Ricardo über seine Big Data Strategie

"Das Thema Big Data entstand faktisch aus der Teilchenphysik"

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Daten gelten als der neue Rohstoff für Dienstleistungen, Produkte und mehr Umsatz. Diesen Schatz will der Online-Marktplatz Ricardo heben und hat mit Frank Block die neu geschaffene Stelle des Chief Data Scientist besetzt. Im Kurzinterview erklärt Simon Marquard, Head of Communication bei Ricardo.ch, die Hintergründe zur Ankündigung.

Ricardo.ch hat mit Frank Block einen Spezialisten für Teilchenphysik engagiert. Was hat Teilchenphysik mit Big Data und E-Commerce gemein?

Simone Marquard, Head of Communication, Ricardo.ch: Das Thema Big Data entstand faktisch aus der Teilchenphysik, weil dort der Bedarf für die Analyse von grossen Datenmengen schon immer sehr hoch war. Frank Block bringt zudem eine hohe Kompetenz mit in den Bereichen Big Data Management, Customer Intelligence, Data Mining, CRM und Business Intelligence. Er hat zahlreiche Unternehmen in der Vergangenheit in diesen immer wichtiger werdenden Themenfeldern beraten.

Wie sieht Herrn Blocks persönliche Vision einer Big-Data-Strategie aus? Was treibt ihn dabei persönlich an?

In der heutigen Informationsgesellschaft stellen Daten zunehmend den "neuen Rohstoff" dar, der Unternehmen vorantreibt. Dies geschieht allerdings nur in dem Masse wie diese Daten veredelt werden. Also in dem Masse, in dem man es als Unternehmen schafft, aus Rohdaten auch wirklich unternehmenskritische und entscheidungsrelevante Information zu gewinnen. Dieser Prozess bedingt, grosse Datenmengen effizient zu managen, deren Qualität zu kontrollieren und zu verbessern und mittels Einsatz statistischer Methoden schliesslich jene Erkenntnisse zu erlangen, die uns helfen, unsere Kunden besser bedienen zu können.

Welche Daten wird Herr Block bei Ihnen auswerten und wie wird er das konkret machen?

Frank Block hat gerade erst bei Ricardo.ch begonnen und ist im Moment mit dem Aufbau seines Teams beschäftigt, darum ist es noch zu früh, dies zu beantworten. Ein wichtiges Ziel ist jedoch sicherlich die zukünftige Personalisierung des Online-Marktplatzes sowie einen einfacheren und schnelleren Austausch zwischen den Marktteilnehmern zu ermöglichen.

Wie sieht das Team heute aus und wie soll es nach dem Aufbau aussehen?

Frank Block wird das bestehende Team von Business Analysten und Data-Warehouse-Experten zentralisieren und mit neuen Mitarbeitern im Bereich Advanced Analytics und Big Data erweitern. Die genaue Struktur ist noch zu definieren.

Was für Mitarbeiter suchen Sie?

Wir benötigen vor allem Mitarbeiter, die bereits über grosse Erfahrung in den Bereichen E-Commerce, Retail und komplexe Internet-Applikationen mit hohem Traffic verfügen. Sie müssen auf jeden Fall ein starkes Interesse an Business-Fragestellungen haben sowie über einen technisch und analytisch starken Background verfügen. Die Fähigkeit "Daten zum Sprechen zu bringen" ist wichtig. Daten müssen verstanden, interpretiert, verarbeitet und transformiert werden. Hierzu benötigt man natürlich Fähigkeiten aus den Bereichen Datawarehouse, Extract-Transform-Load, Datenbanken, SQL für die Datenverarbeitung sowie Statistikkenntnisse und die Fähigkeit zur Entwicklung von Reports und Analysen.

Finden Sie derzeit überhaupt genügend Fachkräfte?

Es ist nicht ganz einfach, passende Fachkräfte für diese hochspezialisierten Berufe zu finden, wir sind jedoch zuversichtlich. Bei Ricardo.ch bieten wir ein spannendes Berufsumfeld mit vielen Freiheiten in der täglichen Arbeit an und dies in einer zukunftsträchtigen Branche.

Was versprechen Sie sich eigentlich von Ihrer Big-Data-Strategie? Um wieviel Prozent könnte Ihr Umsatz steigen?

Wir verfolgen vorerst keine konkreten Umsatz-Ziele und können hierzu im Moment noch nichts sagen. Es ist jedoch ein wichtiger Teil unserer Unternehmensstrategie.

Inwiefern?

Eine auf Daten basierte Personalisierung verbessert die Performance eines Online-Marktplatzes. Die Mitglieder finden bei den rund 700'000 gelisteten Artikeln letztlich schneller zu den für sie relevanten Angeboten. Damit lässt sich die Konversionsrate steigern, die nicht nur für jeden Online-Shop ein zentraler Performance Indikator ist, sondern auch für jeden Marktplatzteilnehmer. Die Koversionsrate beschreibt wie viele Besucher der Seite erfolgreich einen Kauf abschliessen.

Was bedeutet die angekündigte Strategie wiederum für Ihre Kunden?

Ricardo.ch wird sich nicht von heute auf morgen radikal ändern, denn die Plattform verfügt über viele langjährige und treue Mitglieder. Mit der Personalisierung wird die Seite für die Besucher jedoch deutlich relevanter. Beispielsweise werden Mitgliedern, die vor allem neue Artikel suchen, solche Artikel prioritär dargestellt. Eine für uns sehr wichtige Entwicklung findet zudem im Bereich der mobilen Geräte statt. Der Traffic-Anteil von mobilen Geräten ist bei Ricardo.ch bereits bei rund 43 Prozent angelangt. Auf kleineren Displays ist die Anzeige von relevanten Angeboten und die gezielte Benutzerführung nochmals um einiges wichtiger als etwa auf dem grossen Büro-Desktop.

Widerspricht Ihre Big-Data-Auswertung nicht dem Datenschutz Ihrer Kunden?

Nein, wir sehen dies nicht als Widerspruch. Der Datenschutz unserer Mitglieder behandeln wir nach wie vor mit grösster Vorsicht und werden dies auch in Zukunft tun. Schlussendlich ist das Vertrauen der Mitglieder in eine Plattform auch eine der wichtigsten Währungen im Online-Bereich.

Verkaufen Sie die Daten Ihrer Kunden und die Auswertungen aus Ihren Analysen auch an Dritte, etwa Werbetreibende?

Nein, es werden keine Daten oder Analysen an Dritte weitergegeben.

Big-Data-Projekte gelten als kostspielig. Welches Volumen hatte ihr Big-Data-Projekt? Oder anders gefragt: Wieviel lässt sich Ricardo sein Big-Data-Projekt kosten?

Als Digitalunternehmen spielten Daten schon immer eine wichtige Rolle, darum ist Big Data bei uns auch nicht als Projekt angelegt. Deshalb können wir die Frage nach den Kosten so auch nicht beantworten.

Wie beziehen Sie ihre Hard- und Software für Ihre Big-Data-Systeme, direkt bei den Herstellern oder über den Fachhandel?

Frank Block muss sich zuerst noch einarbeiten und sein Team aufbauen. In einem zweiten Schritt wird man die aktuellen und relevanten Tools genauestens evaluieren, darum kommt diese Frage etwas zu früh.

Bis wann werden Sie Ihre Planungen umgesetzt haben?

Nach einer ersten Diagnose- und Konzeptionsphase, im Prinzip sobald das Team von Frank Block steht. Die Umsetzung wird voraussichtlich im Sommer beginnen.