LE-Strategiechef Kolja Rafferty im Interview

"Bei der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle hat die Schweiz noch Nachholbedarf"

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Die Schweizer Beratungsgesellschaft Leverage Experts (LE) machte den Telko-Anbieter Sicap Schweiz fit für den Verkauf an die kanadische Volaris Group. Eine Schlüsselkompetenz von LE ist die Umsetzung der Transformation von Geschäfts- und Wertschöpfungsprozessen in die digitale Welt. Gründer und LE-Strategiechef Kolja Rafferty erklärt, wie das Geschäft funktioniert.

Kolja Rafferty, Strategiechef, Leverage Experts. (Source: Leverage Experts)
Kolja Rafferty, Strategiechef, Leverage Experts. (Source: Leverage Experts)

Welche Arten von Firmen kommen auf Sie zu?

Kolja Rafferty: Unternehmen, Start-ups und Investoren mit sogenanntem «Financial Distress». Einfach gesagt: Firmen, die in Schwierigkeiten sind, kritische Veränderungen vor sich haben oder einen «Turnaround» brauchen, also eine Sanierung. Wir entwickeln Exit-Strategien, Mergers & Acquisitions, Finanzierungsrunden, Innovations- und Wachstumsstrategien sowie Markteintrittskonzepte und Repositionierungen.

Was ist das Besondere an der IT-Branche?

Die rasante Entwicklung im Rahmen der digitalen Transformation erfordert agiles Handeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings bringt der unüberlegte Einsatz ­neuer Technologien Unternehmen häufig nicht den gewünschten Erfolg. Hinzu kommt das Spannungsfeld zwischen lokalen und globalen Herausforderungen. Unternehmen sehen sich mit anderen Kulturen und Rechtssystemen konfrontiert. Sie brauchen Spezialisten und Talente für Aufgaben, die erst noch definiert werden müssen. Andererseits gibt es selten Situationen, die so viele Chancen bieten und die so günstig für die Entwicklung disruptiver Geschäftsmodelle sind. Das alles erfordert ein Umdenken.

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Die Schweiz ist ein interessanter Test-Markt, der für Skalierungseffekte – vor allem im investitionsbedürftigen ICT-Geschäft – oft zu klein ist. Obwohl die Schweiz ein fulminanter Innovationsstandort ist, sind Finanzierungsrunden und Kapitalbeschaffung schwieriger als in anderen europäischen Ländern. Bezüglich des hohen internationalen Entwicklungstempos bei der Umsetzung neuer Geschäftsmodelle hat die Schweiz noch Nachholbedarf.

Was braucht es, um Schweizer Start-ups fit für Übernahmen zu machen?

Vor allem einen professionellen, realistischen Business-Case mit einem soliden Go-to-Market-Konzept. Eine tolle Idee oder Technologie allein reicht nicht aus, um Investoren zu überzeugen. Wichtig ist ein Management, das von Anfang an klare Ziele hat und diese auch täglich auf Machbarkeit und Umsetzung prüft. Fehler dürfen gemacht, müssen aber auch rechtzeitig erkannt und korrigiert werden. Beratungsresistenz und Fehleinschätzungen bei der Marktanalyse sind häufige Fehler, die Gründern das Genick brechen.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Ihr Unternehmen aus?

Wir haben Spass an schwierigen Projekten. Unsere Arbeitsweise ist durchgängig digital, wir arbeiten dezentral und nutzen alle Möglichkeiten der ICT. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass Digitalisierung nur dann Sinn ergibt, wenn der zugrundeliegende Prozess auch sinnvoll ist. Davon abgeleitet kann man sagen: Ein schlechtes klassisches Geschäftsmodell wird auch durch Digitalisierung nicht besser. Technologie und Globalisierung schaffen ein Spielfeld, auf dem Kreativität ebenso gefragt ist, wie eine solide klassische Ausbildung.

Wie merken Sie, ob zwei Partner zueinander passen?

Die Portfolios müssen kompatibel sein, sich ergänzen oder in die Wachstumsstrategie passen. Unternehmenskulturen und Ziele müssen vereinbar sein. Das sind wichtige Voraussetzungen, um miteinander reden zu können.

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