehr die Zuschauer, die den Konflikt beobachten. Es brauche Vernunft und Respekt. Das Problem dabei: "Echte Vernunft ist unpopulär", so Riedl.

Wohin geht die SuisseID?

Christian Weber verfolgte bei seinem Projekt, dem Ausarbeiten eines Industriestandards für die SuisseID, eine andere Methode als Riedl. Ihm stand 2010 für seine Aufgabe nicht viel Zeit zur Verfügung, bevor seine damalige Chefin Doris Leuthard das Departement wechselte. "Ich habe versucht, immer schneller zu sein als diejenigen, die etwas dagegen haben könnten", meinte er schmunzelnd. Sich nachher zu entschuldigen sei viel einfacher gewesen, als vorher zu fragen, ob alle mit seinem Vorgehen einverstanden waren.

"Es braucht Commitment, Kooperation, man muss bereit sein, Risiken einzugehen und vor allem schnell sein", zählte er auf. Zudem brauche es ein straffes Controlling, denn ein schneller Zug sei auch schnell auf Abwegen.

Nach Webers Referat meldete sich ein Zuschauer zu Wort und wollte wissen, warum die SuisseID in der Schweiz so wenig populär sei. Man könnte doch zum Beispiel bei Login-Verfahren für die Verwaltung nur die SuisseID zulassen, statt eines normalen Logins mit Passwort und Benutzername. Dann nämlich würde der Einsatz der SuisseID sprunghaft ansteigen. "Ich bin vollkommen einverstanden", sagte Weber. Leider verhindere aber unser Föderalismus ein solches Vorgehen. "Wir können die Kantone nicht zu einem solchen Vorgehen zwingen. Wir können höchstens versuchen, sie davon zu überzeugen". Und genau das versuche er auch.

Um die Ecke denken

Stephan Röthlisberger lobte in seinem Referat das Vorgehen in der Schweiz. Bei uns würden die Vorhaben in den verschiedenen Fachbereichen umgesetzt, nicht "weit oben" beim Bund. "Diese Strategie bringt uns weiter, da wir so auch näher bei den Stakeholdern sind", sagte er. Als Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit erwähnte er die Registerharmonisierung in der Schweiz. Das Bundesamt für Statistik (BFS) musste für dieses Projekt mit den Gemeinden zusammenarbeiten. Dabei ergaben sich Probleme, weil nicht jede Gemeinde die Konfession ihrer Gemeindemitglieder in ihren Registern führt. Auch die Insassen von Strafanstalten würden nicht von der Gemeinde geführt.

Also musste das BFS zusammen mit den Gemeinden "um die Ecke denken" und technische oder organisatorische Lösungen finden. Ziel dabei war, Standards zu finden, die für alle umsatzbar waren. Die Beteiligten hätten sich in so einem Fall querstellen können, gibt Röthlisberger zu bedenken. Schliesslich habe diese Zusammenarbeit für alle Mehraufwand gebracht. Und der Nutzen habe sich erst viel später gezeigt. Dennoch seien die Lösungen oft ganz einfach gewesen. "Hätte man aber nur die ursprüngliche Sichtweise beibehalten, hätte man diese Lösung nie gefunden", so Röthlisberger.

Erfahrungsberichte aus dem Ausland

Anschliessend an die drei Schweizer Referenten kamen auch unsere geografischen Nachbarn zu Wort: Peter Mertens, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Uni Erlangen-Nürnberg sprach über Schwerigkeiten mit IT-Projekten der öffentlichen Verwaltung und Arthur Winter von der Donau Universität Krems sprach über Erfolgsfaktoren komplexer E-Government-Projekte. Der Nachmittag war weiteren Referaten gewidmet und schloss mit einem Apéro.