Viele Fragen noch offen

KI wird auch das Bildungswesen verändern

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In Bern hat die Stiftung für audiovisuelle Bildungsangebote ihre März-Tagung abgehalten. Die Referenten sprachen über den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik im Bildungswesen. Ausser über die Chancen wurde auch viel über Risiken gesprochen.

Joachim Buhmann, Professor am Institut für Maschinelles Lernen an der ETH Zürich. (Source: Netzmedie)
Joachim Buhmann, Professor am Institut für Maschinelles Lernen an der ETH Zürich. (Source: Netzmedie)

An der März-Tagung der Schweizerischen Stiftung für audiovisuelle Bildungsangebote (SSAB) ist es um den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Robotik im Bildungswesen gegangen. So lautete auch der Titel der Veranstaltung. Der Untertitel ergänzte: "Welche Chancen eröffnen sich und welche Risiken sind zu beachten?" Die Tagung fand am Institut für Weiterbildung und Medienbildung der Pädagogischen Hochschule Bern statt. Der Veranstaltungshörsaal im 2. Untergeschoss des Gebäudes war fast bis auf den letzten Platz gefüllt.

Die künstliche Intelligenz wird den Menschen nicht ersetzen

Den Reigen der Vorträge eröffnete die IBM-Forscherin Karin Vey, Innovations- und Trendexpertin am IBM Think-Lab. Sie sprach darüber, welche Möglichkeiten künstliche Intelligenz (KI) für das Bildungswesen bietet.

Ihrer Meinung nach wird 2018 rückblickend das Jahr sein, über das man sagen werde, dass die KI dann angefangen habe, sich durchzusetzen. KI biete für alle Mitarbeiterbereiche an Hochschulen Vorteile. So liesse sich mit KI etwa erkennen, welche Studierenden Schwächen hätten; so könnten rechtzeitig Massnahmen eingeleitet werden.

Karin Vey, Innovations- und Trendexpertin am IBM Think-Lab (Source: Netzmedien)

Auch könne KI die Lehre verbessern. Vor allem könnte sie helfen, Zeit einzusparen, um Studierende besser betreuen zu können. Die KI könnte die Studierenden das ganze Bildungsleben hindurch begleiten. Von der Orientierungshilfe, bis zur Hilfe während des Studiums und der Karriere und darüber hinaus, sagte Vey.

Auch für Assistenzeinsätze biete KI viel Potenzial. So könnten etwa blinde Personen besser geleitet werden. Auch bei der Gesichts- und Emotionserkennung wie auch beim Erkennen von Gegenständen gebe es viele Möglichkeiten.

KI solle jedoch nicht den Menschen ersetzen. "Es geht darum, die Welt mit KI so zu gestalten, dass wir sie lebenswerter finden", sagte Vey. Einige Fähigkeiten wie Kreativität, Einfühlungsvermögen oder die Intuition könnten Maschinen nicht bieten. Bei der Bildung der Zukunft gehe es darum, diese urmenschlichen Fähigkeiten zu stärken. Zudem müssten Schüler im Umgang mit KI-Technologien geschult werden. Besonders das kritische Hinterfragen sei äusserst wichtig, betonte Vey.

Weiter seien auch die Entwickler der Technologien gefragt. Einige der grossen Hersteller wie IBM, Microsoft oder Google hätten sich einen ethischen Kodex gegeben. Dieser fordere, dass durch KI der Mensch nicht ersetzt werden solle. Zudem müsse immer ersichtlich sein, wie die Entscheidungen von KIs zustande gekommen seien, schloss Vey ihren Vortrag.

Roboter sollen beim Lernen helfen

Einen Einblick in die praktischen Möglichkeiten von KI und Robotik gab der deutsche Forscher Stefan Kopp, Leiter kognitive Systeme und soziale Interaktion an der Universität Bielefeld. Er zeigte ein Forschungsprojekt, das den Einsatz von Robotern bei der Bildung von Kleinkindern erprobt. Die Forschung soll zeigen, ob in Zukunft Roboter hier Nachhilfe geben könnten, etwa für Kinder aus benachteiligten Familien. Das Projekt trägt den Namen L2ToR. In einem Video geben die Forscher einen Einblick in die Tätigkeit und Zielsetzung:

EMBDE https://www.youtube.com/watch?v=vlmjvKgWtmU

Der Vortrag rief im Publikum viel Resonanz hervor und es gab angeregte Diskussionen. Ein Gast wollte etwa wissen, wie die Forscher mit der ablehnenden Haltung gegenüber Robotern in der Bevölkerung umgehen wollen. Gemäss Kopp gibt es keine besonders grosse Ablehnung. Die Ängste seien gering und es hätten sich sogar viele Einrichtungen beworben, um an der Studie teilzunehmen, sagte er.

