Smart Citys

Ideen für die smarte Stadt der Zukunft

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von Edy Portmann, Förderprofessor der Schweizerischen Post an der Universität Bern

Vier von fünf Schweizern wohnen in Städten oder stadtähnlichen Umgebungen – Tendenz steigend. Das stellt Städte und Gemeinden vor zunehmende Probleme. In sogenannten Smart-City-Projekten arbeiten Hochschulen, Unternehmen und die öffentliche Hand an ICT-basierten Lösungen. Mit ihren Kooperationen wollen sie Schweizer Städte und Gemeinden fit für die Zukunft machen.

Für die Politik, Verwaltungen und Städteplaner ist die fortschreitende digitale Revolution ein wichtiges Thema. Laut Bevölkerungsreport der Vereinten Nationen lebten zu Beginn des 20. Jahrhunderts weniger als 2 Milliarden Menschen auf der Welt – im Jahr 2015 waren es bereits etwa 7,4 Milliarden. Diverse Schätzungen gehen davon aus, dass sich dieser Trend weiter beschleunigen und im Jahr 2030 die Bevölkerung auf etwa 8,5 Milliarden angewachsen sein wird.

Gleichzeitig vollzieht sich ein Prozess beschleunigter Urbanisierung: Im Jahr 1995 lebten 45 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Regionen; 2007 überstieg die Zahl der Menschen, die in Städten beheimatet waren, erstmals die Landbevölkerung.

 

Vier von fünf Schweizern leben in urbaner Umgebung

In einem sehr viel kleineren Massstab, aber nicht weniger bedeutungsvoll zeigen sich diese Entwicklungen auch in der Schweiz. Der kleine Flächenstaat wird mittlerweile von mehr als 8 Millionen Menschen bewohnt und weist somit eine hohe Bevölkerungsdichte auf.

Auch der Trend zur Urbanisierung lässt sich hierzu­lande beobachten: Dreiviertel der Bevölkerung, so informierten das Bundesamt für Statistik und der Schweizerische Städteverband 2016, leben in Agglomerationen. Werden die sogenannten "Gemeinden mit städtischem Charakter" berücksichtigt, dann steigt die Zahl sogar auf über 80 Prozent, die sich auf 172 Städte und stadtähnliche Kommunen verteilen.

 

Mit Big Data zur smarten City

Oftmals gleichen sich die Herausforderungen, mit denen sich Städte konfrontiert sehen, wenn auch mit verschiedenen Schwerpunkten. Hierzu zählt die Gewährleistung von komplexen Services für die Infrastruktur. Städte müssen Energie bereitstellen, den Transport organisieren oder Abfälle entsorgen. Was aktuelle Smart-­City-­Ini­tiativen eint, ist die Idee, innerhalb einer Stadt die ICT zielgerichtet einzusetzen, um den städtischen Raum nachhaltiger, sozialer und ökologischer zu gestalten. Hierfür müssen stadtrelevante Services mit Internet- und Webtechnolo­gien versehen werden.

Eine weitere zentrale Eigenschaft einer Smart City ist die Sammlung und Analyse von Daten sowie deren Aufbereitung zu Informationen, die den jeweiligen Stakeholdern bereitgestellt werden können. Städte können durch die Sammlung, Auswertung und Nutzung hochwertiger Daten quasi intelligenter werden. Gerade in der Schweiz, wo der Digi­talisierungsgrad ebenso hoch ist wie die ICT-Affinität der Bevölkerung und der Ausbau der notwendigen Infrastruktur gut vorangeschritten ist, kann das Smart-City-Konzept als Erfolg versprechend bezeichnet werden. Bereits heute zeigen eine Vielzahl von Beispielen, wie sich in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen Smart-City-Initiativen verwirklichen lassen.

 

Smart-City-Projekte in der Schweiz

In der Schweiz spielt seit fünf Jahren das Bundesamt für Energie (BFE) eine wichtige Rolle. Gemeinsam mit Partnerstädten entwickelte es das Programm "Smart City Schweiz". Mittels der Plattform "Energie Schweiz" werden dabei Smart-City-Projekte unterstützt und ein Netzwerk für beteiligte Stakeholder aufgebaut. Zudem engagiert sich das BFE auch finanziell bei der Förderung von Innova­tionsprojekten im Smart-City-Bereich.

