Interview Impact Hub

"Wir verstehen uns nicht als Arbeitsplatzvermieter, sondern als Innovationsökosystem"

Uhr | Aktualisiert

Der Zürcher Impact Hub ist Teil eines weltweiten Netzwerks an Coworking Spaces. Hinter der Fassade der Arbeitsplatzvermietung findet sich eine aufstrebende Business-Community, wo die verschiedensten Unternehmer zusammenfinden. Der neue Standort am Sihlquai befindet sich momentan noch im Umbau. Chief Storytelling Officer, Céline Tykve und Marketingverantwortlicher Daniel Frei geben Einblicke in diese Gemeinschaft und in ihre Zukunftsvisionen.

Céline Tykve und Daniel Frei vom Impact Hub Zürich auf der Baustelle des neuen Standortes am Sihlquai. (Quelle: Netzmedien)
Céline Tykve und Daniel Frei vom Impact Hub Zürich auf der Baustelle des neuen Standortes am Sihlquai. (Quelle: Netzmedien)

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Swisscom?

Céline Tykve: Swisscom ist einer unserer Partner und der grösste Sponsor im Moment. Als Gegenleistung arbeitet unter anderem ein Team von Swisscom bei uns im Impact Hub und hat hier feste Arbeitsplätze.

Swisscom verfügt also über feste Plätze im Impact Hub?

Tykve: Sobald das Gebäude am Sihlquai fertiggestellt ist, werden sie die haben. Momentan arbeiten nur wenige Mitarbeiter von Swisscoms Innovationsabteilung Pirates Hub sporadisch bei uns.

Was bezweckt Swisscom mit diesem Team, das bei Ihnen arbeitet?

Tykve: Die Interessen und Vorteile sind vielschichtig. Wichtig ist der Austausch mit anderen Unternehmern. Dieser soll teils spontan während und zwischen den Arbeitsphasen im Impact Hub stattfinden. Der andere Teil des Austausches ist geplant und findet in speziellen Programmen statt. Ein solches Programm heisst „Grow“ und ist ein Leadership-Training-Programm für Swisscom-Manager. Dafür kommen sie zu uns und werden gezielt mit Start-ups zusammengeführt. In den Workshops von Grow lernen die Führungspersonen, die Perspektive eines Start-ups einzunehmen. Beim „Reverse Pitching“ müssen die Teilnehmer von Swisscom die Projekte der Start-ups als eigene annehmen, optimieren und schliesslich ihre Ergebnisse den Start-ups vorstellen.

Wer hat dieses Programm designt?

Tykve: Das Programm wurde von uns entwickelt. Wir spielten es bereits mit Swisscom und der EWZ durch. Jetzt im August startet das Grow-Programm erneut mit Swisscom. Zudem konnten wir die SIX Group als Partner gewinnen. Einige ihrer Führungskräfte werden das Programm wahrscheinlich diesen Herbst/Winter absolvieren. Das Grow-Programm bieten wir für alle Firmen an, allerdings profitieren unsere Partnerunternehmen natürlich von einem Rabatt.

Mit welchem Ziel schickt Swisscom ein Team hinaus?

Daniel Frei: Im Hintergrund dieser Kollaboration steht die Schwierigkeit für Grossunternehmen, innovativ zu bleiben. Innerhalb eines Unternehmens bleiben die Menschen, die Arbeitsweisen und die Firmenphilosophie grundsätzlich gleich oder ändern sich nur langsam. Um aus diesem teils beschränkenden Firmenkosmos auszubrechen, schickt Swisscom Teams zu uns. Die Teams tragen dann ihre Erfahrungen und Innovationen zurück zu Swisscom. Wir bringen sozusagen das chaotische Element hinein, das jede Firma braucht, um zu wachsen und um innovativ zu sein.

Mit dem Impact Hub haben Sie also die Rolle des Vermittlers zwischen Grosskonzernen und Start-ups?

Frei: Ja das kann man so sagen. Wir bringen Menschen zusammen und fördern den Austausch.

Tykve: Und noch viel mehr. Wir bieten für Grossfirmen noch weit mehr an als das Grow-Programm. Es gibt für Grossfirmen auch die Möglichkeit, im Rahmen von Start-up-Ideenwettbewerben wie etwa dem Impact Hub Fellowship, mit uns zusammenzuarbeiten. So zum Beispiel auch das Fellowship „ICT for Good“, das von Swisscom finanziert und auch mit Themen belegt wird. Swisscom kommt so in Kontakt mit den neuesten und besten Ideen zum ausgewählten Thema. Die Sieger des Wettbewerbs erhalten Zugang zum Netzwerk des Impact Hubs und Swisscom. Zum Teil haben sie dann auch die Möglichkeit, in Swisscoms Pirates Hub zu arbeiten.

