Krankenkassen-Apps

Für die Krankenkassen sind Apps unverzichtbar

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von Joël Orizet und Tiago Pires, Redaktor, ICTjournal

Die meisten Krankenkassen in der Schweiz haben eine oder mehrere mobile Apps entwickelt. Vom Scannen der Rechnungen bis hin zur persönlichen Beratung müssen die Lösungen auf die ­Anforderungen der Kunden eingehen sowie Versicherer und Versicherte miteinander verbinden. Zu diesem Ergebnis kommt eine Recherche des «ICTjournal». Die Apps bieten verschiedene ­Services. Diese reichen vom Scannen der Rechnung bis hin zur persönlichen Buchung. Eine Übersicht.

(Quelle: Fotolia)
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Im vergangenen November hat die Mobile-App MyCSS anlässlich des Events "Best of Swiss Apps" Gold in den Kategorien User Experience und Business gewonnen. Dazu kamen drei Silber-Ehrungen und eine Bronze-Auszeichnung. Diese Prämierungen bestätigen, dass die Versicherer den mobilen Lösungen eine hohe Bedeutung beimessen und dementsprechend in ihre Entwicklung investieren.

Das Magazin "ICTjournal" untersuchte zwischen Dezember und Januar die App-Angebote verschiedener Schweizer Krankenkassen. Die Untersuchung legt den Schluss nahe, dass Apps in der Versicherungsbranche unverzichtbar geworden sind, weil sie bestimmte Funktionen und Dienste jederzeit zugänglich machen. Neun Krankenkassen entwickelten eine oder mehrere Apps. CSS, EGK, Helsana, Sanitas, Sympany, Swica, KPT, Groupe­ Mutuel und Sanagate bieten im App-Store sowie auf Google Play mobile Lösungen an. Die Krankenkassen Visana und ÖKK wollen entsprechende Angebote dieses Jahr lancieren.

Der Waadtländer Versicherer Assura entschied sich hingegen dafür, seine Applikation vom Markt zu nehmen, weil sie die Erwartungen der Versicherten nicht erfüllt habe. Um ihre Daten einzusehen, müssen Kunden nun auf die Mobile-Version der Website des Versicherers ausweichen. Myrtille Sadoun, Mediensprecherin des Unternehmens, stellt jedoch klar, dass eine neue Lösung intern diskutiert werde. Diese soll "im Einklang mit aktuellen Technologien und den Bedürfnissen der Nutzer stehen".

Atupri bietet seinen Versicherten lediglich ein Selfservice-Portal an, das eigenen Angaben zufolge "nach dem Prinzip ‹Mobile First› und in einem ‹Full Responsive Design› entwickelt wurde". Die Geschäftsleitung des Versicherers kündigte jedoch an, dass noch im Verlauf dieses Jahres eine App lanciert werde, um die Bedürfnisse der Kunden abzudecken.

Wenn die IT-Abteilungen der Versicherer die technischen Kompetenzen oder Ressourcen nicht aufbringen können, um mobile Applikationen zu entwickeln, beauftragen sie oftmals externe Anbieter. Einen anderen Weg gingen die Versicherungen Groupe Mutuel, CSS und Sanagate. Um Kräfte zu bündeln, integrierten sie externe Spezialisten in ihre Teams. Zusammen entwickelten sie Lösungen, die auf die Angebote der Versicherer zugeschnitten sind.

Funktionen schärfen das Profil

Eine App anzubieten, reicht aber oft nicht. Anbieter können sich gegenwärtig nur über Funktionen von ihren Konkurrenten abgrenzen. Folglich schlagen die Versicherer mit der Entwicklung ihrer Apps drei Richtungen ein. Nutzer sollen sich erstens informieren und zweitens Dokumente scannen sowie Rechnungen verschicken können. Drittens wollen Versicherer mit den Apps sogenannte Quantified-Self-Verfahren anbieten. Diese sollen etwa die körperlichen Betätigungen der Nutzer messen und auswerten. Die ersten beiden Anwendungsbereiche ­überwiegen. Die Anbieter kombinieren sie vielfach in einer einzigen App.

Für die Mehrheit der Versicherer ist der Zugang zu Informationen die Basis einer App. "Selfservice erleichtert vor allem die Dienstleistungen für unsere Kunden", erklärt Barbara Weber von der KPT. "Auf diese Weise müssen sie sich nicht nach Arbeitszeiten oder Örtlichkeiten richten." Mit dem Prinzip der Selbstbedienung wollen die Versicherer auch eine gewisse Nähe zu ihren Kunden herstellen. Die Einführung von Messaging-Diensten entspricht ebenfalls dieser Strategie, betont Yves Seydoux, Mediensprecher der Groupe Mutuel. "Mit solchen Diensten reagieren wir auf die Mobilitätsbedürfnisse der Versicherten, indem wir ihnen Plattformen anbieten, welche die Bindung zwischen ihnen und uns verstärken."

