Smart City

Städte und Gemeinden im Zeitalter der Digitalisierung

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von Edy Portmann ist Förderprofessor der Schweizerischen Post an der Universität Bern.

Die digitale Transformation der Gesellschaft ist überall greifbar, insbesondere auch in Städten und Gemeinden. Dabei geht es nicht «nur» um wirtschaftliche Vorteile und die Steigerung von ­Effizienz. Städte sollen als soziotechnische Systeme mittels ICT zu besseren, schöneren, ­lebenswerteren Orten, zu Smart Citys, werden.

Edy Portmann ist Förderprofessor der Schweizerischen Post an der Universität Bern.
Edy Portmann ist Förderprofessor der Schweizerischen Post an der Universität Bern.

Die «Vierte industrielle Revolution», die «Zweite Moderne» oder auch die «Virtuelle Gesellschaft», die ein qualitativ völlig neuer Vergesellschaftungstyp sein soll, zu prophezeien oder auszurufen, hat Konjunktur. Das nimmt Bezug auf jene rasant verlaufende Entwicklung, mit der wir tagtäglich konfrontiert werden: dem tiefgreifenden sozialen, politischen, kulturellen und ökonomischen Wandel, der auf die Digitalisierung zurückzuführen ist. Dieser Prozess berührt fraglos alle sozialen und kommunikativen Lebensbereiche des Menschen – und wird auch nicht mehr umzukehren sein, selbst wenn wir dies wollten. Diese sogenannte «digitale Transformation» der Gesellschaft ist überall greifbar, insbesondere auch in Städten und Gemeinden.

Smart City

Immer mehr Menschen leben in immer mehr und immer grösseren Städten: Dieser Trend hat in den letzten 20 Jahren eine enorme Beschleunigung erfahren. Damit wachsen jedoch auch die Anforderungen an die Stadt als Lebensraum: Mehr Menschen bedeuten, dass mehr Ressourcen benötigt werden, dass Gesundheits- und Bildungssysteme ausgebaut werden müssen, dass Wohnraum geschaffen und der Verkehrskollaps abgewendet werden muss. In allen Lebensbereichen geraten bestehende Infrastrukturen an ihre Belastungsgrenzen. Die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung stehen daher vor der Aufgabe, Lösungen für die Probleme moderner Städte zu finden.

Gesucht werden sie in den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, was mit dem Schlagwort «Smart City» verbunden wird. Dahinter steht die Überlegung, dass ICT doch für eine nachhaltigere, soziale und ökologische Gestaltung des städtischen Raums nutzbar gemacht werden kann. Die effiziente Sammlung und Auswertung stadtbezogener Daten sowie die Koordination ihrer Nutzung mittels internet- und webbasierter Services sollen zur Erweiterung und effizienteren Nutzung der ökonomischen, sozialen, natürlichen und infrastrukturellen Ressourcen führen. Dies soll jedoch ausdrücklich auch dazu beitragen, den Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, ihren Lebensraum aktiv mitzugestalten.

Gerade in den Bereichen Verkehr und Mobilität, Sicherheit, Umwelt- und Klimaschutz, Bildung und Gesundheitsversorgung, aber auch bei der Bereitstellung von Dienstleistungen der städtischen Verwaltung konnten in den letzten Jahren Fortschritte erzielt werden. Die Smart (City) Industry, die Geräte, Sensoren, Apps oder auch Dienstleistungen für smarte Städte entwickelt, hat sich vor diesem Hintergrund zu einem gewinnträchtigen Zukunftsmarkt entwickelt: Städte binden sich – manchmal über mehrere Jahren hinweg – an Anbieter wie IBM, Cisco System oder auch Siemens, die Beratungsangebote im Smart-City-Bereich mit dem Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen verbinden. In seinem Buch «Against the Smart City» betrachtet der Publizist Adam Greenfield diese daher vor allem als abstraktes Konstrukt, als einen «Markt, auf dem Technologiekonzerne ihre Produkte und Dienste verkaufen können.»

