KMUs und die Cloud

Wohin der Weg führt

Uhr | Aktualisiert
von Janine Aegerter

Cloud Computing ist in aller Munde, doch können KMUs auch von diesem Hype profitieren? Ja, sagen KMU-Anbieter, die sich auf die Bedürfnisse kleinerer Unternehmen spezialisiert haben.

Cloud-Lösungen sollen Unternehmen helfen, schlanker, effizienter und flexibler zu werden. Grossunternehmen haben im Normalfall eigene IT-Abteilungen, die sich darum kümmern und abklären, ob sich die Cloud lohnt oder nicht. Aber wie steht es um KMUs, vor allem um kleine? «Man merkt schon, dass das Thema Cloud zwischenzeitlich auch bei den KMUs angekommen ist», sagt Roland Jung, Senior Sales bei Steffen Informatik. Auch ein Kleinbetrieb könne sich mittlerweile etwas unter Cloud Computing vorstellen und sei offen dafür. Noch vor wenigen Jahren hätten sich KMUs höchstens vereinzelt dafür interessiert.

Ein KMU, das praktisch seine ganze Infrastruktur in der Cloud speichert, ist das Berner Softwareunternehmen 4Teamwork. Ein Netzwerk mit einem hauseigenen Fileserver hat das Unternehmen nicht, wie CEO Bernhard Bühlmann erklärt. Das hat auch praktische Vorteile: «Falls unsere Büroräumlichkeiten abbrennen würden, hätten wir nur den Datenverlust der Geräte, aber wir haben keine produktiven Server bei uns», so Bühlmann.

Nachteile und Vorteile der Cloud

Oft arbeiteten die Mitarbeiter mit Google Docs, auch «wenn das etwas heikel ist wegen der Cloud», wie Bühlmann zu bedenken gibt. So werden Offerten und Kalkulationen über Google Docs erstellt und dann nach der Bearbeitung in der eigenen «Teamraum»-Cloud online gespeichert, aber nur, «weil wir bisher nichts Besseres gefunden haben».

Die stetige Suche nach möglichen Verbesserungen ist bei 4Teamwork schon fast zur Unternehmenskultur geworden. «Wir brauchen Software, die unsere Probleme einfach löst», fasst Bühlmann zusammen. Er gebe auch gerne Geld aus, wenn seine Mitarbeiter das Gefühl hätten, dass eine bestimmte Software ihnen bei der Arbeit helfe. Das Unternehmen legt dabei sein Augenmerk primär auf Open Source Tools.

Als Beispiel für die neueste Entdeckung nennt Bühlmann Github, eine webbasierte Entwicklerplattform. Vorher habe das Team mit Subversion gearbeitet und es auch selbst gehostet. «Der einzige Nachteil ist, dass es jetzt nicht mehr bei uns gehostet ist, das heisst, der Quellcode ist in der Cloud, wenn auch passwortgeschützt», so Bühlmann. Dennoch überwiegen die Vorteile: «Unsere Entwickler waren völlig begeistert, und nun haben wir unsere ganze Entwicklung in die Cloud transferiert. Das bringt auch einen Boost bezüglich Produktivität, und die Mitarbeiter sind zufrieden, weil sie ihre Idee einbringen konnten.»

Auf die Frage, was er anders machen würde, wenn er seine Infrastruktur neu aufbauen könnte, muss Bühlmann nicht lange überlegen. «Die Telefonie ist bei uns das grösste Problem. Wir haben eine VoIP-Lösung, aber die ist nicht zuverlässig und unterbricht manchmal.» Das Ganze sei noch eine «Baustelle». Denn das habe auch schon zu unzufriedenen Kunden geführt, weil beispielsweise die Leitung mitten im Gespräch unterbrochen wurde.

Cloud ist nicht alles

Auch Büro Schoch Direct, ein KMU, das seine Kunden mit Büro- und Schulmaterial jeglicher Art beliefert, sieht die Vor- wie auch die Nachteile der Cloud. Für die Kassenlösung der eigenen Papeterie setzt das Unternehmen neu eine Cloud-Lösung ein, wie Oliver Hottiger, Leiter Administration und Mitglied der Geschäftsleitung, sagt. Diese sei wesentlich günstiger, zudem biete sie eine grössere Ausfallsicherheit, sagt er.

Das ERP und die Office-Lösung hingegen will das Unternehmen derzeit nicht in die Cloud verlagern. Die Geschäftsleitung habe zwar einen Wechsel auf Office 365 ins Auge gefasst, habe es aber letztlich doch verworfen, weil es sich im Vergleich zur herkömmlichen Office-Lösung auf Dauer nicht rechnen würde, so Hottiger. Hinzu kommen Fragen zur Zugriffssicherheit (was passiert, wenn die eigene Internetverbindung mal down ist?) sowie die Datensicherheit. Auch das ERP-System hat Büro Schoch nicht in der Wolke, weil der ERP-Anbieter zwar keine Cloud-, dafür aber eine sehr performante Lösung bietet.

