Medidatas EDI-Podium

Der Patient muss bei der Digitalisierung im Fokus stehen

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Medidata hat sein EDI-Podium in Luzern abgehalten. Die Referenten skizzierten die Zukunft des Gesundheitswesens. Die Gäste führten intensive Diskussionen.

Am 23. Juni hat Medidata sein alljährliches EDI-Podium in Luzern abgehalten. Im angenehm kühlen Kantonsratssaal sprachen Referenten über die Zukunft des Gesundheitswesens. Wie schon im Vorjahr führte Moderatorin Nicole Westenfelder durch die Veranstaltung.

Medidata-CEO Daniel Ebner begrüsste die Gäste mit einem knackigen Vortrag, in dem er einige Eckdaten des Unternehmens nannte. Seinen Ausführungen zufolge nutzen inzwischen 70 Prozent aller Versicherungsgruppen Lösungen von Medidata. So gut wie alle Versicherer seien Kunden des Unternehmens. Er zeigte sich zudem optimistisch, bis zum Oktober dieses Jahres den 10'000sten Arzt als Kunden begrüssen zu können. "Ich freue mich, mit ihnen zusammen diese Reise weiterzuführen", schloss er seinen Vortrag ab.

Patienten in den Fokus rücken

Als erster Referent trat Stephan Sigrist, Gründer und Leiter des Think Tank W.I.R.E, an das Rednerpult. In seinem Vortrag skizzierte er einige seiner Gedanken zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Gesundheitswesen.

Zunächst relativierte er die vielen Versprechen von Start-ups, die gerade im Bereich E-Health aus dem Boden sprössen. Die grosse Revolution des Gesundheitswesens wird es seiner Einschätzung nach nicht geben. Es würden sich die Innovationen durchsetzen, die einen direkten Nutzen für die Patienten brächten. "Der Patient spielt eine zentrale Rolle", sagte Sigrist. Viele der Innovationsansätze würden dies noch nicht berücksichtigen.

Generell hielt er sich mit konkreten Prognosen aber zurück. Es sei schon schwierig, nur wenige Jahre in die Zukunft zu schauen. Hauptgrund sei die hohe Komplexität im Gesundheitswesen. Plötzliche technische Durchbrüche und neue Geschäftsmodelle könnten vieles durcheinanderbringen. Insgesamt attestierte er eine grosse Beschleunigung der Veränderungsprozesse, die Langzeitpläne, wie in der Vergangenheit geschmiedet, unmöglich mache.

Neue Sichtweisen sind gefragt

Aktuell konzentriere sich das Gesundheitswesen vor allem auf die schlechten Phasen im Leben eines Menschen, wenn er etwa erkrankt sei oder einen Unfall habe. Das Leben würde nicht in seiner Gesamtheit angesehen, was laut Sigrist aber nötig ist.

Weitere Herausforderungen seien die steigende Lebenserwartung, die damit einhergehende Zunahme von Alterserkrankungen und die zunehmende Individualisierung. Zum letzten Punkt meinte Sigrist, dass es immer mehr unterschiedliche Lebensformen geben werde. Auch neue Formen der Familienplanung, wie etwa das sogenannte "Social Freezing" könnten eine zunehmende Rolle spielen. Die Medizin müsse daher weg von dem "einen Patienten", hin zu ganz vielen unterschiedlichen Patientenmodellen. Die Vision müsse daher die einer "personalisierten Gesundheit" sein, sagte Sigrist.

Ziel müsse ein schneller und effektiver Zugang zu medizinischen Leistungen sein. Dabei sollten die speziellen Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt, und Medikamente müssten massgeschneidert werden. Auch die emotionale Versorgung dürfe dabei nicht unter den Tisch fallen.

Nicht alle diese Anforderungen könnten durch die Digitalisierung erfüllt werden. Entscheidend sei, die Digitalisierung so auf das Gesundheitssystem zu übersetzen, dass sie einen Mehrwert für die Patienten böte. Letztlich werde auch nur das digitalisiert werden, was einen wirklichen Mehrwert verspreche, zeigte sich Sigrist überzeugt.

