Buzzwords kurz erklärt

Marketing im Zeitalter von Big Data

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von Luc Holzach, Matthias Ziegler

Die digitale Revolution macht auch vor dem Marketing nicht Halt. In der Folge wirft die Werbeindustrie wild mit neuen Buzzwords um sich, oftmals ohne genau zu wissen, was sie bedeuten. Dieser Beitrag schafft Klarheit im Begriffsdschungel und zeigt, welche Möglichkeiten die Digitalisierung für das Marketing bereithält.

(Source: Robert Kneschke / Fotolia.com)
(Source: Robert Kneschke / Fotolia.com)

Soziodemografische Faktoren erweisen sich bei messbaren, digitalen Kampagnen als wenig hilfreich: Denn es spielt allzu oft keine Rolle, ob der Käufer eines Produkts ein 60-jähriger Rentner aus dem Bündnerland ist oder ein 14-jähriges Mädchen aus der Stadt Zürich. Was zählt, ist das Verhalten, das hinter dem Kaufentscheid steckt. Kennt man die Hintergründe für das Kaufverhalten, lassen sich potentielle Käufer besser erkennen. Denn ein ähnliches Kaufverhalten signalisiert Interesse am selben Produkt. Die Grundlage dieser Art von Marketing sind strukturierte Verhaltensdaten. Hat der Marketeer Zugriff darauf, ist der erste Schritt zum datengetriebenen Marketing (Data-driven Marketing) und damit zur Chance für höhere Verkaufszahlen bereits gemacht.

Relevanz und Real Time

Konsumenten in Europa erhalten gemäss Internetrecherche täglich zwischen 500 und 10'000 Werbebotschaften. Wo auch immer die genaue Zahl liegt: Es sind zu viele Botschaften, die unsere Aufmerksamkeit erheischen wollen. Auf der einen Seite stehen die Marketeers, die den ROI Ihres Werbebudgets maximieren wollen, und auf der anderen Seite die Konsumenten, die vor lauter Werbung die einzelne Botschaft nicht mehr wahrnehmen.

In einer perfekten Welt würden dem Konsumenten nur Informationen gezeigt, die er gerade braucht. Zum Beispiel, dass sich sein Kaffee dem Ende zuneigt, noch bevor er die letzte Kapsel in der Hand hält. Was für den Konsumenten zählt, ist die individuelle Relevanz der Werbebotschaft.

Durch das Internet der Dinge (Internet of Things) und verschiedene Analysemethoden grosser Datensätze ist die Ausspielung von individualisierten Botschaften heute schon möglich. Die Autoindustrie ist ein gutes Beispiel dafür: In vielen Automodellen sammeln tausende Sensoren ununterbrochen Daten. Daraus lesen die Fahrzeughersteller beispielsweise ab, wann welches Teil demnächst ersetzt werden muss. So kann die Auto-Garage vor Ort den Fahrzeughalter noch vor einer Panne darüber informieren, dass ein Besuch notwendig ist.

Einsatz im Marketing

Individualisierte Werbebotschaften und ihre kanalspezifische Ausspielung zum passenden Zeitpunkt – bis hin zu Real Time – bieten dem Marketing komplett neue Möglichkeiten. Wird dem Konsumenten eine für ihn relevante Botschaft zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Kanal ausgespielt, steigt die Konversionsrate deutlich an. Klassische Werbung kann auf diesem Level nicht ansatzweise mithalten. Steht zum Beispiel der Geburtstag des Nachwuchses an, sind die Eltern sehr empfänglich für entsprechende Botschaften und Angebote. Diese Daten erhält ein Einzelhändler vielleicht über eine Kundenkarte, welche die ganze Familie erfasst. So kennt er die Geburtsdaten des Kindes und dessen Vorlieben im Sortiment.

Das Beispiel zeigt, dass sich mit Verhaltensdaten Affinitäten und Kaufpotentiale identifizieren oder prognostizieren lassen. In der Folge können voll automatisierte Kampagnen ausgespielt werden (Marketing Automation), die aufgrund eines Triggers ausgelöst werden (Trigger-based Marketing). Auch komplexe Verhaltensmuster können als Trigger dienen: Durch Datenanalyse ist es zum Beispiel möglich, die Absprungbereitschaft der Kunden zu erkennen und darauf mit automatisierten Gegenmassnahmen zu reagieren (Churn Prevention).