Rechnungen scannen soll Routine werden

Informationsfunktionen nach dem Prinzip der Selbstbedienung werden oft mit Features kombiniert, die das Scannen und den Versand von Rechnungen ermöglichen. Nach Ansicht der Versicherer sollen diese Funktionen die Bearbeitung von Dossiers effizienter gestalten. Versicherer könnten ihre Arztrechnungen oder andere Rückerstattungsbelege mit dem Smartphone fotografieren. Die eingescannte Rechnung wird anschliessend via App direkt an die Zentrale des Versicherers geschickt, wo sie von Sachbearbeitern kontrolliert und verbucht wird. Kunden sollen mit solchen Verfahren vor allem Zeit sparen.

"Unser Ziel ist es, dem Kunden einen echten Mehrwert zu bieten", erklärt etwa Nina Mayer, Mediensprecherin der CSS. "Wir wollen den Schriftverkehr verringern und für die Versicherten eine komfortable Lösung bereitstellen, die letztlich ihre Zufriedenheit steigert." Sympany und EGK folgen dem Beispiel der CSS, unterstreichen jedoch andere Vorteile, nämlich das Einsparen von Kosten für Briefmarken und Postwege. "Mit der Sympany-App können Kunden Zeit und Geld sparen", ergänzt Jacqueline Perregaux von Sympany. "Ohne Briefumschläge oder -marken zu benötigen, können sie schnell auf Versicherungsdaten zugreifen und diese verändern oder Dokumente fotografieren."

Profitieren Kunden von solchen Funktionen, bleibt die Frage, inwiefern dies die Versicherer tun. Indem sie den Versand elektronischer Rechnungen fördern, sparen die Krankenkassen bei der Bearbeitung von Rückerstattungen. Sie müssen weniger papiergebundene Dokumente digitalisieren und viele Abläufe funktionieren weitgehend automatisiert. "Wir hoffen, dass wir längerfristig Kosten einsparen können", erklärt Mayer. "Momentan investieren wir noch viele Ressourcen in die Instandhaltung und Ausarbeitung der angebotenen Dienstleistungen." Die übrigen befragten Krankenkassen waren allerdings nicht dazu bereit, über Kosten und Einsparungen zu sprechen. Sie zogen es stattdessen vor, ihren Willen zu bekunden, auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen.

Quantified Self wird zum Trend

Sorgen um das gesundheitliche Wohlbefinden leisten dem Konzept des Quantified Self Vorschub. Dieser Bereich umfasst verschiedene Methoden und Techniken, mit denen Nutzer ihre körperliche Aktivität messen und entsprechende Daten analysieren sowie teilen können. Die Angebote in diesem Bereich sind vielfältig.

Die CSS stattete ihre App etwa mit der Funktion "MyStep" aus. Versicherte könnten sich auf dem Kundenportal MyCSS anmelden und mittels eines kompatiblen Schrittzählers Daten zu ihrer Fitness mit dem Versicherer teilen. Auf diese Weise könnten die Kunden eine Entschädigung für die geleisteten Schritte erhalten. Für jeden Tag, an dem ein Nutzer 10 000 Schritte und mehr auf sein Kundenkonto übermittelt, schreibt ihm die CSS 40 Rappen gut. Bei 7500 bis 9999 Schritten pro Tag soll der Kunde 20 Rappen erhalten. Pro Kalenderjahr kann ein Nutzer eine Entschädigung von maximal 146 Franken beziehen. Ein ähnliches Belohnungssystem hat auch die Swica in ihre App Benevita integriert.

Die Versicherer folgen dem Trend des Quantified Self und wollen mit diesen und ähnlichen Methoden auch die Prävention fördern. "Als Krankenversicherung leistet Sanagate einen Beitrag im Bereich der Prävention von Krankheiten. Wir wollen unsere Kunden auf spielerische Weise dazu motivieren, ihr physisches und psychisches Gleichgewicht zu wahren", erklärt Antonia Lepore, Direktionsmitglied von Sanagate. Das Versicherungsunternehmen bietet auf seiner App "SanaHealth" insbesondere eine Ernährungsberatung an.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Gesundheitskasse EGK mit ihrer App "Meine EGK". Neben Trainings- und Ernährungstipps bietet der Versicherer seinen Kunden auf diesem Weg auch Rezepte auf der Basis von Heilpflanzen an. Auf der Plattform können die Versicherten auch Anleitungen für therapeutische Wickel und Kompressen einsehen.

Apps, welche die körperliche Aktivität messen und mit einem Belohnungssystem funktionieren, sind bislang noch wenig verbreitet. Noch können sich Versicherer mit solchen Angeboten hervortun. Quantified Self wirft allerdings auch Fragen zu den Geschäftsprinzipien von Versicherungen und zu ihrem Umgang mit persönlichen Daten auf.

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