Was gibt es noch?

Frei: Swisscom hat etwa eine Plattform entwickelt, die es ihr ermöglicht, Prototypen an die User zu bringen und von ihnen testen zu lassen. So können sie schon frühzeitig Evaluationen und entsprechende Änderungen vornehmen. Dieses Know-how können Start-ups dann brauchen, um schnell Feedbacks für ihre Ideen einzuholen.

Tykve: Zudem starten wir bald die Zusammenarbeit mit dem Start-up-Förderer Venture Kick. Dadurch kommen 100 weitere Unternehmer zu unserer Community dazu, die ebenfalls von unserem Arbeitsplatzangebot Gebrauch machen werden.

Gibt es auch Beschränkungen, damit nun Swisscom nicht den Start-ups die Plätze wegschnappt?

Tykve: Ja, Swisscom hat momentan zu Beginn ein Kontingent von zehn Personen bei uns. Das heisst, es sollten maximal zehn Personen von Swisscom gleichzeitig hier arbeiten. Im Ausnahmefall darf Swisscom aber auch mehr Plätze buchen. Dies gibt beiden Parteien die Möglichkeit, zu sehen, ob und wie das funktioniert.

Kommt es auch vor, dass Grossunternehmen ausserhalb eines Programms Angestellte zu Ihnen schicken, um zu arbeiten?

Frei: Ja, das gibt es sicher. Nur ist es so, dass wir darüber keine genaue Kontrolle haben. Diese Leute arbeiten einfach hier wie alle anderen auch. Man sieht ihnen nicht an, aus welcher Firma sie kommen. Sie verraten sich höchstens beim ersten Mal, wenn sie mit einem Hemd und Businesskleidung auftauchen. Wenn sie kommen, haben sie die Absicht, einen Tapetenwechsel vorzunehmen und neue Inspiration zu bekommen.

Tykve: Es gibt auch einige, die bei einem Grossunternehmen arbeiten und Mitglied beim Impact Hub sind. So mischen sich kleine und grosse Unternehmen ganz natürlich. Oft ist es nicht die Entscheidung eines Unternehmens, seine Mitarbeiter zu uns zu schicken, sondern die Mitarbeiter entscheiden selbst, ob sie unser Angebot nutzen wollen. So ist die Durchmischung im Impact Hub sehr dynamisch.

Welchen Stellenwert hat eigentlich die Arbeitsplatzvermietung für Ihr Geschäft?

Frei: Wenn man uns nicht so genau kennt, könnte man meinen, dass wir ausschliesslich Arbeitsplätze vermieten. Coworking ist aber nur unser Einsteigerangebot und Aushängeschild, das die Leute etwas teasern soll. Seit ein oder zwei Jahren ist das Coworking dafür in der breiten Masse bekannt genug. Der Rest, der dahinter passiert, ist dann schon komplizierter zu erklären. Das war vor einiger Zeit noch anders, da war auch das Coworking noch neu und galt als „freaky“. Heute ist es unser bekanntester und etabliertester Service, der sich gut in der Öffentlichkeit verkaufen lässt.

Als was verstehen Sie sich?

Frei: Wir verstehen uns nicht als Arbeitsplatzvermieter, sondern als Innovationsökosystem für Unternehmer, Grossfirmen, Start-up-Förderer etc. Unsere Community arbeitet demit dem Slogan: Prototyping the Future of Business. Wir wollen die Art verändern, wie die Business- und Arbeitswelt in Zukunft funktioniert, und die Zusammenarbeit fördern. Die Arbeitsplätze und die Räumlichkeiten dienen so gesehen also nur als Mittel, um unsere eigentliche Botschaft zu vermitteln. Man darf auch nicht vergessen, dass wir hier in Zürich nur einen Impact Hub haben, von weltweit über 80. Wir bieten hier also auch einen Zugang zu einer globalen Community.

Was haben Grossunternehmen davon?

Frei: Eigentlich dasselbe wie auch die Start-ups. Wir bieten ihnen Zugang zu einer weltweiten Community und zu der Macherszene. Wir sind hier sehr nah an der Praxis. Das ist das, was die grossen Unternehmen suchen.

