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Crossfit für den Verkehr

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Der "Dichtestress" auf unseren Strassen und in unseren Zügen lässt sich objektiv durch Zahlen erklären. Die Kapazitäten unserer Infrastrukturen sind jedoch längst nicht ausgenutzt – das muss sich ändern.

24 850 Kilometer legt jeder von uns im Schnitt jährlich zurück, davon 43 Prozent mit dem eigenen Fahrzeug, 16 Prozent mit öffentlichen Verkehrsmitteln und den Rest mit dem Flugzeug. 90 Minuten "Tagesunterwegszeit" ist dafür notwendig. Das sind die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) für das Jahr 2015.

Dabei ist die Verteilung interessant: Zwei Drittel der zurückgelegten Stecke fallen unter die Kategorie Alltagsmobilität, die in den letzten 15 Jahren um etwas mehr als 5 Prozent zugenommen hat. Wir brauchen jedoch 7 Prozent weniger Zeit dafür. Die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge ist im selben Zeitraum jedoch um 32 Prozent (Individualverkehr) respektive 18 Prozent (ÖV) gestiegen. Das Bild ist klar: Wir bewegen uns schneller, weiter weg und wir verwenden dafür immer mehr Fahrzeuge.

Zukunft der Mobilität

"Mobilität wird unabhängig von Verkehrsmitteln und Verkehrsträgern als Ganzes gesehen", steht in der Studie "Zukunft Mobilität Schweiz" des Eidgenössische Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) von 2017. Die Umbruchphase unserer Mobilitätssysteme könnte nicht besser beschrieben werden. Notwendig macht dieser Umbruch die Zunahme der Mobilität bei gleichzeitiger Veränderung der demografischen Entwicklung, welche die bestehende Infrastruktur an eine Grenze bringt.

Die Schlüsseltechnologie für die Überwindung dieser Grenze ist die IT. "Zukunft Mobilität: Gigatrend Digitalisierung und Megatrends der Mobilität" lautet der Titel eines aktuellen Berichts der HSG. Darin werden nicht nur die Zusammenhänge zwischen den Megatrends Mobilität, Individualisierung, Urbanisierung, Ökologie, Globalisierung, Neues Leben, Neues Arbeiten und Sicherheit sowie der IT beschrieben, sondern auch aufgezeigt, wie die "Bewegungsfreiheit von Individuen" durch autonome Fahrzeuge, Elektromobilität und Sharing verändert wird. Genau diese drei stark IT-geprägten "Untertrends" und deren Einfluss konkretisiert das Positionspapier "Urbane Mobilität 2030" der Beratungsfirma Roland Berger in vier interessanten Szenarien. Dabei werden die beiden Dimensionen Verkehrssystem (von der intelligenten Insellösung zum hochvernetzten Gesamtsystem) und Fahrverhalten (allein oder gemeinsam) gegenübergestellt. Die Namen der Szenarien sprechen für sich und reichen von der ­"Anarchie" über die "Maximalauslastung" und "vernetzten Individualität" bis hin zur "Hypereffizienz".

Crossfit durch IT

Während die Entwicklungen im Bereich autonome Fahrzeuge, Elektromobilität und Sharing heute omnipräsent sind, wird der Aspekt der Optimierung der bestehenden Infrastruktur stark unterschätzt. Es reicht einfach nicht aus, zu behaupten, dass das grösste Potenzial in der Auslastung der freien Sitzplätze liege. Selbstverständlich ist bei einer durchschnittlichen Sitzbelegung von 30 Prozent in Autos und Zügen noch Luft nach oben.

Die Belegung von Strassen und Schienen ist im Durchschnitt weit kleiner. Darüber hinaus gibt es 27 Prozent Leertonnenkilometer im Gütertransport, 20 bis 30 Prozent Potenzial beim Energieverbrauch des öffentlichen Verkehrs und vieles andere mehr. Von einem integrierten vernetzten Gesamtsystem sind wir noch weit entfernt. Wir sind gefragt, wenn es in den nächsten Jahren um die Breitstellung umfassender Lösungen geht, welche die Möglichkeiten multimodaler autonomer Fahrzeuge in Kombination mit einer intelligenten Infrastruktur nutzen.

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