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"IT ist ein absoluter Schlüsselfaktor für die Reisebranche"

Uhr | Aktualisiert
von George Sarpong

Pablo Castillo leitet seit Ende des letzten Jahres die IT-Abteilung der Hotelplan-Gruppe. Im Interview erklärt der CIO, wie die Hotelplan Group auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagiert und weshalb Angebote wie Airbnb auch neue Geschäftschancen für die Hotelbranche eröffnen können.

(Quelle: Hotelplan)
(Quelle: Hotelplan)

Sie sind seit November des letzten Jahres CIO der Hotelplan-­Gruppe. Wie haben Sie die Abteilung vorgefunden?

Pablo Castillo: Vor meiner Übernahme der Abteilungs­leitung habe ich vier Jahre lang in der IT-Abteilung gearbeitet, davon zwei Jahre im IT-Management. Überraschungen fand ich deshalb keine vor. Auch Baustellen gab es keine. Im Gegenteil, wir sind ein eingespieltes Team. Wir haben einen guten Mix aus langjährigen und jungen Mitarbeitern.

Aber in den vier Jahren haben Sie doch sicher auch einige Dinge gesehen, die Sie verbessern oder weiterentwickeln möchten?

Das ist richtig. Innovationen sind mir ein grosses Anliegen. Deshalb habe ich Anfang des Jahres auch die neue Stabsstelle Digital Business Development gegründet.

Was sind die konkreten Ziele dieser Abteilung?

Es ist eine Konzeptschmiede. In ihr sollen neue Ideen für das Business entwickelt werden, bei denen IT ein inte­graler Bestandteil sein wird. Das Problem ist, dass wir immer wieder gute Ideen haben und viel Know-how besitzen. Leider fehlt uns im Arbeitsalltag häufig die Zeit, diese Ideen zu verfolgen. Deshalb gründeten wir die neue Einheit. Die Konzepte, die dort entwickelt werden, werten wir anschliessend aus und versuchen, die besten, etwa über Workshops, in unseren Arbeitsalltag zu integrieren.

Wie wird die IT der Hotelplan-Muttergesellschaft Migros organisiert? Wird die IT zentral geleitet, oder wirtschaften die einzelnen IT-Abteilungen für sich?

Wir arbeiten möglichst zentral und bieten ein grosses Portfolio an Services an. Für die Koordination mit Migros tauschen wir uns auch einmal pro Quartal zwischen den IT-Abteilungen der Migros-Töchter aus.

Welche Vorteile bringt Ihnen diese Organisationsform?

Wir bei der Hotelplan-Gruppe sind Kinder der Migros. Das hat auch Vorteile, etwa bei der Beschaffung von Hardware oder beim Erwerb von Softwarelizenzen. Durch unsere grossen Volumen können wir von Skaleneffekten profi­tieren.

Wie hoch ist Ihr Outsourcing-Grad?

Wir erbringen viele Leistungen selbst. Die Hälfte unserer IT-Mannschaft führt Services für das Business aus. Hierzu zählen Dienstleistungen in den Bereichen Datenmanagement oder First-/Second-Level-Support. Wir sind der Meinung, dass der Support eine unserer Kernkompetenzen darstellt. Das ist auch dadurch bedingt, dass viele unserer Systeme Eigenentwicklungen sind. Ein grosser Teil unserer Systeme sind ERP-Systeme – und das sind alles Eigenentwicklungen. Diese werden intern betreut. Dort, wo es aus unserer Sicht sinnvoll ist, lagern wir Prozesse aber aus. Ein Teil unserer Webentwicklung wird Nearshore durchgeführt. Dennoch beschäftigen wir bei uns im Unternehmen zehn Webentwickler. Trotz des hohen Anteils an eigenen Webentwicklern sind wir kosteneffizient aufgestellt. Das ist einer unserer Assets.

Wie sehr spüren Sie den Spardruck?