Medidata-Netz vorgestellt

Im Anschluss stellte Daniel Bätschmann die neue Lösung "Medidata-Netz" vor. Er ist Leiter Informatik und stellvertretender CEO im Unternehmen. Laut Bätschmann ist das Medidata-Netz eine völlig neue Plattform, die sich auf den Austausch von Informationen konzentriert. Medidata will den gesamten Übertragungsprozess, inklusive Verschlüsselung, Identitiy und Access Management sowie auch die Vorbereitung und den Versand mit der Lösung abdecken. Kernelement ist eine Hardwarebox mit dem Namen Medidata-Client, welche die Transaktionen sicher abwickeln soll. Ein besonderes Augenmerk legte Medidata dabei auf die Aspekte Sicherheit und Datenschutz, wie Bätschmann mehrmals hervorhob.

Ziel von Medidata-Netz ist es jedoch nicht, ein Patientendossier anzubieten, wie Bätschmann auf Nachfrage sagte. Vielmehr wolle Medidata die eigenen Kompetenzen im Bereich Transport von Rechnungsdaten ausweiten. Medidata-Netz soll die Kommunikation allgemein übernehmen und nicht nur auf einen Bereich beschränkt bleiben.

Das Medidata-Netz sei als eine Plattform konzipiert, die auch für Anwendungen von Partnern offen stünde. Aktuell liege der Fokus der Entwicklung auf dem Datenaustausch bei elektronischen Leistungsabrechnungen. Als erste Applikation sei eine Bonitätsprüfung in die Lösung integriert worden. Noch steht Medidata laut Bätschmann aber erst am Anfang und es gebe noch viel zu tun.

Ein gutes System noch besser machen

In einer flammenden Rede rührte der ehemalige Journalist Urs Zanoni die Werbetrommel für das elektronische Patientendossier, kurz EPD. Aktuell ist er Leiter des Projekts Masterplan Integrierte Versorgung von E-Health Aargau. In dieser Funktion ist er sozusagen ein Unternehmensberater für E-Health im Kanton, der Leistungserbringer mit Rat zur Seite steht. Dabei interessieren ihn vor allem die Effizienzverluste bei den Übergängen zwischen den einzelnen Leistungserbringern. Spitälern und anderen Leistungserbringern selbst wolle er nicht reinreden, betonte Zanoni.

Seiner Ansicht nach ist die Gesundheitsversorgung in der Schweiz zu stark fragmentiert. Die Spezialisierung schreite immer weiter voran und es mangle an der digitalen Vernetzung der einzelnen Leistungserbringer. Obwohl die Schweiz, was den Zugang zu Leistungen betreffe, eines der besten Gesundheitssysteme der Welt habe, lasse sich nur wenig über die Qualität der Leistungen sagen. Mit dem EPD könnten einige dieser Missstände angegangen werden, zeigte sich Zanoni überzeugt.

Kanton Aargau als einer der E-Health-Vorreiter

Der Kanton Aargau habe dies erkannt. E-Health Aargau sei eine der ersten Stammgemeinschaften gewesen, die in der Schweiz gegründet worden seien. Zanoni sieht den Kanton im Bereich E-Health daher sehr gut aufgestellt. Die Hauptaufgabe der nächsten Zeit sei es, die Bevölkerung für das Thema E-Health zu sensibilisieren und auch die niedergelassenen Leistungserbringer, vor allem Hausärzte, vom EPD zu überzeugen. Laut Zanoni muss hierbei noch ein erheblicher kultureller Wandel vonstattengehen.

Wichtig werde es sein, möglichst viele Leistungserbringer zu überzeugen und zum Anschluss an die Stammgemeinschaft zu bewegen. Mit den Worten: "Wir brauchen möglichst viele Leistungserbringer, sonst wird das nichts", brachte er es auf den Punkt.

Sowohl die Hausärzte als auch die Patienten könnten aber nicht ohne Weiteres zur Teilnahme am EPD gezwungen werden. Eine grosse Hoffnung verbindet Zanoni mit den Versicherern. Diese könnten indirekt Druck ausüben. Etwa wenn sie in Rahmenverträgen bei Verwendung des EPD höhere Vergütungsansätze vorsähen. Ebenso könnten Versicherte mit Rabatten zur Eröffnung eines elektronischen Patientendossiers motiviert werden, sagte er weiter.

Zum Schluss war ihm auch noch wichtig zu betonten, dass das EPD an sich keinen zusätzlichen Arbeitsaufwand für den Arzt bedeuten sollte. Daten, die ohnehin elektronisch erfasst worden seien, sollten idealerweise mit einem Klick im EPD zur Verfügung stehen, vorausgesetzt es gebe die nötigen Schnittstellen.

Die Veranstaltung klang mit einem Apéro aus, der – wie schon die Pausen – von den Gästen rege zum Austausch genutzt wurde.

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