Krypto kurios

Die verrückten Seiten des Blockchain-Hypes

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von Sandro Morghen, Senior Experience Designer, Nexum

Nicht nur auf die ganz grossen Fragen der digitalen Zukunft suchen Blockchain-Macher Antworten. Die Technologie ­inspiriert Tüftler und Spinner auf der ganzen Welt zu unkonventionellen und nicht immer ganz ernst gemeinten Lösungen. Sandro Morghen von Nexum hat die verrücktesten zusammengestellt.

Sandro Morghen, Senior Experience Designer, Nexum (Source: zVg)
Sandro Morghen, Senior Experience Designer, Nexum (Source: zVg)

Usesless Ethereum Tokens – erfrischend nutzlos

Bereits im Namen machen die Macher der "Usesless Ethereum Tokens" unmissverständlich klar, dass Investoren dieser Kryptowährung keine allzu grossen Erwartungen an Nutzen oder gar Rendite haben sollten. Auf der Web­site werden die Besucher auch entsprechend begrüsst: "You're going to give some random person on the internet money, and they're going to take it and go buy stuff with it. Probably electronics, to be honest. Maybe even a big-screen television. Seriously, don't buy these tokens." Der Warnhinweis konnte offenbar nicht alle Besucher davon abhalten, ihr Geld zu "investieren". Immerhin: Die Useless Ethe­reum Tokens konnten eine Kapitalisierung von 61 843 US-Dollar realisieren.

 

Trumpcoin – die patriotische Coin

Zwar sind diese Krypto-Coins nicht offiziell mit dem 45. Präsidenten der USA, Donald Trump assoziiert, dennoch versprechen sie diesen in seinem Ansinnen zu unterstützen, das Land in eine "sichere und blühende Zukunft zu führen". Wie dies konkret zu bewerkstelligen ist, belassen die Macher von Trumpcoin im Dunkeln. Die Währung, die auf verschiedenen Tradingbörsen gehandelt werden kann, hat einige Nachahmer auf den Plan gerufen, die ebenfalls auf digitale Währungen rund um politische Persönlichkeiten und Staatsleute setzen. So werben beispielsweise die "Putincoin" oder auch die "Mao Zedong Coin" um die Gunst – und die Geldbeutel – der Krypto-Fans.

 

Lotos Network – dezentralisierter Buddhismus

Nichts weniger als die Art, wie Buddhismus erlebt und praktiziert wird, will das Blockchain-Vorhaben "Lotos Network" revolutionieren. Weil buddhistische Tempel bisweilen schwierig zu finden sind, möchte Lotos über den Blockchain-­Ansatz eine Lösung bieten, wie Buddhisten aus der ganzen Welt Tempel auf digitalem Weg bereisen können. Zurzeit befindet sich das Konzept im Aufbau und Interessierte sind eingeladen, über ein öffentlich editierbares Whitepaper mit an der Idee und der Lösung zu arbeiten.

 

Truthahn-Blockchain – transparent vom Bauernhof bis zur Gabel

Der gebratene Truthahn gehört in den USA zu den Thanks­giving-Feierlichkeiten wie der Christbaum zum Weihnachtsfest. Auch in den Vereinigten Staaten werden Themen wie Transparenz und Nachhaltigkeit im Foodgeschäft zu einem stetig wichtiger werdenden Faktor. Unter dem Titel "From Farm to Fork" ("vom Bauernhof bis zur Gabel") bietet der amerikanische Foodhersteller Cargill eine auf einer Blockchain basierende Lösung, die es Konsumenten ermöglicht, den Thanksgiving-Truthahn verlässlich und transparent bis zurück zur Farm, von der er stammt, zu verfolgen.

Der Pilot von 2017 hat sich als überragender Erfolg herausgestellt – das Projekt wurde auch 2018 wieder durchgeführt. So konnten dieses Jahr bereits rund 200 000 Truthähne aus 3500 Verkaufsstellen vom Konsumenten getrackt werden. Dazu wird ein Code auf der Firmen-Website eingegeben und schon erscheinen dank der verbauten Blockchain Informationen zum Herkunftsort, zur Farm sowie Fotos und Statements der Farmer-Familie.