So zutreffend diese Kritik in mancherlei Hinsicht auch sein mag, so lohnen sich finanzielle Investitionen in die «Smartifizierung» von Städten jedoch nicht nur für die einschlägigen Grosskonzerne, die daraus ein Geschäft machen, sondern auch für die Städte selbst. Das betrifft zum einen die Steigerung von Effizienz in den unterschiedlichsten Lebensbereichen der Stadt, was zur Verringerung des Verbrauchs und damit zur Senkung von Betriebskosten führen kann. Das hat sich in der Schweiz etwa St. Gallen unter dem Motto «hohe Lebensqualität bei geringem Ressourcenverbrauch» auf die Fahnen geschrieben.

Die Verbesserung alter und der Aufbau neuer Infrastrukturen kann dazu beitragen, die Attraktivität einer Stadt beziehungsweise Agglomeration als Wirtschaftsstandort zu erhöhen. Smarte Städte bieten Standortvorteile, die sie insbesondere für Unternehmen aus dem innovativen Bereich der Smart Economy interessant machen. Deren Fundament sind Menschen, die sich leicht in der modernen Wissensgesellschaft zurechtfinden. Sie vermögen sich frei im Internet-/Webumfeld zu bewegen, sie sind interessiert am Erwerb, an der Weiterentwicklung und am Transfer von Wissen. Diese Menschen leben überproportional häufig in Städten und Agglomerationen, sodass sich entsprechende Unternehmen dort niederlassen. Dies trägt zum Wirtschaftswachstum einer Stadt beziehungsweise Region bei, zur Schaffung von Arbeitsplätzen in allen Wirtschaftssektoren, zur Erhöhung der Kaufkraft der Stadtbewohner und nicht zuletzt zu höheren Steuereinnahmen.

Ein soziotechnisches System

Doch geht es nicht «nur» um wirtschaftliche Vorteile und die Steigerung von Effizienz. Ganz wesentlich für das Selbstverständnis vieler Initiatoren ist der Gedanke, dass mittels ICT Städte zu besseren, schöneren, lebenswerteren Orten gestaltet werden können, die einerseits ihren Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz leisten und wo Prinzipien der Nachhaltigkeit verwirklicht sind, und die andererseits dem einzelnen Menschen in seiner Individualität gerecht werden.

In diesem Sinne kann auch die Smart City als soziotechnisches System begriffen werden. Der Begriff stammt ursprünglich aus der Arbeits- und Organisationsoziologie und geht auf den Gedanken zurück, dass Arbeitsprozesse auf der Interaktion zwischen Menschen und Technik (im weitesten Sinne) basieren und am besten funktionieren, wenn sie so gestaltet werden, dass sowohl der soziale als auch der technische Aspekt angemessen berücksichtigt wird. Mittlerweile wird der Begriff auch auf den Bereich der Mensch-Computer-Interaktion und komplexe soziale Systeme angewendet, die durch die enge Verknüpfung von Mensch und ICT gekennzeichnet sind. In der smarten Stadt eröffnet der soziotechnische Ansatz eine ganzheitliche Perspektive, die darauf zielt, eine Balance zu finden zwischen Effizienz und Technologie einerseits und dem Faktor Mensch andererseits.

Big Data und das Internet of Things

Eine Stadt kann durch die Sammlung und Nutzung qualitativ hochwertiger Daten smarter werden. Eine wichtige Aufgabe der Informations- und Kommunikationstechnologien in smarten Städten besteht daher in der Sammlung von Daten. Diese müssen analysiert, strukturiert und aufbereitet werden, bevor die so gewonnenen Informationen dazu verwendet werden können, konkrete Probleme oder Bedürfnisse in der Stadt zu adressieren. In der Zukunft werden hierbei wohl Big Data und das Internet of Things (IoT) eine immer wichtigere Rolle spielen.

