Nachgefragt bei Barbara Wieser, Headhunterin

"Es braucht Ausdauer, eine hohe Frustrationstoleranz und Biss"

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In der digitalen Transformation sind Spezialisten und Führungskräfte mit entsprechendem Know-how heiss begehrt. ­Barbara Wieser, Geschäftsführerin von Digital Heads, gibt Einblicke in ihre Arbeit als Headhunterin und verrät, warum sie momentan viel zu tun hat.

Barbara Wieser, Geschäftsführerin, Digital Heads. (Source: Netzmedien)
Barbara Wieser, Geschäftsführerin, Digital Heads. (Source: Netzmedien)

Der Fachkräftemangel dürfte die digitale Wirtschaft auch 2018 beschäftigen. Wie sieht die Nachfrage nach Spezialisten bei Ihnen im Moment aus?

Barbara Wieser: Die Nachfrage ist ungebrochen hoch. Es werden aktuell vergleichsweise viele neue Stellen im Digital Business geschaffen. Unternehmen bauen Ihre E-Business Kanäle aus, der Online-Handel ist auf Wachstumskurs, Pure-Online-Player investieren und bauen die internen personellen Ressourcen kräftig aus und sind daher auf der Suche nach Fachspezialisten.

Fällt es Unternehmen schwer, diese Spezialisten zu finden?

Hier in der Schweiz ist das Potenzial an Spezialisten und Talenten vergleichsweise rasch ausgeschöpft; Unternehmen buhlen teilweise um dieselben Kandidaten.Im Gegensatz zur aktuellen Diskussion in der Politik und der breiten Öffentlichkeit, sinkt die Zuwanderung von digitalen Fachspezialisten rapid. Gerade in Deutschland läuft die Wirtschaft auf Hochtouren und die Löhne steigen. Somit ist es zunehmend herausfordernder, Fachkräfte in die Schweiz zu lotsen.

Wie unterscheidet sich die Rekrutierung von Fachkräften in Ihrem Bereich vom Rest der IT-Branche?

Wir suchen hauptsächlich Persönlichkeiten mit hohem digitalen Know-How. Speziell in den Bereichen Online Marketing, E-Commerce und Mobile. Die Übergänge sind da natürlich fliessend. In vielen dieser Bereiche entstehen quasi über Nacht neue Job-Profile.

War das früher anders?

Als ich damals in der Personalberatung angefangen habe, gab es die meisten dieser Jobs noch gar nicht, die wir jetzt besetzen. Darum braucht es Fingerspitzengefühl, eine gute Intuition bei der Rekrutierung und die fortlaufende vertiefte Auseinandersetzung mit immer neuen Stellenprofilen. Das ist unser Job. Deswegen vertrauen viele Firmen auf unsere Dienstleistung. Wir sind Sparringspartner der HR-Abteilung und senken das Risiko einer missglückten Anstellung.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie nach einem neuen Mitarbeiter für einen Ihrer Kunden suchen?

Wir benützen dazu alle relevanten Kanäle. Online wie auch Offline. Dank unseres breiten Netzwerkes, erhalten wir den entscheidenden Tipp teils auch über unsere Kontakte in der Branche. Und nicht zuletzt greifen wir auf eine interne, über mehrere Jahre aufgebaute Kartei mit mehreren tausend potenziellen Kandidaten zu.

Wie nehmen Sie Kontakt auf?

Am Anfang jeder erfolgreichen Suche steht ein ausführliches Gespräch mit unserem Mandanten. Die/der neue Mitarbeiter(in) muss ja nicht nur fachlich sondern auch menschlich in die Firma, respektive das Team passen. Der Rest der Suche ist Fleiss und ein gutes Gespür für den richtigen „Match“.

Welche Eigenschaften machen potenzielle Kandidaten für Sie interessant?

Hohe Eigenmotivation, Flexibilität, hohe Leistungsbereitschaft und eine gute Portion Entrepreneurship. Ein „One Person“-Profit-Center sozusagen. Wenn dann noch die menschlichen Qualitäten stimmen und die Offenheit für ein neues Wagnis beziehungsweise eine neue Herausforderung besteht, sind Sie unsere Frau oder unser Mann.

