Next Global Hot Thing beim Digital Economy Award

Wie Auterion mit seinem "Android für Drohnen" weltweit für Aufsehen sorgt

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Sie haben beim ersten Digital Economy Award den Titel "Next Global Hot Thing" gewonnen: Auterion. Das Start-up überzeugte mit seinem Betriebssystem für Enterprise-Drohnen. Im Interview geben die Gründer Lorenz Meier und Kevin Sartori Auskunft über Open Source, Investoren und die Arbeit an PX4.

Lorenz Meier und Kevin Sartori, Gründer von Auterion (Source: Kevin Sartori)
Lorenz Meier und Kevin Sartori, Gründer von Auterion (Source: Kevin Sartori)

Auterion hat am Digital Economy Award die Auszeichnung "Next Global Hot Thing" gewonnen. Was bedeutet das für Sie?

Lorenz Meier: Auterion ist der Drohnen-Industrie international bereits bekannt – die führenden Nationen sind dort die USA und China. Die Auszeichnung hilft uns, einer breiteren Öffentlichkeit zu erklären, dass der bedeutendste Drohnen-Autopilot in der Schweiz erfunden wurde.

 

Bitte erklären Sie unseren Lesern kurz, was Ihr Unternehmen Auterion genau macht.

Meier: In vier Wörtern: Das Android für Drohnen. Natürlich nur im übertragenen Sinne: Wir entwickeln ein Betriebssystem für Drohnen, bei dem man wie bei Android Apps installieren kann. Und ebenfalls wie bei Android liefern wir eine Reihe von wichtigen Grundanwendungen bereits mit, die essenziell für den Betrieb der Drohne sind. Wie jeder Vergleich hinkt auch dieser, insbesondere da unsere Softwareplattform viel enger mit der Open-Source-Entwickler-Community zusammen entwickelt, als dies bei Android der Fall ist, das im Prinzip ein Produkt von Google ist.

 

Wer hatte die Idee für Auterion?

Meier: Ich gründete 2008 an der ETH ein Studenten-Team, das an einem Drohnen-Wettbewerb teilnahm. Daraus sind schliesslich im Laufe des Master-Studiums eine Reihe von Open-Source-Projekten entstanden, deren Kern die PX4-Autopilot-Software ist. Diese habe ich während meines Doktorats weiterentwickelt. Dabei stand immer im Vordergrund, eine möglichst grosse Entwickler-Community zu schaffen. Auterion war dann der nächste Schritt, der notwendig wurde, als die PX4-Autopilot-Software immer weiter verbreitet wurde, aber die Drohnenhersteller sich zunehmend schwertaten, sie erfolgreich in ihren Drohnen zu installieren. PX4 ist für Entwickler gedacht; die Enterprise-Distribution von Auterion ist das "PX4 für Unternehmen".

 

Was bedeutet das?

Meier: Das heisst, dass wir weiterhin alle Vorteile der Open-Source-Community-Entwicklung erhalten, aber die Software zusätzlich testen und die Installation auf der Drohne massiv vereinfachen. Wie bei einer Linux-Distribution liefern wir ausserdem noch viele weitere Tools und Anwendungen mit, welche die Kernsoftware erst wirklich in der End­anwendung nutzbar machen. Dazu gehören zum Beispiel Kameratreiber für Sony-Kameras oder unsere eigene App, um Drohnen steuern zu können – Auterion GS.

 

Auterion ist ein ETH-Spin-off. Profitieren Sie immer noch von der Nähe zur ETH?

Kevin Sartori: Wir profitieren stark von allen Talenten, welche die ETH hervorbringt. Deshalb unterstützen wir ETH-Studierende bei ihrer Masterarbeit und bieten auch Praktika, Teilzeitarbeitsplätze und Einstiegspositionen an.

 

Wie viele Mitarbeiter beschäftigt Auterion?

Sartori: Das ändert sich jede Woche, denn es werden rasant mehr. Zurzeit haben wir 32 Mitarbeiter, fast alle davon in Zürich. Angefangen haben wir im Januar mit sechs, und generell lässt sich sagen, dass wir alle sechs Monate die Anzahl der Mitarbeiter verdoppeln.

 

Sie entwickeln das offene Betriebssystem PX4. Warum braucht es ein Open-Source-Betriebssystem für Drohnen?

Sartori: In jedem Softwarefeld gibt es die proprietären und offenen Lösungen, und zumeist konsolidieren sich Softwaremärkte auf zwei Lösungen – denn ein Monopol ist für die Anwender nicht wünschenswert. Aber zu viele Betriebssysteme zu unterstützen, verursacht zu hohe Kosten. Dadurch entwickelt sich automatisch ein Duopol wie iOS und Android oder Mac und Windows. Selbst bei Flugzeugen ist dies mit Boeing und Airbus so.