 

"Fuck Token" – dezentralisiertes Krypto-Karma

"To give a fuck" beziehungsweise "Not to give a fuck" ist in der englischen Alltagssprache eine mehr oder wenige charmante Art, jemandem zu zeigen, dass er oder sie (oder ein Thema) einem wichtig ist – oder eben nicht. Die Macher des Fuck Tokens haben auf dieser Basis eine Art Social-Rating-System konzipiert. Die Idee: Wer auf einem sozialen Netzwerk, beispielsweise auf Reddit, einen Artikel oder einen Post sieht, der einem gefällt, klickt den "Give a Fuck"-Button und sendet dem Verfasser somit seine Wertschätzung in Form einer kleinen Anzahl "Fuck Tokens". Aber auch das Gegenteil soll möglich sein: Missfällt einem Leser ein Beitrag, klickt er auf den "Burn"-Button und macht so klar: "I don’t give a fuck."

Gestartet sind die Fuck Tokens Mitte Juli 2018. Dabei konnte eine Kapitalisierung von knapp 1 Million US-Dollar erreicht werden, was gut 70 Millionen vergebener "Fucks" entspricht. Zurzeit arbeitet das Unternehmen nach eigenen Angaben an der Implementierung der sozialen Funktionen und der Verbreitung der Lösung im Social Web.

 

"CryptoCelebrities" – Prominente sammeln

Mit der Ethereum-Anwendung «CryptoCelebrities» können User auf der Basis von Blockchain-Smart-Contracts virtuelle Avatar-Spielkarten mit dem Konterfei von Prominenten (im Angebot sind unter anderem Angelina Jolie, Donald Trump und Ethereum-Gründer Vitalik Buterin) sammeln und handeln. Jeder Prominente ist nur ein Mal im "Crypto­Celebrities"-Universum vertreten und kann im Wert sinken oder steigen. Der Wert der virtuellen Promis wird in der Kryptowährung Ethereum ausgegeben. Manche Persönlichkeiten werden zu einem Gegenwert von über 10 000 US-Dollar gehandelt. So sind beispielsweise für den anonymen Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto rund 13 000 Dollar in Ethereum fällig.

 

Die "Sauerstoff"-Blockchain – dezentralisierte Natur

Emilian Enev, CEO des Blockchain-Start-ups "Recheck", wurde kürzlich von der amerikanischen Tech-News-Plattform The Next Web zu den ihm bekannten verrücktesten Blockchain-Ideen befragt. Seine Antwort lässt erahnen, zu welch bizarren Gedankenflügen das Blockchain-Prinzip manchen findigen Unternehmer inspiriert: "Ich kenne eine Firma, die an einer Technologie arbeitet, die es Usern ermöglicht, Bäume zu pflanzen und diese mit einem Micro-Controller und einem Wallet sowie an eine Blockchain zu verbinden. Über die integrierten Sensoren wäre es dann möglich, zu eruieren, wer an diesem Baum vorbeigeht und dieser Person den produzierten Sauerstoff in Rechnung zu stellen." So weit, so ungewöhnlich. Enev führt weiter aus: "Das gehört zu den verrücktesten Ideen, von denen ich je gehört habe. Aber das Beste ist: Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass ein solches Konzept funktionieren könnte. Um ehrlich zu sein, bin ich vom Konzept ziemlich beeindruckt."

 

"CryptoZombies" – Lernspiel für Blockchain-Programmiersprachen

"CryptoZombies" ist ein Browser-Game, das die Programmierung von Smart Contracts über das Bauen eigener Krypto-Sammel-Spiele vermittelt. Dabei werden in browser­basierten Step-by-Step-Lektionen die Basics der Blockchain-Programmiersprache "Solidity" beigebracht. Am Ende der ersten Lektion hat der Lernende ein eigenes, vollwertiges Blockchain-Spiel entwickelt; so versprechen es die Macher. Ersonnen wurde die Anwendung von einem Plattformanbieter im Blockchain-Umfeld mit dem Ziel, mehr Entwickler für Krypto-Apps auf der Basis der Ethereum-Blockchain zu begeistern.

 

Die Blockchain lebt

Ob nützlich, seltsam, verrückt, bizarr, grotesk oder einfach nur klamaukesk – die Experimentierfreude rund um Krypto-Coins und andere Blockchain-Anwendungen und die gelebte Themenvielfalt gerade auch bei kleinen Initiativen beweisen, dass das Ökosystem Blockchain lebt.

Und wer weiss: Vielleicht entwickelt sich aus einer anfangs belächelten Idee auch die Mega-Innovation von morgen.

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