Nachgefragt

"Wir wollen Probleme lösen, die wir eigentlich nicht lösen können"

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von Coen Kaat

Thomas Schulthess ist der Direktor des Nationalen Hochleistungsrechenzentrum der Schweiz, des CSCS – Centro Svizzero di Calcolo Scientifico, in Lugano. Im Interview spricht er darüber, warum die Schweiz im Bereich Supercomputing so stark ist und ob man sich selbst einen Supercomputer basteln könnte.

Thomas Schulthess, Direktor des CSCS. (Quelle: Netzmedien)
Thomas Schulthess, Direktor des CSCS. (Quelle: Netzmedien)

Woran liegt es, dass die Schweiz, wenn es um Supercomputer geht, global so weit vorne ist?

Thomas Schulthess: Es sind die Köpfe, die wir hier haben. Die ETH selbst mischt ja in den globalen Rankings auch ganz vorne mit. Sie ist seit den Anfängen im elektronischen Rechnen dabei. Auf diese Erfahrung aufbauend haben wir heute sehr starke rechnergestützte Wissenschaften in den Departementen, insbesondere in der Informatik, den Ingenieurswissenschaften sowie der Physik, und die Mathematikausbildung ist generell sehr gut. Mit den fähigen Anwendungsentwicklern, in die wir zudem noch investieren, können wir die neuesten Architekturen sehr früh einsetzen. Das gibt uns im HPC-Umfeld einen entscheidenden Vorteil gegenüber der internationalen Konkurrenz.

Könnte ich theoretisch einfach zum Elektro-Handel gehen, mir ein paar PCs kaufen und daraus einen Supercomputer bauen?

Das ist durchaus möglich. Ich empfehle sogar, es zu versuchen. Die Schwierigkeiten würden wohl eher bei der Software aufkommen, und zwar sowohl auf System- wie auch auf Anwendungsebene. Man kann etwa Anwendungssoftware auf einem PC oder Laptop schreiben und dann später die Programme auch auf Supercomputern laufen lassen. Man muss dabei aber aufpassen. Das Portieren ist in der Regel nicht das Problem, sondern das Skalieren. Ein kleines System toleriert gewisse Fehler, die bei einem komplexeren System schwerer ins Gewicht fallen. Aber im Prinzip entwickeln wir heute genauso für unsere Supercomputer.

Müssen sich diese einzelnen Rechenknoten eines Supercomputers an einer Stelle befinden?

Eigentlich nicht. Aber es ist sinnvoll. Aus Energie- und kühlungstechnischen Gründen ist es besser, die Knoten in einem seriös entwickelten System alle beisammen zu halten. Aber auch die kurzen Latenzzeiten bei der Kommunikation zwischen den Prozessoren erreicht man nur, wenn man die physischen Distanzen zwischen den Knoten so gering wie möglich hält und die Netzwerkbauteile optimal baut und programmiert.

Wie pflegeleicht ist ein Supercomputer?

Supercomputer sind wartungsintensiv. Je ausgereifter eine Technologie ist, umso pflegeleichter wird sie. Im wissenschaftlichen Rechnen wollen wir aber immer Probleme lösen, die wir eigentlich nicht lösen können. Wir versuchen also immer, die schnellste Hardware zu finden – aber die kostengünstigste, schnellste Hardware. Das heisst, man wird immer versuchen, bei den Entwicklungskosten einzusparen. Die Rechner sind am Ende gerade so gut ausgereift, dass sie laufen. Sie laufen aber nur, wenn Leute sie benutzen, die wissen, wie man mit ihnen umgeht.

Sind Supercomputer eine Belastung für die Umwelt?

Die Umweltbelastung ist vernachlässigbar. Wir produzieren keine Abgase und keinen Lärm. Für die Kühlung verwenden wir Wasser aus dem Luganersee. Das Wasser wird aus etwa 40 Metern Tiefe abgezogen und einige Kilometer weit ins Rechenzentrum gepumpt. Im Gebäude fliesst es in einem internen Kreislauf mit Wärmetauschern. Danach fliesst es wieder zurück in den See. Im Prinzip könnte der lokale Energielieferant die entstehende Abwärme anzapfen. Die Frage ist derzeit, ob ein Unternehmen da ist, das diese einsetzen will. Die Abwärme zu nutzen ist zwar durchaus sinnvoll. Aber durch ef­fizientere Architekturen und effizientere Algorithmen versuchen wir eigentlich, gar nicht erst so viel Energie zu verbrauchen und Abwärme zu produzieren. Das ist immer besser.

Wer greift auf die Rechenleistung des CSCS zu?

Der Löwenanteil unserer Rechenleistung geht in die Forschung. Da sind wir aber offen. Jeder Wissenschaftler der Welt kann bei uns Rechenzeit beantragen. Diese vergeben wir kompetitiv. Die ETH wird also nicht bevorzugt behandelt. Wir haben aber auch kommerzielle Kunden. Wir führen etwa Machbarkeitsnachweise für Firmen durch. Wenn ein Modell bei uns gut funktioniert, können Unternehmen dieses skalieren und in ihren eigenen Rechenzentren betreiben. Wir wollen aber keine Konkurrenz sein für kommerzielle Anbieter. Deshalb belassen wir es bei diesen Nachweisen.

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