Einige Buzzwords des datengetriebenen Marketings kurz erklärt

  • Data-driven Marketing

Ein Teil des One-to-One-Marketings, das aufgrund von ausgewerteten Daten die Basis für Strategie und Massnahmen darstellt. Die ausgewerteten Daten erlauben, individuell relevante Informationen zur richtigen Zeit auf dem richtigen Kanal auszuspielen. Data-driven Marketing ist auch die Grundlage für Marketing Automation.

  • Marketing Automation

Methode, bei der datenbasierte Marketingprozesse automatisiert werden. Dabei löst ein definierter Trigger auf einem oder mehreren Kanälen (omnichannel) individualisierte Customer Journeys aus. Diese werden aufgrund von mehr oder weniger komplexen Algorithmen ausgespielt. Das Verhalten und die Reaktionen während der Journey können gemessen werden und in den Algorithmus einfliessen.

  • Trigger-based Marketing, Event-based Marketing

Bei diesen Formen des Marketings führen definierte Ereignisse (Geburtstag, Jubiläum, Verhaltensmuster etc.) dazu, dass Botschaften ausgespielt werden. Der Prozess stellt vor allem meist zeitliche Relevanz für den Konsumenten sicher. Informiert sich jemand zum Beispiel auf einer Webseite über eine Reiseversicherung, ist die Person wahrscheinlich offen für ein entsprechendes Angebot.

  • Geofencing

Eine spezifische Form des Event-driven Marketing. Beim Geofencing wird das Betreten eines vorab festgelegten Orts als Auslöser für das Ausspielen von Massnahmen genommen. Geofencing erfordert ein Geo-Tracking, das bei Mobile Apps oder über hierfür spezialisierte Dienste eingesetzt werden kann.

  • Programmatic Advertising

Eine softwarebasierte Methode, um Online-Werbung automatisiert und in Echtzeit zu buchen, auszuspielen und zu optimieren. Hierbei wird definiert, wer die Werbung erhalten soll, wie hoch das Gesamtbudget ist und wie viel die einzelne Ausspielung kosten darf. Programmatic Advertising wird meist mit "Real Time Bidding" umgesetzt, einem automatisierten Auktionsverfahren in Echtzeit, wobei jeweils die Werbemittel des Höchstbietenden ausgespielt werden. Daneben gibt es "Private Deals", bei denen ein fixer Preis und ein fixes Inventar ausgehandelt werden.

  • Programmatic Creation

Dynamisches Generieren von Werbemitteln. Die Werbung passt sich visuell und inhaltlich dem Profil des Betrachters an. Dazu sind modulare Bestandteile erforderlich, die sich je nach Betrachter und Situation anders kombinieren.

  • One-to-One-Kommunikation

Bezeichnet die individualisierte Einzelansprache im Marketing. Die Empfänger sind jeweils bekannt und werden einzeln und persönlich angesprochen. Klassische Kanäle sind Direct Mailings und E-Mails. Dank Big Data sowie verbesserten Tracking- und Identifizierungsmethoden ist die One-to-One-Kommunikation zu einer der innovativsten Formen des digitalen Marketings geworden.

  • Internet of Things (IoT, Internet der Dinge)

Sammelbegriff für Technologien, die virtuelle und physische Gegenstände vernetzen und interagieren lassen – zum Beispiel, indem der Kühlschrank warnt, wenn die Milch ausgeht.

  • Descriptive, Predictive, Prescriptive und Diagnostic Analytics

Analytische Methoden, mit denen Marketeers aus grossen Datenmengen Schlüsse ziehen und bessere Entscheidungen treffen können.

  • Descriptive Analytics: Ermöglicht Einblicke in die Vergangenheit und beantwortet die Frage "Was ist passiert?".

  • Diagnostic Analytics: Sucht nach dazugehörigen Gründen und beantwortet die Frage "Warum könnte etwas passiert sein?"

  • Predictive Analytics: Hilft, die Zukunft zu verstehen, und beantwortet die Frage "Was könnte passieren?".

  • Prescriptive Analytics: Erleichtert Entscheidungen mittels Vorhersagen und beantwortet die Frage "Was sollen wir tun?".

Die Autoren:

Luc Holzach ist Senior-Berater und Partner bei der Agentur Partner&Partner, Matthias Ziegler arbeitet dort als Konzepter und Texter.

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