Unter Big Data versteht man Daten, die durch die sogenannten «Drei Vs» gekennzeichnet sind: Volume, Variety und Velocity. Das heisst, dass es sich bei Big Data um Datenbestände handelt, deren Volumina im Tera- bis Zettabyte-Bereich liegen, die eine grosse Vielfalt von strukturierten, semi-strukturierten und unstrukturierten Daten aufweisen sowie mit grosser Geschwindigkeit (auch in Echtzeit) ausgewertet und analysiert werden können. Dies allein genügt allerdings (noch) nicht, um aus Daten Nutzen ziehen zu können. Dies gelingt nur, wenn drei weiteren «Vs» Rechnung getragen wird: Value, Veracity und Verification. Diese beziehen sich auf die Qualität der erhobenen Daten, die nützlich und zutreffend sein müssen, wenn sie zur Generierung eines Mehrwertes führen sollen. Zu diesem Zweck müssen Daten zu Informationen veredelt, laufend auf ihre Gültigkeit hin überprüft und immer wieder aufs Neue bewertet werden. Ein so geschaffenes Reservoir an Daten von grosser Quantität und guter Qualität erlaubt präzisere Antworten auf Problemstellungen, die auf dieser Basis ebenfalls weiter präzisiert werden können. So wird es möglich, viele verschiedene Blickwinkel, die in den Daten zum Ausdruck kommen, angemessen für die Entwicklung differenzierterer Lösungen einzubeziehen.

Eine Quelle von Big Data ist das IoT, ein Netzwerk von Objekten, die mit Elektronik, Software, Sensoren und Netzwerk-Konnektivität ausgestattet sind. Die Objekte sind in der Lage, kosten- und energieeffizient grosse Mengen an Daten zu sammeln und weiterzuleiten sowie autonom untereinander auszutauschen. Auch sind die Objekte in der Lage, mit bestehenden Internetinfrastrukturen zusammenzuarbeiten. So experimentiert St. Gallen mit IoT, um für die Bürger neue Dienstleistungen wie smarte Füllstandmessungen oder intelligente Parkleitsysteme zur Verfügung zu stellen.

Die hochentwickelte Smart City kann ein Internet of Things and Services sein: Die gesamte städtische Umgebung ist dabei mit Sensoren versehen, die sämtliche erfassten Daten in der Cloud verfügbar machen. So entsteht eine permanente Interaktion zwischen Stadtbewohnern und der sie umgebenden Technologie. Die Stadtbewohner werden so Teil der technischen Infrastruktur einer Stadt, Teil des soziotechnischen Systems der Smart City.

Und dann? Von der Smart zur ­Cognitive City

Schon längst befinden wir uns nicht mehr am Anfang dieser Entwicklung, sondern stecken mittendrin. Doch wie sieht die Zukunft aus? Zentral wird hierbei die Frage sein, wie Städte in sozialer, politischer, kultureller und ökonomischer Hinsicht angelegt sein müssen, damit Menschen über die reine Steigerung von Effizienz hinausgehend gerne und gut in ihnen leben. Smart-City-Konzepte können hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Umso mehr gilt dies für die Cognitive City, die zukünftig die Smart City ergänzen wird und für die kennzeichnend ist, dass sie mittels kognitiver Computersysteme in stetige Interaktion mit ihren Bewohnern tritt.

Kognitive Computersysteme beruhen auf Cognitive Computing, ein Ansatz, der sie in die Lage versetzt, Muster menschlicher Kognition nachzuvollziehen und zu imitieren. Diese Systeme lernen, indem sie mit den Menschen, die sie nutzen, interagieren. Auf diese Weise werden neue Daten gesammelt und zu Informationen und Wissen aufgearbeitet, die wiederum den Menschen zur Verfügung gestellt werden können. Entwicklungen wie cloudbasiertes Social Feedback, Crowdsourcing und Predictive Analytics erlauben es, Städte zu schaffen, die aktiv und selbstständig lernen, ein Gedächtnis aufbauen, dieses durchsuchen und auch erweitern können, wenn neue Informationen zu den bereits vorhandenen hinzukommen.

Auf diese Weise erlangt die Stadt die Fähigkeit, Verhaltensmuster und -änderungen zu erkennen, vielleicht sogar vorauszusehen und darauf (gegebenenfalls mit neuen Lösungsstrategien) zu reagieren – dies alles mit dem Ziel, die Menschen bei der Erfüllung ihrer Bedürfnisse und Wünsche, bei der Verwirklichung ihrer Pläne und Ideen zu unterstützen.

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ITFG1629