Stefan Kopp, Leiter kognitive Systeme und soziale Interaktion an der Universität Bielefeld (Source: Netzmedien)

Künstliche Intelligenz sollte nicht überschätzt werden

Zum Abschluss der informativen Veranstaltung gab es von Joachim Buhmann, Professor am Institut für Maschinelles Lernen an der ETH Zürich, noch etwas zum Nachdenken für die Gäste auf den Weg. Der ETH-Professor räumte zunächst mit einigen Vorurteilen zur KI auf und zeichnete im Anschluss zentrale, bisher kaum beachtete Dilemmata auf.

Seine erste Erkenntnis lautete: "Die Zukunft ist grösstenteils unvorhersehbar und damit auch unvorhersagbar." Es brauche daher nicht einfach nur mehr Daten und bessere Algorithmen, um in die Zukunft blicken zu können. Gewisse Dinge seien einfach nicht vorhersagbar, auch nicht mit KI, sagte er.

Als weiteren Punkt betonte er, dass maschinelles Lernen eine reine Nachmachertätigkeit sei. Nach wie vor müsse der Mensch der Maschine das Gerüst für das Lernen ganz detailliert vorgeben. Der Mensch selbst könne hingegen ohne solche «menschlichen Blindenhunde» auskommen, um Neues zu entdecken. "Ich glaube jedoch schon, dass die KI eines Tages auch wissenschaftliche Methoden beherrschen wird" sagte Buhmann. Dies werde jedoch erst in 40 bis 50 Jahren der Fall sein, bis dahin sei der Mensch hier überlegen.

KI werde zweifelsohne das Leben und die Zusammenarbeit grundlegend verändern, ist Buhmann überzeugt. Gleichzeitig plädierte er jedoch für mehr Realismus. "Wir sollten alle viel bescheidener sein, was die Technologie betrifft", sagte er.

Viele Fragen wurden noch gar nicht angesprochen

Im Anschluss ging Buhmann auf einige Dilemmata ein, die der Einsatz von KI mit sich bringe. Zunächst hob er die Rolle der Daten hervor. Überall dort, wo Menschen miteinander agierten, fielen Daten an. Neu sei zudem, dass diese Daten für die Ewigkeit gespeichert werden könnten. "Etwas zu vergessen ist kein Bug, sondern ein wesentliches Feature", das werde uns jetzt erst bewusst, sagte Buhmann. Gleichzeitig sei die Frage bisher ungeklärt, wem die Daten gehörten.

Auch die Frage nach der Haftung im Zusammenhang mit Algorithmen sei noch nicht geklärt. Wenn ein KI-Algorithmus mit Daten gefüttert werde, dann hätten diese unter Umständen einen grösseren Einfluss auf das Ergebnis als der Algorithmus selbst. Das heisst, ob nun der Bereitsteller der Daten hafte oder der Programmierer seien bisher kaum adressierte Fragen, betonte Buhmann. Daher plädierte er für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Technologie.

Die Nachvollziehbarkeit von Algorithmen ist für Buhmann ein weiteres Dilemma. "Die Komplexität ist so hoch, dass Menschen nicht mehr verstehen können, was genau in der KI passiert und wie Entscheidungen zustande kommen. Wir sollten uns daran gewöhnen, mit Black-Box-Maschinen umzugehen", sagte Buhmann. Dies sei im Prinzip nichts Neues für Menschen, denn jeder Mensch sei an sich eine Black Box, dies müsste nur auf Maschinen übertragen werden.

Des Weiteren sei die Frage der Fairness noch nicht geklärt. Ein Algorithmus kommt dann zu unfairen Ergebnissen, wenn schon die bereitgestellten Daten "unfair" sind, betonte Buhmann. Letztlich müsse eine Gesellschaft entscheiden, was sie will und wie dies erreicht werden soll, schloss er seine kritischen Ausführungen.

Zum Abschluss des Events fanden sich die Gäste bei einem Stehluch ein, an dem viel diskutiert wurde.

Es war wohl die letzte Veranstaltung der SSAB, der Verband hat die Auflösung beantragt. Die Vortragsreihe soll aber bestehen bleiben und mit anderen Partnern durchgeführt werden. Das Thema der nächsten Veranstaltung im März 2019 stehe auch schon fest: "Wie bewältigen wir exponentiell wachsendes Wissen", kündigte Beat Jost, Präsident SSAB, an.

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