Wie reagieren Kandidaten, wenn Sie sie kontaktieren?

Wir sind sicher beliebter als Steuerbeamte (lacht). Die Kandidaten reagieren regelmässig sehr erfreut, wenn wir uns melden. Ist es doch die Bestätigung für ihre gute Arbeit. Teilweise führen wir auch über einen längeren Zeitraum wiederkehrende Gespräche mit Kandidaten, die wir in ihrer Karriereplanung unterstützen und beraten. Gerade auf Kaderstufe winkt die gewünschte Herausforderung nicht gleich um die Ecke und eine mehrmonatige gemeinsame Suche ist die Basis für den nächsten passenden Schritt.

Wie merken Sie, ob ein Kandidat für einen Wechsel des Arbeitgebers bereit ist?

Das kommt ganz auf den Kandidaten an. Wenn der mit 45 schon 15 Jahre im gleichen Unternehmen ist, würde ich mal vorsichtig fragen: Interessieren Sie sich nicht für eine andere Branche? Dann fängt das Gespräch an oder ist gleich schon beendet. Gleichzeitig können wir bei Portalen wie Xing oder LinkedIn sehen, ob jemand eine erhöhte Wechselbereitschaft zeigt, sich verstärkt mit einer neuen Herausforderung beschäftigt und sich bspw. vermehrt für Jobinserate interessiert.

In der IT-Branche gibt es die Tendenz, dass Mitarbeiter nicht lange bei der gleichen Firma bleiben möchten. Ist das bei Ihren Kunden auch so?

Glasklar. Gerade im Digital Business dreht sich das Karussell sehr schnell. Da passieren Abgänge schon nach zwei, drei Jahren.

Woran liegt das?

Loyalität wird nicht mehr so gross geschrieben. Junge Leute lassen sich oft mit 500 Franken mehr Lohn zum Jobwechsel motivieren, gerade im Agentur-Business. Die digitalen Spezialisten werden überall gesucht. Da spielt es für manchen Arbeitgeber keine Rolle mehr, ob jemand vorher ein Job Hopper war. Man nimmt das in Kauf, weil man eine Position möglichst schnell mit jemandem besetzen möchte, der loslegen kann.

Welche Besonderheiten stellen sich Ihnen im Bereich Online-Plattformen?

Jeder neuen Geschäftsidee dient in irgendeiner Weise eine Online-Plattform als Basis. Entsprechend viel Konkurrenz tummelt sich auf dem Markt. Gleichzeitig haben wir in der Schweiz zu wenig Fachkräfte. Das ist sicherlich die grösste Besonderheit und gleichzeitig die grösste Herausforderung für den Markt und demzufolge auch für uns. Ich vergleiche unsere Arbeit manchmal mit der eines Goldgräbers. Es braucht Ausdauer, eine hohe Frustrationstoleranz und Biss, um zum Erfolg zu kommen. Aber der Aufwand lohnt sich. Eine Stelle erfolgreich zu besetzen und noch Jahre später vom Kunden und/oder vom Kandidaten ein positives Feedback zu erhalten, entschädigt vollauf!

Digital Heads ist auf Kaderleute im Digital Business spezialisiert. Wie hat die Digitalisierung die Aufgaben dieser Berufsgruppe verändert?

Das Know-How ist im Digital Business naturgemäss bereits sehr hoch. Die Digitalisierung ist da schon seit dem Start ein Thema. Viele unserer Mandanten suchen nun vermehrt Spezialisten. SEO, SEA, Analytics, BI oder E-Commerce-Profis sind gefragt. Wie bereits erwähnt, können Job-Profile auch von einem Tag auf den Anderen ändern. Neue Aufgaben kommen dazu oder wandeln sich. Entsprechend suchen wir Persönlichkeiten, die flexibel sind und Neuem gegenüber aufgeschlossen sind.

Was für Firmen kommen auf Sie zu, um neue Mitarbeiter zu finden?

