Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens

Das digitale Gesundheitswesen braucht einen langen Atem

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von Patrick Dümmler, Clustermanager, Health Tech Cluster Switzerland

Die Digitalisierung hat sich im Gesundheitswesen der Schweiz noch längst nicht durchgesetzt. Kurzfristig ist ein zusätzlicher Kostenschub zu erwarten. Die Potenziale aufgrund einer besseren Zusammenarbeit und mehr Transparenz können langfristig aber helfen, den Kostenanstieg zu dämpfen.

Patrick Dümmler, Clustermanager, Health Tech Cluster Switzerland
Patrick Dümmler, Clustermanager, Health Tech Cluster Switzerland

Global schreitet die Verbreitung des Internets rasant voran. 2017 wird erstmals mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung online sein, gar zwei Drittel benutzen bereits ein Mobiltelefon. Die Schweiz hat – dank einer im internationalen Vergleich sehr guten Infrastruktur und einer hohen Kaufkraft – noch viel höhere Raten: 84 Prozent haben Zugang zum Internet, 97 Prozent besitzen ein Mobiltelefon. Nach Schätzungen von Avenir ­Suisse tragen internetbasierte Geschäftsmodelle bereits mehr als 6 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Trotz dieser vergleichsweise sehr guten Ausstattung an Hardware fällt die Schweiz im internationalen Vergleich bei der Nutzung der digitalen Möglichkeiten zurück. In Skandinavien nutzen markant mehr Personen als in der Schweiz das Internet für den Einkauf, elektronische Zahlungen oder soziale Kontakte. Diese Schweizer Zurückhaltung manifestiert sich auch im Gesundheitsbereich.

Die Digitalisierung der Gesundheitsindustrie steht noch am Anfang

Obwohl der Umsatz mit digitalen Lösungen im Gesundheitsbereich wächst, schlagen sich die Nutzung und der Einsatz von E-Health-Lösungen in der Schweiz noch nicht in der Breite nieder. Eine Untersuchung des Health Tech Cluster Switzerland im Rahmen der Studie «digital.swiss» zeigt, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens in der Schweiz erst zu 39 Prozent vollzogen ist.

Ein zentrales Element ist dabei das elektronische Patientendossier (EPD), das Spitäler bis 2020 einführen müssen. Doch damit wird das technologische Potenzial nur in Ansätzen ausgeschöpft. Ärzte mit eigener Praxis, Apotheken und Pflegefachpersonen sind nicht unmittelbarer Teil des EPD, sie haben keine Anschlusspflicht. Auch für den wichtigsten Akteur ist es letztlich eine freiwillige Übung: Jeder Patient kann selbst entscheiden, ob er das Angebot nutzen will oder nicht.

Gefragt sind Angebote, die überzeugen

Damit sich E-Health-Lösungen rasch durchsetzen, sind Angebote gefragt, die überzeugen. Voraussetzung dafür ist ein hohes Kosten-Nutzen-Verhältnis, eine hohe Bedienerfreundlichkeit und Sicherheit. Eine gewisse Parallelität von herkömmlichen (papierenen) und digitalen Prozessen ist dabei wohl unabdingbar, Medienbrüche werden nicht sofort eliminiert werden können.

Diese Parallelität bedeutet, dass zuerst Investitionen in ­E-Health-Lösungen getätigt werden müssen, die sich nicht unmittelbar auszahlen. Effizienzgewinne für Akteure in der Gesundheits-Wertschöpfungskette und damit letztlich auch für den Patienten können erst später eingefahren werden. Zuerst ist eher mit einem Kostenschub zu rechnen, um die Investitionen finanzieren zu können.

Digitalisierung als entscheidender Hebel

Um diese Kosten möglichst niedrig zu halten und die späteren Effizienzgewinne möglichst hoch ausfallen zu lassen, müssen die Akteure entlang der Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen noch viel enger als bisher zusammenarbeiten. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Anreizstrukturen im Gesundheitswesen, die zu oft gegensätzlich sind. So bestimmt etwa der Entscheid, ob ein Patient ambulant oder stationär behandelt werden sollte, über die Kostenträger. Es muss angenommen werden, dass dabei weder die Interessen des Patienten noch die Reduktion der gesamtwirtschaftlichen Behandlungs- und Folgekosten im Zentrum stehen.

Geschickt genutzt kann die Digitalisierung ein entscheidender Hebel werden, um mittels besserer Vernetzung und Schaffung von Transparenz das Gesamtsystem «Gesundheit» zu optimieren und den Kostenanstieg zu dämpfen.

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