Wo kann der Impact Hub momentan am meisten wachsen?

Frei: In Afrika gibt es momentan einen grossen Boom. Gerade erst sind drei neue Impact Hubs eröffnet worden und drei weitere sind aktuell in der Entstehung.

Wie unterscheidet sich der Zürcher Impact Hub von den anderen auf der Welt?

Frei: Die Vorteile, die wir hier haben, sind auch gleichzeitig die Nachteile. Bei aller Liebe für Zürich: Wir haben zwar schon einen hohen Innovationsgrad, aber der Wohlstand und der Luxus bremsen auch. In Afrika, oder auch schon in Berlin, hat man andere Probleme, andere Bedürfnisse und andere Lösungsansätze. So hat jeder Standort seine eigenen Themen. Das heisst aber nicht, dass darum alle für sich schauen. Im Gegenteil fördert dies den Austausch zwischen den Standorten.

Was sind die Vorteile des Zürcher Standorts?

Frei: Das Team Zürich hat einen sehr guten Drive, ist sehr motiviert und tatkräftig. Wir haben auch mehr Geld zur Verfügung als andere Impact Hubs im Netzwerk. Während andere Impact Hubs noch vor allem auf Community-Events und Coworking setzen, gibt es bei uns viele weitere Programme, um Start-ups und Grossfirmen zu unterstützen. Es gibt jährliche Treffen, an denen wir uns mit den anderen Impact Hubs austauschen. Dabei sehen wir, dass andere Hubs auch ganz andere Probleme und Geschäftsmodelle haben können.

Was sind die Nachteile des Zürcher Standorts?

Frei: Uns fehlt es manchmal an Biss, Mut und Risikobereitschaft in der Schweiz. Es ist auch schwierig, hier als Start-up Leute zu finden, die an einen glauben und investieren. Jemanden zu finden, der eine halbe bis ganze Million als Investition auf den Tisch legt, ist in der Schweiz nicht leicht.

Die fehlende Risikobereitschaft zeigt sich also vor allem bei den Investoren?

Frei: Auch bei den Unternehmen. Der Spagat zwischen Alltag und Neuem ist für Unternehmer eine grosse Herausforderung.

Tykve: Bei uns gibt es sehr wenig Venture Capitalists und Angel Investors. In Amerika ist das anderes, da sitzt das Geld für Start-up-Projekte recht locker. In der Schweiz gibt es aber auch kulturelle Probleme. Es fehlt uns nicht nur an einer Risikokultur, sondern auch an einer Failure-Kultur. Das heisst, hierzulande erwartet man, dass das Geschäft konstant gut laufen sollte. Tut es das nicht, ist schnell der Ruf gefährdet. In Amerika darf man scheitern und Krisen durchleben. Wenn man in den Staaten nicht mindestens ein Mal mit seinem Start-up den Bach runterging, wirkt das merkwürdig. Bei uns heisst es: Wenn, dann richtig. Zu scheitern ist für die meisten keine Option. Das ist auch wieder ein Investorenproblem. Wenn sie wissen, dass du schon einmal ein Start-up in den Sand gesetzt hast, werden sie hierzulande noch viel vorsichtiger sein.

Frei: Eine weitere Schwierigkeit sehe ich in der Marktgrösse der Schweiz. Solange man sich auf den Schweizer Markt konzentriert, erreicht man nur einen Bruchteil der Menschen, die man in Deutschland oder den Staaten zu seinem Zielpublikum zählen könnte. Die Skalierbarkeit auf grosse Märkte ist hierzulande nicht ganz einfach.

Stimmt es, dass Schweizer Unternehmer eher zu zurückhaltend sind, auch in der Öffentlichkeit für Start-ups einzustehen?

Frei: Nicht unbedingt, gerade in nachhaltigen Unternehmen gibt es oft Menschen, die einfach mal etwas Geld investieren.

Tykve: Dafür muss schon zuerst Vertrauen aufgebaut werden. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Start-ups, die Förderprogramme gewonnen haben oder sonst in einer engeren Zusammenarbeit mit Grossunternehmen stehen, viel bessere Chancen haben, Investoren zu finden. Wenn das Vertrauen gross genug ist, werden auch Investitionen wahrscheinlich oder die Bereitschaft, ein Start-up öffentlich zu unterstützen. Das dauert eine gewisse Zeit. Auch die Grossen hierzulande haben noch grosse Angst, ihren Ruf zu verlieren.