 

Ist das ganze Betriebssystem offen oder nur Teile davon?

Meier: Das gesamte Betriebssystem ist offen.

 

Welche Lizenz nutzen Sie für PX4? Warum gerade diese?

Meier: Wir nutzen BSD. Die Erfahrung zeigt, dass Entwickler grundsätzlich Code beitragen wollen oder aus pragmatischen Gründen und fast nie aufgrund eines Zwangs in der Lizenz. Mit der Wahl der BSD-Lizenz kann die Software flexibel ohne Lizenzrisiken eingesetzt werden und Unternehmen verstehen auch ohne juristische Zwängerei die Vorteile davon, ihre Änderungen mit dem Rest der Industrie zu teilen.

 

Besteht nicht die Gefahr, dass die Technologie von Auterion kopiert oder gar missbraucht wird? Wie verhindern Sie das?

Sartori: Auterion ist Teil der PX4-Entwickler-Community und teilt gerne Code mit dieser, inklusive anderer Unternehmen. Gleichzeitig ist die Auterion Cloud Suite ein SaaS-Produkt, das in der Cloud läuft und mit dem mit PX4 betriebene Drohnen verwaltet werden können. Die Cloud Suite erlaubt dem Betreiber einer Drohnenflotte, die Wartung zu automatisieren und auch zu überprüfen, ob alle Regeln zur Flugsicherheit eingehalten werden. Ausserdem ist es möglich, Software-Updates auf alle Drohnen einzuspielen und sogar Apps auf Drohnen zu installieren – in der Form von Docker-Containern. Dies erlaubt Auterion, alle Verbesserungen an der Drohne mit der Entwickler-Community zu teilen, da die Auterion Suite und Distribution eigene zusätzliche Features haben.

 

Wie viele Entwickler arbeiten an PX4?

Sartori: Es gibt über 6000 Entwickler, die PX4 verwenden, und ein guter Teil davon trägt auch Quellcode zum Projekt bei. Damit ist PX4 die grösste Open-Source-Community im professionellen Drohnenbereich.

 

Wie arbeiten Sie zusammen, wenn die Entwickler überall auf der Welt verstreut sind?

Meier: Mit vielen Videoschaltungen am frühen Morgen, am Abend mit Slack und mit viel Geduld. Es fordert dem Maintainer, dem Koordinator der Community, einiges ab. Dies ist bei PX4 und Mavlink weiterhin Lorenz – gemeinsam mit weiteren wichtigen Entwicklern, die mittlerweile führende Rollen in der Community eingenommen haben.

 

Was tun Sie, damit die Entwickler nicht zu Konkurrenzsystemen abwandern?

Meier: Das Schöne an Open Source ist, dass es keine künstlichen Schwellen gibt, es zählt nur die technische Stärke. Das heisst, dass sich PX4 laufend neu erfinden und nicht nur die eigene Software verbessern muss, sondern auch die Entwicklertools, die Koordination der Entwickler und vieles mehr. Aufgrund der Arbeit der letzten zehn Jahre ist daraus eine kritische Masse entstanden, die auch das Vertrauen der Industrie geniesst. Und dies führt dazu, dass immer mehr Entwickler dazustossen.

 

Welche Linux-Distribution bildet die Basis für PX4? Eine eigene?

Meier: PX4 läuft auf einem Echtzeit-Betriebssystem – "RTOS" –, das "NuttX" heisst und ebenfalls BSD-lizenziert ist. Auf dem parallel geschalteten Linuxsystem, das für die Bildverarbeitung und Kommunikation verwendet wird, läuft in der Entwicklung meistens die letzte Version von Ubuntu, auf den echten Produkten dann aber zumeist ­Yocto Linux.

 

Wie intelligent sind Drohnen, die mit PX4 fliegen?

Meier: Unsere Funktionen für Autonomie sind weit fortgeschritten. Drohnen, die mit Auterion fliegen, können Hindernisse erkennen und ihnen ausweichen, und zwar in alle Richtungen. Sie sind auch mit Skyguide verbunden und landen bei Annäherung eines Flugzeugs oder Helikopters.

 

Wer setzt das Betriebssystem ein?

Meier: Amazon Prime Air, DHL, JD.com, Yuneec – der zweitgrösste Drohnenhersteller nach DJI – und hunderte kleinere Unternehmen, die Spezialdrohnen zum Beispiel für Film und Fernsehen anbieten und überhaupt erst dank PX4 in der Lage sind, ein Gesamtsystem zu bauen.

 

Lässt sich PX4 nur für Drohnen nutzen oder gibt es weitere Anwendungen?

Meier: PX4 ist ein Betriebssystem für mobile Roboter und ist überhaupt nicht auf Drohnen beschränkt.

