Gamification im Gesundheitswesen

Wie Visionarity die Wende schaffte

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Das Basler Start-up Visionarity ist auf Umwegen im E-Health gelandet. Ein Weg, der sich langsam auszahlt. CEO Kolja A. Rafferty erzählt in einem Gespräch, was das Unternehmen auszeichnet und warum «Gamification» auch im Gesundheitswesen wichtig ist.

Kolja A. Rafferty, CEO von Visionarity. (Bild: zVg)
Kolja A. Rafferty, CEO von Visionarity. (Bild: zVg)

2012 ist das Geburtsjahr von Visionarity. Das Unternehmen mit Niederlassungen in Basel und Madrid versucht zunächst, sich im Bereich Energiemanagement zu positionieren. Es entwickelt eine Mobile-App, die Personen auf spielerische Weise (Gamification) zum Energiesparen motivieren soll. Laut Visionarity-CEO Kolja A. Rafferty stellen sich auch schnell die ersten Erfolge ein. Firmen wie etwa Google und Microsoft werden auf das Start-up aufmerksam und stecken Geld in die Idee. Bald darauf kommt die Ernüchterung. «Visionarity hat den Weg in den Markt nicht gefunden», fasst Rafferty heute die damalige Entwicklung zusammen. Im Jahr 2015 bekommt die Firma Schlagseite.

Lange Durststrecke überwinden

In dieser Phase kommt Rafferty zum Unternehmen, der sich mit der Beratungs- und Investitionsfirma Leverage Experts auf den Auf- und Umbau von Start-ups spezialisiert hat. Das alte Management von Visionarity zieht sich aus der operativen Führung zurück. Rafferty und sein Team übernehmen. Er installiert erfahrene Entwickler und Manager, um die Kurve zu kriegen. Bis dato ist noch kein grösserer Investor in Sicht, die Firma wird mehr oder weniger mit dem Herzblut der Beteiligten zusammengehalten. Statt des Energiesparens rückt Rafferty nun das Thema Gesundheit in den Fokus der Entwicklung. In Verbindung mit dem Prinzip «Gamification» ist das die neue Marschrichtung. «Dabei geht es um die Nutzung spielerischer Elemente mit dem Ziel, Teilnehmer zu gesünderer Lebensweise zu motivieren», erklärt Rafferty.

Ab Juli 2016 verbessert sich die Lage von Visionarity. Die Lösung kommt langsam zur Marktreife und der Business Case wird konkreter. Erste Kunden werden gewonnen, darunter Brands wie Roche. Hinzu kommen Partnerschaften, etwa mit Garmin oder IBM. «Die haben erkannt, welche Potenziale Gamification im Gesundheitsbereich bietet», sagt Rafferty. Für Garmin wird Visionarity sogar zum strategischen Partner; entwickelt wird im Rahmen eines Drei-Jahres-Plans. Die Partnerschaften geben der Firma Schub. Visionarity erhält Zugang zum Vertriebsnetz der Partner und auch zu Technologien, etwa im Bereich künstlicher Intelligenz.

Grosse Pläne für die Zukunft

Rafferty ist mit seinen Plänen nicht bescheiden: «Wir wollen europäischer Marktführer mit Gamification im Bereich E-Health werden.» Im letzten Jahr kann Visionarity zahlreiche Kontakte zu europäischen Gesundheitsanbietern aufbauen und festigen, darunter Helsana, Helvetia, DKV Seguros. In den meisten Fällen sind es noch Pilotprojekte, bei einigen – wie der DKV – ist es bereits ein operatives Geschäft. «Ich glaube, wir machen eine ganze Menge richtig», blickt Rafferty optimistisch in die Zukunft. Einen grossen Erfolg verbucht Visionarity durch die Partnerschaft mit Weight Watchers in Deutschland. Weight Watchers integriert die Lösung von Visionarity in ihre App in Deutschland. «Darauf sind wir sehr stolz», sagt Rafferty. Er ist optimistisch, dass in diesem Jahr noch weitere bekannte Firmen hinzukommen werden. Konkrete Namen nannte er nicht.

Unterschiede zu Dacadoo

In der Schweiz gibt es ausser Visionarity auch noch Dacadoo von Peter Ohnemus. Die Firma verfolgt mit ihrer App ein ähnliches Konzept und adressiert auch das B2B2C-Marktsegment. Rafferty sagt, dass sich die beiden Unternehmen in den ersten Jahren gegenseitig befruchtet hätten. In einigen Punkten würden sich die Lösungen aber deutlich unterscheiden. Als Erstes nennt er die Finanzierung. Visionarity verfüge über deutlich weniger Kapital als Dacadoo, das gleich zu Beginn Investitionen in Höhe von 25 Millionen Franken habe einwerben können. Gemäss Rafferty hat sich Visionarity mit deutlich weniger Kapital erfolgreich behauptet.

Zudem setze Visionarity auf eine offene Plattform – geräte- und technologieunabhängig. Aktuell würden etwa 80 Prozent der Wearables unterstützt. Neue Geräte liessen sich schnell integrieren, verspricht Rafferty. Er betont, dass Visionarity die Daten nicht weiterverwerte. «Die werden niemand anderem zur Verfügung gestellt. Persönliche Daten haben an sich keinen Wert für uns.» Dies sei auch in den Statuten des Unternehmens verankert und ein wesentliches Argument für die Lösung.

Fokus zunächst in Westeuropa

Generell sieht Rafferty in Europa das grösste Entwicklungspotenzial. Bisher gebe es im Gegensatz zu den USA noch keine grösseren Player im Markt. Seiner Einschätzung nach bieten nur vier bis fünf Unternehmen eine ähnliche Plattform an. Damit sei der Markt etwa zu 5 Prozent abgedeckt und ein grosses Feld liege brach. Die bisherigen Anbieter seien auch noch relativ klein und viel stecke noch in den Kinderschuhen, in den nächsten Jahren werde die Entwicklung aber Fahrt aufnehmen, ist Rafferty überzeugt. «Ich habe noch keinen Markt erlebt, der so dynamisch ist.»

Über Visionarity

Visionarity entwickelt unter anderem multipartnerfähige Programme für Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) und Innovationen für die Versicherungs- und Finanzwirtschaft (Insure-/Fintech). Ein Kernelement ist «Gamification»; die Nutzung spielerischer Elemente, um Teilnehmer zu gesünderer Lebensweise zu motivieren. Gesundheit und Wohlbefinden werden verbessert und Risiken in Bezug auf Adipositas, Bluthochdruck, Diabetes Typ 2, Depressionen oder Burn-out gesenkt. Medizinisch bedingte Ausfälle und durch Unternehmen und Versicherer zu tragende Krankheitskosten nehmen ab.

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