Was haben die Start-ups davon, wenn sie durch Sie mit Grossunternehmen zusammengebracht werden?

Frei: Start-ups profitieren davon, ihre Ideen konkret testen und auch die Erfahrungen der Grossfirmen aufnehmen zu können. Natürlich ist auch das Netzwerken innerhalb einer Grossfirma spannend für junge Unternehmer.

Was haben Start-ups davon, im Impact Hub zu arbeiten?

Frei: Der Preis des Arbeitsplatzes kann für ein Start-up sicher entscheidend sein. Bei uns muss man nicht mehr Arbeitsplätze mieten als man braucht. Der Kern ist aber bestimmt unsere Community. Der Erfahrungsaustausch und die Weitergabe von Know-how, die so geschieht, sind für junge Unternehmen sehr wertvoll. Die meisten hier haben schon mal eine Firma gegründet. Eine entsprechende Frage lässt sich hier also spontan bei einem Kaffee beantworten. So kann man sich teils teure Beratungen sparen. Zu guter Letzt versauert man nicht allein oder zu zweit irgendwo, bis man es kaum noch aushält.

Tykve: Ja der menschliche Austausch ist sehr wichtig und förderlich für die Unternehmen. Ähnliche Unternehmen profitieren so zudem von Wissen und Erfahrungen der anderen. Es gibt hier also kein Konkurrenzkampf. Im Gegenteil helfen sich hier alle gegenseitig und lernen voneinander. Diese gemeinschaftliche Kultur lässt sich unter jungen Start-ups noch einfach umsetzen. Ab einer gewissen Grösse und höherem Firmenkapital verstärkt sich jedoch auch der Drang, seine Ideen zu schützen. So werden die Unternehmen flügge und verlassen uns.

Profitieren die Start-ups hier auch ganz konkret vom Swisscom-Team?

Frei: Bestimmt, ihre Erfahrungen und Kontakte sind sehr wertvoll. Aber Genaueres wird sich ab Mitte September zeigen. Wir erkennen ja eigentlich nicht, ob jemand von Swisscom kommt oder nicht.

Heisst das, dass sich bei Grossunternehmen die Kultur in den letzten Jahren verändert hat?

Frei: Ja bestimmt. Vor 20 Jahren waren Personen mit einer Militärkarriere noch signifikant erfolgreicher im Berufsleben als die anderen. Heute ist das nicht mehr so. Heute sind Macher gefragt und nicht mehr so sehr Führer. Das haben auch die Unternehmen begriffen. So sucht eine Swisscom immer mehr junge, innovative Persönlichkeiten und weniger starre Kommandeure.

Ist es für Sie nicht schwierig, für frische Einzelunternehmen und Manager von Grossfirmen gleichzeitig attraktiv zu sein?

Frei: Offenbar sind wir für ein breites Spektrum attraktiv und das ist es auch, was unseren Erfolg ausmacht und zeigt. Es macht uns aus, dass wir die unterschiedlichsten Menschen in unterschiedlichsten Positionen hier zusammenbringen. So findet hier jeder etwas.

Vernetzung gehört also zu Ihren Hauptaufgaben?

Tykve: Ja dafür haben wir zusätzlich zum Austausch vor Ort ein eigenes Social Network. Als Impact-Hub-Nutzer bekommt man ein Profil in diesem Netzwerk. Das Netzwerk ermöglicht den Austausch mit Nutzern auf der ganzen Welt. So findet sich für jedes Problem ein passender Ansprechpartner. So werden auch Hierarchien aufgelöst. In unserem Netzwerk ist auch ein Swisscom-Manager ein gewöhnlicher Mensch mit Fragen und Wissen zum Weitergeben.

Sehen Sie Ihr Konzept als Arbeitsmodell der Zukunft?

Frei: Ich glaube, es gibt nicht DAS Arbeitsmodell der Zukunft. Unser Ziel ist es, möglichst viel zu entdecken und selbst auszuprobieren.

Tykve: Da wir sagen, dass Gemeinschaft in der Wirtschaft wichtiger ist als Konkurrenz, betrachten wir es als eine sehr wichtige und ehrenhafte Aufgabe, unsere Gemeinschaft zu pflegen und voranzubringen. Wir schaffen den Rahmen für den Austausch zwischen Unterstützern, Investoren, Managern, Fachkräften und Neulingen. Die Menschen machen das aber von sich aus. Es ist schön, zu sehen, dass dieser Austausch quasi von selbst geschieht.

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