KMUs für KMUs

Sind einmal die Vor- und Nachteile einer Cloud-Lösung abgewogen, sollte ein KMU auch einen Anbieter finden, der sich auf KMUs spezialisiert hat. Denn KMUs funktionieren anders als Grossunternehmen, wenn es darum geht, beispielsweise neue Software einzusetzen.
So treffen KMUs grundsätzlich schneller Entscheidungen als Grossunternehmen. Das weiss Solvaxis-CEO Pierre-Alain Schnegg: «Im Gegensatz zu grösseren Unternehmen erstellen kleine KMUs nicht erst ein Pflichtenheft. Stattdessen gehen sie dabei ähnlich vor wie private Nutzer, die nach Software suchen, also nach dem Try-and-Buy-Prinzip.»

Auch bei den Kriterien, die zu einem Kaufentscheid führen, funktionieren KMUs anders. «KMUs wollen keinen Berater im Haus, der für drei bis vier Tage vorbeikommt, um die Mitarbeiter auf die Sofware zu schulen», so Schnegg. Weitere Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen, sind gemäss Schnegg der Preis und die Einfachheit der Lösung. Auch müsse die Software flexibel sein, da sich kleine Unternehmen nicht für fünf oder zehn Jahre binden wollten. «Es muss ‹out of the box› sein, ein KMU will das testen und sofort benutzen», so Schnegg. Zudem wollten sich Kunden kleiner Unternehmen nicht um die Software kümmern oder sie weiterentwickeln müssen.

Speziell für Kleinbetriebe

Diese Kriterien hat Solvaxis berücksichtigt, als das Unternehmen vor rund 15 Monaten mit «Amanda» eine neue ERP-Cloud-Software speziell für kleine KMUs mit bis zu 30 Mitarbeitern lancierte. Wenn es ein Update gibt, sind laut Schnegg alle Kunden automatisch auf dem neuesten Stand. Zudem könne der Kunde die Software sofort nutzen. Dafür muss er die Software nehmen, wie sie ist, und kann keine Individualentwicklung anbringen. Allerdings werde die Software laufend erweitert und an die gesetzlichen Anforderungen angepasst. Inputs zum Handling oder zu fehlenden Funktionalitäten von Kunden und Partnern werden laut Schnegg geprüft und nach Möglichkeit im Standard umgesetzt.

Solvaxis bietet neben «Amanda» noch ein weiteres ERP-Produkt aus der Cloud an. Dieses ist für mittlere bis grosse Unternehmen mit 30 bis 500 Mitarbeitern geeignet. Warum hat das Unternehmen eine Software speziell für kleine Unternehmen lanciert? «Wir haben zuvor den Markt analysiert und festgestellt, dass es in der Schweiz eine Marktlücke bei KMU-Cloud-Software gibt», erklärt Schnegg. Auch Solvaxis habe damals mit seinem Portfolio kleinere Firmen nicht bedienen können. «Aber letztlich müssen auch kleine Unternehmen ihre Buchhaltung führen», gibt er zu bedenken.

Kunden online gewinnen

Seit rund 15 Monaten ist die neue Software nun auf dem Markt, derzeit nutzen ein paar hundert Anwender Amanda. Wie hat Solvaxis diese gewonnen? Das Unternehmen macht die Kundenakquisition laut Schnegg vor allem online, also mit Blogs und der Hilfe sozialer Netzwerke. Grössere Unternehmen hingegen könne man eher mittels Veranstaltungen erreichen, stellt Schnegg fest. Allerdings gebe es immer weniger grosse IT-Messen, die man überhaupt besuchen könnte. Daher seien auch Kunden von grösseren Unternehmen immer mehr online orientiert.

Auch IT-Dienstleister Steffen Informatik konzentriert sich mit seinen Cloud-Dienstleistungen primär auf KMUs. Hauptgrund dafür sind wie bei Solvaxis die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse von Grossunternehmen und kleinen Firmen. Wolle ein KMU seine IT erfolgreich in die Cloud auslagern, sollte das Unternehmen darauf achten, dass der Anbieter die KMU-spezifischen Bedürfnisse auch wirklich versteht, sagt Roland Jung von Steffen Informatik. «Der Anbieter muss das KMU verstehen und umgekehrt, sonst geht das schief», so Jung.

Der IT-Dienstleister zählt Grossunternehmen und KMUs zu seinen Kunden und bietet «alles aus einer Hand», wie Jung betont. Das sei ein grosser Vorteil: «Ein Vertreter eines KMU will nicht zehn Ansprechpartner haben. Wenn er in die Cloud will und beispielsweise gleichzeitig eine Businessapplikation evaluiert, können wir ihm beides bieten.»

Auch Hottiger bestätigt, wie wichtig es ist, einen Dienstleister zu haben, der selbst ein KMU ist: «Wir arbeiten vorwiegend mit kleineren IT-Anbietern aus dem In- und Ausland zusammen. Mit diesen Partnern haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht, da diese optimale Lösungen zu vernünftigen Kosten anbieten.» Natürlich bestehe bei einem kleineren IT-Anbieter das Risiko, dass man ihn wegen Geschäftsaufgabe oder dem Austritt einer Schlüsselperson verliere, gibt Hottiger zu bedenken. Dennoch ziehe Büro Schoch die Zusammenarbeit mit kleinen IT-Anbietern einem Grossunternehmen vor.