Ziel des Programms ist es, Chancen und Risiken sowie Treiber und Hindernisse der Digitalisierung der Städte zu eruieren. Hierbei wird an das erfolgreiche Programm "Energiestadt Schweiz" angeknüpft. Das Programm soll eine tragende Rolle bei der Realisierung der Energiestrategie 2050 des Bundes spielen. Gegenwärtig besitzen 385 Städte und ­Gemeinden das Label "Energiestadt". Davon erlangten 35 Städte zusätzlich das europäische Label "Energiestadt Gold", das herausragende energiepolitische Leistungen auszeichnet. Dabei handelt es sich vorwiegend um grössere Städte, die in der schweizerischen Energiepolitik eine Vorreiterrolle einnehmen. So haben sich etwa die Stadtväter von St. Gallen vorgenommen, ihre Stadt zu einer Smart City umzuformen. Als fortschrittliche Energiestadt verfügt St. Gallen etwa über eine moderne E-Government-Strategie zur Verwirklichung kundenfreundlicher städtischer Dienstleistungen.

Lange konzentrierten sich in der Schweiz Smart-City-Initiativen vorwiegend auf Projekte einzelner Städte. Doch gerade in der Schweiz ist es im Sinn von "Smart Region"-Konzepten von Vorteil, überregionale und auch überkantonale Perspektiven nicht ausser Acht zu lassen. Erfreulicherweise sind erste Ansätze dazu bereits greifbar. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung geht etwa der Kanton Genf, der 2015 beschloss, ein "Smart Canton"-Projekt für eine smarte Metropolregion zu lancieren. Von der Förderung smarter Technologien erhofft sich Genf insbesondere eine Verbesserung der Raum­entwicklung sowie die Stärkung der Wirtschaft. Eine weitere Initiative stellt der Verein "Hauptstadtregion Schweiz" dar, in dem die Kantone Bern, Freiburg, Neuenburg, Solothurn und Wallis sowie mehreren Städte, Gemeinden und Regionalorganisationen vertreten sind. Sie verfolgen das gemeinsame Ziel, die Hauptstadtregion als innovativen Lebens- und Wirtschaftsraum von (inter-)nationaler Bedeutung ins Zentrum zu rücken.

 

Gemeinsame Projekte für eine smarte Schweiz

Dass der durch die Digitalisierung angestossene Transformationsprozess Gesellschaft, Wirtschaft und Staat als Ganzes tangiert und es daher notwendig ist, die verschiedenen Anspruchsgruppen, aber auch Forschung und Entwicklung stärker miteinander zu vernetzen, ist mittlerweile unumstritten. In diesem Zusammenhang rief der Bundesrat letztes Jahr mit der Verabschiedung seiner Strategie "Digitale Schweiz" zur Verstärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit auf. Schweizer Forschende, aber auch Städte beteiligen sich an entsprechenden Kooperationen. Ein wichtiges Beispiel ist das EU-Forschungsprogramm "ERA-Net Smart Citys and Communities", das im Jahr 2016 lanciert wurde: In 6 von insgesamt 17 internationalen Projekten engagieren sich auch Schweizer Hochschulen und Städte. So prüft die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Projekt "Smart Urban Isle" die Planung neuer Stadtquartiere, die sich mit nachhaltig produzierter Energie versorgen wollen.

 

Wirtschaft, Wissenschaft und öffentliche Hand müssen stärker zusammenarbeiten

In Forschung und Entwicklung wird es in Zukunft immer wichtiger werden, ausser den üblichen interdisziplinären Ansätzen konsequent auch transdisziplinäre Forschungsstrategien zu verfolgen. Dabei werden Hochschulen und andere Forschungsinstitutionen unterstützt, multilaterale Kooperationen mit der Wirtschaft, einzugehen. Dabei beteiligen sich etwa Unternehmen an der Finanzierung von Projekten, gewähren Zugang zu Daten und Ressourcen und werden darüber hinaus auch aktiv in die Forschungs- und Entwicklungsprozesse einbezogen.

Interessant sind auch Public-Private-Partnership-Konzepte, die darauf abzielen, Unternehmen, Wissenschaft und Politik sowie Verwaltung projektbezogen an einen Tisch zu bringen. Zu den ersten Schweizer Forschungseinrichtungen, die diese Ideen zusammen für das Thema Smart City fruchtbar machen, gehören das "Research Center for ­Human Centered Interaction Science and Technology ­(Human-IST)" an der Universität Fribourg und das Zentrum für "Innovative Governance of Large Urban Systems ­(IGLUS)" an der ETH Lausanne. In enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft fokussiert IGLUS auf Fragen der Governance städtischer Infrastrukturen, während Human-IST, aus einer eher technischen Perspektive, die Gestaltung der Interaktion von Mensch, Maschine und Stadt in den Blick nimmt. Diese und ähnliche Initiativen geben der transdisziplinären Zusammenarbeit Plattformen und konkrete Inhalte – und damit wichtige Impulse auf dem Weg in die Zukunft unserer Städte und Regionen.

 

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