Vom KMU bis zum internationalen Multi ist alles dabei. Die Digitalisierung krempelt Firmen aller Grössen und Branchen um. Entsprechend breit ist unsere Kundschaft. Das fordert übrigens auch meinem Team und mir ein Höchstmass an Flexibilität ab. Wir müssen uns in die Firmen eindenken können. Sei das nun eine Finanz-Boutique in Zug oder eine Online-Marketing-Firma im Zürcher Kreis 5. Vom Hipster bis zum Schlips-Träger. Wir tanzen auf allen Hochzeiten. Auf dem Heuboden oder dem Ballsaal (lacht).

Haben Sie momentan viele Kunden, die zum ersten Mal nach Online-Spezialisten suchen?

Ja. Das macht auch Spass, denn wir können unter Umständen nicht nur eine Position besetzen, sondern ganze Digital-Marketing-Teams zusammenstellen. Das fängt beim E-Commerce-Leiter an und geht dann über den Content-Ersteller, den Projektleiter für das Backend, den Online-Marketeer, den Web-Analytics-Manager bis zum Social-Media-Experten. So bauen wir mitunter ganze Abteilungen auf. Das sind natürlich die schönsten Aufträge, bei denen man über mehrere Jahre ein Unternehmen weiterentwickeln kann. Das zeigt dann auch, dass man den Kunden richtig verstanden hat und das richtige Händchen hatte.

Wie geht es weiter, nachdem Sie einen Kandidaten vermittelt haben?

Zum Teil rekrutieren wir Kandidaten in Teamleiterfunktionen. Die kommen dann auf uns zu, um weitere Leute einzustellen, weil sie als Kandidaten gute Erfahrungen mit uns gemacht haben. Es ist sehr bereichernd zu sehen, wenn es ehemalige Kunden und Kandidaten fachlich und menschlich gut miteinander haben.

Wie gehen Sie damit um, wenn es mal nicht passt?

Wenn es zu einer Kündigung innerhalb einer bestimmten Zeitdauer kommt, rekrutieren wir kostenlos eine Nachfolge. Sie können sich vorstellen, dass das nicht der Fall ist, den ich gerne mag. Deshalb habe ich das grösste Interesse an einer langfristigen Besetzung. Lieber rate ich dem Kunden bei Zweifeln offen von einem Kandidaten ab. Mit einem schlechten Bauchgefühl will ich niemanden vermitteln.

Welche Rolle spielen digitale Kanäle bei der Suche nach Spezialisten im Online-Bereich?

Die digitalen Kanäle unterstützen unseren Search. Wir sind auf allen relevanten Plattformen präsent und scannen diese täglich. Am Anfang der Suche leisten uns die Plattformen gute Dienste. Sobald wir aber richtig ins Mandat eingetaucht sind, zählt unser Netzwerk und unser persönlicher Eindruck der Kandidaten. Ein Telefonat ist bereits viel aufschlussreicher als ein Profil auf Xing oder LinkedIn. Das persönliche Gespräch ist und bleibt das wichtigste Mittel, um die Kandidatin oder den Kandidaten einzuschätzen. Hier siegt Offline über Online. Noch für lange Zeit!

Welche Vorteile haben Xing & Co.?

Die Leute sind sichtbarer. Ich kann aus einem Xing- oder LinkedIn-Profil sehr rasch herauslesen, ob jemand passen könnte oder nicht. Aber das hat auch mit meiner langjährigen Tätigkeit zu tun. Ich kann mit einem CV oder einem Xing-/LinkedIn-Profil gut beschreiben, was dahinter für ein Typ steckt. Nur schon aus der Wortwahl, der Darstellung oder der Länge. Die sozialen Netzwerke haben die Recherche vereinfacht, aber damit geht den Headhuntern nicht die Arbeit aus. Denn der entscheidende Faktor, ob man jemanden für ein Unternehmen gewinnen kann, ist der persönliche Kontakt und das Gespür für seine beruflichen Interessen sowie die zusätzlichen Informationen zu einem Unternehmen, die nicht in einer Stellenausschreibung zu lesen sind. Das kann kein Portal.

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