Der Entscheid der SNB, den Euro-Mindestkurs aufzuheben, hat den Spardruck erhöht. Wir arbeiten kostensensitiv. Dennoch schaffen wir es, viel Mehrwert für unser Unternehmen zu generieren. Insbesondere, wenn man die Anzahl Nutzer betrachtet. Wir unterhalten neben unserem Headquarter in der Schweiz 123 Filialen, weltweit sind wir in 17 Ländern vertreten. Die meisten Systeme, besonders die teuren, können wir zentral managen und die Kosten auf die verschiedenen Standorte verteilen. Wir haben nicht zig Systeme im Einsatz, sondern konsolidieren die Systeme dort, wo wir können, und distribuieren die Leistungen zentral. Darüber hinaus investierten wir in den letzten Jahren stets in neue Webtechnologien. Diese haben sich bezahlt gemacht. In einem Leistungsbenchmark, in dem IT-Abteilungen verschiedener Unternehmen in der Reisebranche verglichen werden, stehen wir sehr gut da.

Welche Bedeutung haben Web- beziehungsweise IT-Technologien für die Reisebranche?

Im Prinzip funktioniert unser Produkt rein virtuell. Unsere Kunden kaufen bei uns quasi Daten. Daraus folgt, dass die Reiseindustrie datengesteuert wirtschaftet. IT ist daher ein absoluter Schlüsselfaktor für unsere Branche. Die Margen in unserer Branche bewegen sich zwischen 1 und 3 Prozent. Ohne eine effiziente IT könnte das Business gar nicht aufrechterhalten werden.

Sie sprechen von Daten. Ist Big Data ebenfalls ein Thema für Sie?

Noch nicht in grossem Stil. Dort, wo es sinnvoll ist, bauen wir Lösungen für unsere Businessabteilungen. Andererseits ist Big Data auch ein Modewort. Big-Data-Projekte sollen Fragen beantworten. Zuvor müssen sich die Abteilungen auf der Businessseite aber erst überlegen, was sie überhaupt herausfinden wollen. Ansonsten ergeben sich Datengruben, aus denen sich kein Mehrwert ergibt. Diese Fragen müssen von den Abteilungen im Unternehmen gestellt werden, die sich mit dem täglichen Business befassen.

Wie entwickelt sich Ihre Datenmenge?

In den letzten fünf Jahren verzeichneten wir ein gewaltiges Datenwachstum. Unsere Datenmenge verdoppelt sich praktisch jährlich. Das sind nur zum Teil unsere Daten. Viele dieser Daten kommen von aussen. Früher gab es einen Tour-Operator. Dieser hat für uns Hotelkapazitäten akquiriert. Heute ist das Sourcing völlig anders. Heute arbeiten wir mit Bettenbanken, die ihre Angebote über unsere APIs in unser System einspeisen. Auf diese Weise können wir gewissermassen mit einer Anbindung 50'000 bis 100'000 Hotels erschliessen.

Wie haben sich die Kundenbedürfnisse im Digitalbereich ­verändert?

Kunden erwarten heute digitale Angebote. Sie wollen aber auch begleitet werden. Zunächst informieren sich viele im Internet, um anschliessend ein Reisebüro aufzusuchen. Die Transparenz in der Branche ist hoch. Unsere Mitarbeiter müssen deshalb gut informiert sein. Wir reagieren auf die veränderten Kundenwünsche durch ergänzende Services, wie etwa WLAN im Reisebüro. Wir stellen übrigens fest, dass wieder mehr junge Menschen ein Reisebüro aufsuchen.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Die Flut an Daten zu Reisezielen, Touristenattraktionen und Hotels nimmt zu. Die Generation Y will deshalb beraten werden. Das ist Teil ihres Lebensstils. Hier sind wir als Begleiter auf dem Weg zum Reiseziel gefragt. Kunden möchten auch das Risiko klein halten, am Ferienort unangenehm überrascht zu werden. Bei Hochzeitsreisen etwa: Wenn etwas passiert, kann hier das Reisebüro helfen. Bei einer Individualreise ist das nicht ganz so einfach. Bei jungen Leuten kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu: die Kreditkartenlimite. Im Reisebüro kann man noch per Rechnung bezahlen. Online geht das nicht überall.

Inwieweit bereiten Ihnen sogenannte disruptive Unternehmen wie Airbnb Sorgen?

