SwissICT-Event zu neuen Arbeitswelten

Wie die Digitalisierung die Arbeitswelt umkrempelt

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SwissICT hat dem Wandel in der Arbeitswelt eine Veranstaltung gewidmet. Besucher erfuhren, wo die Herausforderungen liegen, wie die Zukunft aussehen könnte und warum nicht alles so heiss gegessen wird, wie es gekocht wird. Die Branche muss sich aber bewegen, darüber waren sich die Referenten einig.

SwissICT-Geschäftsführer Christian Hunziker begrüsste das Publikum. (Source: SwissICT)
SwissICT-Geschäftsführer Christian Hunziker begrüsste das Publikum. (Source: SwissICT)

Wie verändert sich unsere Arbeitswelt in den kommenden Jahren? Was bedeuten Digitalisierung und sozialer Wandel für die ICT-Branche? Wie finden Unternehmen morgen Spezialisten für Tätigkeiten, die es heute noch gar nicht gibt? Diese Fragen standen im Zentrum einer Veranstaltung, zu der der Verband SwissICT gestern ins Hauptquartier von Organisation und Informatik Zürich geladen hatte.

Bereits heute stehen ICT-Firmen beim Thema Arbeit vor verschiedenen Herausforderungen, wie Christian Hunziker, Geschäftsführer von SwissICT, in seiner Begrüssungsrede sagte. Der Verband stelle zu deren Bewältigung verschiedene Dienstleistungen zur Verfügung, etwa die Kompendien "Berufe der ICT" und "Saläre der ICT".

Auf der Suche nach Fachkräften wolle man Unternehmen unterstützen, es gehe aber auch darum, möglichst viele Menschen – Jung und Alt – für die Informatik zu mobilisieren. Alle Generationen abzuholen, das sehe SwissICT als Auftrag für den Verband, sagte Hunziker.

Projektleiter Stephan Schmid zeigte im Anschluss, wie die Berufe- und die Salärstudie 2018 in einem neuen, digitalen Gewand erscheinen. Die "Berufe der ICT" seien nun online frei zugänglich. Mit einem Schwerpunkt auf agile Rolle in Unternehmen würden sie dem Wandel der Arbeitswelt in der IT gerecht, sagte Schmid.

Die Salärstudie habe mit mehr als 30'000 Nennungen den grössten Umfang seit ihrer Lancierung erreicht. Sie gebe Auskunft über die Löhne von 46 Berufen auf verschiedenen Kompetenzstufen. Auch die Salärstudie könne digital bezogen werden. Wer möchte, bekomme sie aber wie bisher in Buchform.

 

Kooperation zwischen Mensch und Maschine am Arbeitsplatz der Zukunft

Wie sich die Arbeitswelt momentan verändert, darüber gab Nadine Bienefeld-Seall vom Chair of Work and Organizational Psychology der ETH Zürich Auskunft. In den vergangenen Jahren sei eine neue Arbeitsplatzkultur entstanden – orientiert an Vorbildern aus der US-Tech-Branche wie Google oder Microsoft. Vielerorts bestehe die Erwartung, dass alle Firmen das Arbeitsklima des Silicon Valleys kopieren sollten. Die Realität sehe freilich anders aus, sagte Bienefeld.

 

Nadine Bienefeld-Seall von der ETH Zürich zeigte, wo Schweizer Unternehmen im Wandel der Arbeitswelt stehen. (Source: SwissICT)

 

Gemäss einer Umfrage der ETH-Konjunkturforschungsstelle hätten sich die Arbeitsplätze in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert. Der mobile Arbeitsplatz halte zwar Einzug in Unternehmen, agile Arbeitsformen seien dagegen noch wenig verbreitet. Gerade KMUs täten sich mit dem Wandel schwer. Zudem falle auf, dass der Einsatz digitaler Technologien am Arbeitsplatz in der letzten Zeit stagniere.

Angesichts grosser Verunsicherung bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern riet Bienefeld, sich auf die Stärken von Mensch und Maschine zu konzentrieren. Es gehe darum, herauszufinden, welche Tätigkeiten automatisiert werden könnten und welche wir auch in Zukunft dem Menschen überlassen sollten. Zentral sei, die dazu notwendigen technischen und kreativen Kompetenzen zu vermitteln. Das Ziel sei ein Miteinander von Mensch und Maschine, sagte Bienefeld. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten bereits heute die optimalen Voraussetzungen für den Wandel der Arbeitswelt in den kommenden Jahren geschafft werden.

