Antworten auf Covid-19

Die Krise treibt bei der WTO die Digitalisierung voran

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von Rodolphe Koller und Übersetzung: Oliver Schneider

Wie in anderen Organisationen hat die Eindämmung des Coronavirus den Einsatz kollaborativer Technologien bei der Welthandelsorganisation (WTO) beschleunigt. IT-Leiter Fabrice Boudou erklärt die Entscheidungen, die getroffen wurden um sicherzustellen, dass der Betrieb, die Sitzungen und die Verhandlungen weiterhin den Anforderungen Rechnung tragen.

Fabrice Boudou, IT-Leiter der WTO. (Source: zVg)
Fabrice Boudou, IT-Leiter der WTO. (Source: zVg)

Auch die Welthandelsorganisation (WTO) hat es tangiert. Infolge des Coronavirus mussten die 700 Mitarbeiter der WTO am Genfer Hauptsitz der Organisation ihre Büros verlassen und ihre Arbeit im Homeoffice fortsetzen. Der Transfer wurde durch die IT-Teams abgewickelt. "Es war gar nicht so kompliziert. Wir haben uns auf unsere ITIL-Verfahren verlassen und mussten lediglich die Kapazitäten für Fernverbindungen im Laufe der Zeit erhöhen", erklärt Fabrice Boudou, IT-Direktor der WTO.

"Die Formel ist dabei die gleiche wie in anderen Organisationen: Wir setzen VPN-Zugang, Bandbreite, VDI und Kollaborationswerkzeuge, in diesem Fall Teams, ein und erweitern sie. "Es ist faszinierend", sagt der CIO. "Früher hatten wir eine umfassende Strategie, um die Menschen dazu zu bewegen, Teams zu nutzen. Jetzt arbeitet jeder damit, selbst die Widerwilligsten."

Die ersten Wochen des Lockdowns verbrachte die IT der WTO ausserdem damit, weitere PCs einzurichten und die Benutzer mit Telearbeit-Tools zu unterstützen. "Schnell war jeder in der Lage, von zu Hause aus zu arbeiten und produktiv zu sein", sagt Fabrice Boudou. "Wir wurden ein wenig wie die Retter der Organisation gesehen, obwohl wir nur unsere Arbeit taten. Mit vielleicht etwas mehr Intensität als sonst, das ist wahr".

Covid-19 hat der Cloud-Nutzung Schub verliehen. "Da sich unsere Virtual Desktop Infrastructure (VDI) am Ende ihrer Lebensdauer befindet, hatten wir geplant, sie noch vor Jahresende zu ersetzen. Wir sagten uns: Entweder erneuern wir die Infrastruktur mit hohen Investitionen oder wir ziehen in die Cloud", so der CIO. Da sich die WTO mit Streitigkeiten zwischen Ländern befasst, kam es aber nicht in Frage, dass vertrauliche Daten für Geheimdienste der Mitgliedstaaten zugänglich werden. Die Organisation entschied sich daher stattdessen für eine Transformation des bestehenden Dienstes.

"Wie uns Covid-19 gezeigt hat, ist der Remote-Zugang zur eigenen Maschine, bei dem den Benutzern ihre normale Arbeitsumgebung zur Verfügung gestellt wird, eine sehr gute Lösung", sagt Boudou. So setzt die IT-Abteilung nun auf die Bereitstellung des Fernzugriffs via Remote Desktop Connection, anstatt die VDI für alle anzubieten. VDI wird noch von Übersetzern genutzt, die für die WTO arbeiten. "Dadurch wird die Nutzung der Cloud und ein Pay-per-Use-System möglich", erklärt Fabrice Boudou. Er sieht, wie die Krise einige Barrieren einbrechen lässt. Die VDI-Lösung läuft in der Azure-Cloud. Vor einiger Zeit wäre das noch unvorstellbar gewesen.

Verhandlungen per Videokonferenz?

Die WTO ist keine Organisation wie jede andere. Zum Beispiel ist es ihr nicht möglich, Handelsstreitigkeiten über Teams oder ein anderes öffentliches System zu verhandeln oder zu schlichten. Stattdessen tauschen sich die beteiligten Parteien über ein Tool aus, das eine grössere Vertraulichkeit garantiert: Eine "private" Skype-for-Business-Lösung, die von einer anderen internationalen Organisation mit Sitz in Genf gehostet wird. "Die Lösung ist absolut vertraulich, solange niemand mit einem Telefon daran teilnimmt", sagt Fabrice Boudou.

Dies ist nicht die einzige Besonderheit, die bewältigt werden muss. So müssen auch Lösungen gefunden werden, die es den Mitgliedern ermöglichen, in Ausschüssen zu tagen, die für so unterschiedliche Bereiche wie Marktzugang, Landwirtschaft oder Dienstleistungen zuständig sind. Dazu kommt die Herausforderung, dass Sitzungen zwischen Ländervertretern live von Dolmetschern übersetzt werden müssen.

Auch hier kommt durch die Dringlichkeit einiges in Bewegung, sagt Fabrice Boudou: "Wir hatten grosse Schwierigkeiten, die Ausschusssitzungen im digitalen Modus zu testen. Von einem Tag auf den anderen hatten wir nur 48 Stunden Zeit, um eine Lösung mit mehr Sicherheitsgarantie als Zoom einzuführen. Da Standardlösungen wie Teams den Dolmetschern nicht die notwendigen Werkzeuge zur Verfügung stellen, entschied sich die IT-Abteilung für eine spezifische Schweizer Lösung, die bereits von der Internationalen Fernmeldeunion getestet wurde. Das Besondere daran ist, dass einer der Hauptinvestoren des Unternehmens die Familie Suchard ist.

Projekte, die anlaufen und solche, die wieder anlaufen

Zwei Monate nach Beginn des Lockdowns und unter dem Eindruck einer Krise, die weiter andauern könnte, bereitet sich Fabrice Boudou bereits auf die Weiterentwicklung der IT-Kapazitäten vor. Auch andere Aktivitäten wird die WTO wahrscheinlich virtuell durchführen müssen, wie beispielsweise grosse Konferenzen oder die Live-Schulung von Beamten aus Entwicklungsländern in Afrika, Asien und Lateinamerika.

Einige Transformationsprojekte sind nicht stehen geblieben und könnten von der gegenwärtigen Dynamik und Aura der IT profitieren. Insbesondere erwähnt der CIO die Migration der HR-Systeme auf ein neues System-as-a-Service sowie ein Grossprojekt zur Digitalisierung der Dokumentenerstellung und der Übersetzungsabläufe.

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