Unsere Tochter Interhome spürt die Präsenz von Airbnb am Schweizer Markt natürlich. Beim Thema Disruption ist es aber auch wichtig, sich zu überlegen, welche ­Chancen sich für uns daraus ergeben. Vergleichsplattformen bieten uns auch neue Geschäftsmöglichkeiten. Etwa ­indem Hotelplan Daten an diese Plattformen liefert. Wir können dadurch auch neue Einnahmequellen erschliessen.

Bei Airbnb kann ich unterwegs via Smartphone oder Tablet ein Zimmer buchen. Wie sieht Ihre Mobile-Strategie aus?

Der Kunde will heute sofort eine Reise buchen können. Wir adressieren unsere Kunden auf zwei Arten. Einmal über eine Mobile-Website, und zusätzlich wollen wir Kunden über unsere App abholen. Diese erarbeiten wir derzeit. Über die Website möchten wir unsere Kunden ansprechen und über Angebote informieren. Die App ist als Begleiter gedacht. Über die App werden Kunden am Reiseziel beispielsweise Vouchers für das Hotel aufrufen oder im Reiseführer Restauranttipps aufrufen können. Die App entwickeln wir inhouse in Kooperation mit Near­shoring-Partnern.

Wann werden Sie aufhören, Reisekataloge zu drucken?

Der Reisekatalog wird vermutlich nie ganz verschwinden. Allein die Haptik des Papiers weckt nach wie vor Emotionen. Wir werden also nicht alles digitalisieren.

Welche Social-Media-Strategie verfolgen Sie?

Wir betrachten Social Media grundsätzlich als ein Marketingthema. Wir werben über verschiedene Kanäle. Diese reichen von Facebook und Twitter über Instagram und Google+ bis Xing. Das ist aber nur ein Teil unserer Anstrengungen. Wir pflegen überdies diverse Reiseblogs pro Marke. Leser können sich hier über Reiseziele informieren. Sie erfahren beispielsweise, in welchen Restaurants in London ihre Lieblingsstars essen gehen. Verschiedene Autoren berichten hier beispielsweise für Hotelplan, Travelhouse, Globus Reisen oder Interhome auf persönliche und unterhaltsame Art von Ferienzielen.

Wie sichern Sie Ihre Daten und jene Ihrer Kunden ab?

Wir sichern die Daten unserer Kunden gemäss den Schweizer Richtlinien für den Datenschutz ab. Allerdings arbeiten die meisten unserer Partner und Leistungserbringer im Ausland. Das heisst, wir können nicht immer garantieren, dass diese Anbieter nach unseren hohen Schweizer Standards verwaltet werden. Wir geben daher nur das Minimum an Daten an die Partner weiter. Kreditkartendaten werden wiederum durch externe Dienstleister gepflegt. Somit sind wir in diesem Bereich kein attraktives Angriffsziel. In den letzten Monaten mussten wir nur einen Angriff abwehren. Dennoch ist die IT-Sicherheit auch bei uns ein Dauerthema. Wir haben für unsere IT-Security für dieses Jahr weitere Investitionen geplant. Die Investitionen in die Technik ergänzen wir mit Schulungen der Mitarbeiter. Sie müssen für IT-Sicherheitsrisiken sensibilisiert werden.

Welche weiteren IT-Projekte haben Sie für die Zukunft geplant?

Mein Hauptziel ist es, die IT-Abteilung noch stärker als Businesspartner in unserem Unternehmen zu etablieren. Derzeit haben wir über 20 Projekte in der Pipeline. Projekte sind bei uns Arbeiten, die länger als 20 Tage Zeit erfordern. Hierzu zählen unsere App, die Mobile-Website, aber auch das Sourcing und die IT-Konsolidierung.

Was gefällt Ihnen besonders gut an Ihrem Job?

Ich schätze vor allem den Mix aus IT- und businessrelevanten Themen und suche daher den Kontakt und die Diskussion mit den Mitarbeitern. Die IT wandelt sich zudem permanent mit beeindruckender Geschwindigkeit.

Wie meinen Sie das?

Früher ging es noch um elektronische Datenverarbeitung. Heute sprechen wir von der Digitalisierung ganzer Unternehmen. Überall steckt Informatik drin. Auch in unserem Business. Ein neues Thema sind Wearables. Wer weiss, wohin die Reise noch gehen wird. Das fasziniert mich. Und das Beste daran ist, dass ich jeden Tag etwas Neues dazulernen kann.

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