 

Wie stellen Sie sicher, dass PX4-Drohnen nicht gehackt werden können?

Meier: Durch Verwendung von standardisierter Open-Source-Software profitieren wir von der gemeinsamen Investition der Softwareindustrie in Sicherheit, und der offene Quellcode stellt sicher, dass Fehler schneller gefunden werden und keine Hintertüren vorhanden sind. Das heisst, dass wir genauso wie Red Hat oder Google an der Sicherheit arbeiten. Selbst der Code für Apples Betriebssystem ist Open Source.

 

Nehmen wir einmal an, in PX4 taucht trotzdem eine Sicherheitslücke auf, welche die Drohnen anfällig für Hacks macht. Wie könnten Sie sicherstellen, dass ein Fix alle Drohnen erreicht?

Meier: Das ist unser Kerngeschäft – mit Auterion betriebene Drohnen verfügen über Online-Software-Updates und holen diese aktiv ab. Die Sicherheit – und auch Flugsicherheit – ist unseren Kunden extrem wichtig und wir ermöglichen diese auch beim Betrieb einer grossen Flotte.

 

Wie verdient Auterion Geld?

Meier: Wir stellen wie Red Hat für Linux eine Enterprise-Distribution von PX4 für Drohnen zur Verfügung. Dafür bezahlen unsere Kunden pro Drohne und pro Monat.

 

Laut dem Bund sind in der Schweiz rund 80 Firmen in der Drohnenindustrie tätig. Sind das für Sie Konkurrenten oder eher Partner?

Sartori: Selbstverständlich sind dies alles potenzielle Partner und Kunden. Viele der Unternehmen sind jedoch in spezifischen Nischen aufgestellt. Die wichtigsten Kunden von Auterion sind in den USA.

 

Auterion akquirierte dieses Jahr zehn Millionen US-Dollar. Wie haben Sie das geschafft?

Meier: Risiko-Kapital-Firmen investieren in Unternehmen, die ein starkes Team und das Potenzial haben, einen grossen internationalen Markt zu bedienen. Dazu muss der Kunde im Vordergrund stehen und nicht Technologie – und genau diese Grundeinstellung haben die Investoren bei Auterion gefunden.

 

Ist Auterion jetzt nicht mehr unabhängig? Wie stark beeinflussen die Investoren die Entwicklung?

Sartori: Es ist gerade anders herum, als die Frage suggeriert: Auterion hat ausschliesslich unabhängige Investoren ohne strategische Interessen. Damit ist es nur sich selbst verpflichtet und kann die Produkte auf die Bedürfnisse des Marktes hin entwickeln, statt von einzelnen Grosskunden abhängig zu sein.

 

Was machen Sie nun mit all dem Geld?

Sartori: Die Investition verschafft dem Unternehmen finanzielle Unabhängigkeit und diese bleibt nur bestehen, solange man es nicht zu schnell ausgibt. Das heisst, auf die Bank legen und möglichst nicht anfassen. Zurzeit verwenden wir die Mittel fast ausschliesslich für die Löhne unserer Mitarbeiter.

 

Die Jury des Digital Economy Award lobte, dass Sie ihre Geldgeber gezielt aussuchten. Wie muss man sich das vorstellen? Gab es so viele Interessenten, dass Sie auswählen konnten?

Meier: Der Risiko-Kapitalmarkt ist binär: Entweder sind Investoren sehr kritisch und man kann allenfalls einen überzeugen oder man hat eine wirklich gute Geschäftsidee wie unsere und dann ist man sofort in der Situation dass man aussuchen kann. Wir haben die Investoren gewählt die langfristig orientiert sind und an die wirklich grossen Ideen glauben - und auch bereit sind, dafür den gesamten eingesetzten Betrag zu riskieren.

 

Die Drohnen-Industrie ist stark fragmentiert. Warum?

Meier: Warum war die Smartphone-Industrie vor wenigen Jahren noch so stark fragmentiert? Weil es in der Natur des Menschen liegt die eigene Lösung immer für die Beste zu halten. Die Drohnen Industrie ist in einer Konsolidierungsphase und Unternehmen die auf eigene Software setzen werden das Schicksal von Nokia teilen.

 

Wer sind die grössten Konkurrenten von Auterion?

Sartori: Wir sind das erste Unternehmen, das eine Open-source-Distribution für Drohnen anbietet. Unsere Haupt-Konkurrenz ist daher die Eigenentwicklung von ähnlichen Lösungen von einzelnen Unternehmen. Wir haben allerdings beobachtet dass selbst grosse Unternehmen wie GoPro oder Parrot aus Kostengründen Stellen streichen mussten, da die Eigenentwicklung Unsummen verschlingt.

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