 

KI als Netzwerker und Gaukler

Wie so ein Miteinander von Mensch und Maschine in der Praxis aussehen kann, zeigten Michael Sternecker von Starmind und Kaneswaran Thilakshan von Swisscom. Künstliche Intelligenz (KI) ist eigentlich ein altes Phänomen, wie Sternecker anhand des sogenannten "Schachtürken" demonstrierte. Dabei handelt es sich um einen vorgeblichen Roboter, der im 18. Jahrhundert für Furore sorgte und sogar gegen Napoleon im Schach gewann.

Der Schachtürke war ein beeindruckendes Stück Technik, doch nichts weiter als eine Gaukelei. In seinem Innern verbarg sich nämlich ein menschlicher Spieler, der die Figuren mechanisch über das Brett bewegte. Sternecker nahm dies als Metapher für die Wahrnehmung moderner KI. Die Fortschritte der letzten Zeit seien vor allem auf mehr Leistung und Komplexität zurückzuführen, nicht auf mehr Intelligenz. Zudem funktioniere vieles noch nicht und sei in der Breite deshalb nicht anwendbar. "Was man mit Deep Learning heute machen kann, ist faszinierend, aber nicht intelligent", sagte Sternecker.

Wie KI trotzdem am Arbeitsplatz zur Hilfe gehen kann, zeigte Thilakshan anhand des "Firmengehirns" von Starmind. Das Tool könne Mitarbeiter unterstützen, firmenintern an die richtigen Leute zur Beantwortung ihrer Fragen zu gelangen. Je grösser eine Firma, umso wichtiger sei ein solches Wissensmanagement. Aber auch sonst sei Swisscom auf der Suche nach neuen Arbeitsformen. So experimentiere das Unternehmen mit "Holacracy". Ein Organisationssystem, bei dem es keine klassischen Hierarchien mehr gebe, sagte Thilakshan.

 

Hinter den Schleier der Zukunft geschaut

Einen Blick in die Zukunft der Arbeit gewährte Zukunftsforscher Georges Roos. Aus der Vogelperspektive seiner Zunft sei klar, dass Digitalisierung kein Selbstzweck sein dürfe, sagte er. Sie sei vielmehr ein Beitrag, um die aktuellen Herausforderungen der Gesellschaft zu meistern.

 

Mit Georges Roos ging es in die Zukunft der IT-Jobs. (Source: SwissICT)

 

Wie diese Herausforderungen aussehen, illustrierte Roos anhand sogenannter "Megatrends". Darunter versteht er Entwicklungen, welche die Welt in den kommenden Jahrzehnten auf allen Ebenen beeinflussen werden. Das Wachstum der Weltbevölkerung auf mehr als 10 Milliarden Menschen sei einer dieser Megatrends. Dass wir im Durchschnitt älter, wohlhabender und mobiler werden, ist ein anderer.

Im Zusammenhang von Arbeit und Technik sei besonders der Trend der Individualisierung bedeutsam, sagte Roos. Wir müssen uns laut dem Zukunftsforscher immer stärker mit uns selbst auseinandersetzen. Freiheiten und Freiräume, die wir uns erkämpft hätten, seien Gewinn und Herausforderung. Es gelte etwa, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und attraktiv zu halten – für Arbeitnehmer wie für Arbeitgeber.

 

Stephan Lendi (Moderator), Stephan Schmid, Kaneswaran Thilakshan, Nadine Bienefeld, Michael Sternecker und Georges Roos diskutierten zum Abschluss Fragen aus dem Publikum (von links). (Source: SwissICT)

 

Aber auch sonst sei die Arbeitswelt im fundamentalen Wandel. Die Alterung der Gesellschaft in den Industrieländern, die Entstehung neuer Berufe, die Automatisierung von menschlicher Arbeit oder die Ausschaltung von Intermediären mit der Blockchain – dies seien Entwicklungen, die wir beobachten und ernst nehmen müssten. Für IT-Firmen und Informatiker heisse das, nicht stehenzubleiben und mit dem Wandel mitzuhalten. Grundsätzlich war Roos aber zuversichtlich, dass die Zukunft für beide Seiten Chancen bereithalte.

Bevor SwissICT den Sommerabend mit Apéro und Grillwürsten ausklingen liess, diskutierten alle Referenten über den Wandel in der Arbeitswelt. Für Arbeitnehmer bedeute dieser, sich weiterzubilden und offen für Veränderung zu sein, waren sich die Referenten einig. Als Antrieb dazu sei vor allem Neugier wichtig. Hierbei seien auch die Arbeitgeber in der Pflicht, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das Neugier, Freude am Job und Weiterentwicklung anrege. Dann werde den Informatikern und den IT-Firmen auch in der Zukunft die Arbeit nicht ausgehen.

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