Parldigi-Dinner 2017

Wie viel Digitalisierung verträgt die Demokratie?

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Fake-News auf Facebook und Bots auf Twitter schaden dem demokratischen Diskurs. Was bedeutet das für die Demokratie in der Schweiz? Das diskutierten Experten, Politiker und IT-Fachleute am Parldigi-Dinner.

Autorin Adrienne Fichter erläutert die Auswirkungen digitaler Technik auf die Demokratie. (Bild: Netzmedien)
Autorin Adrienne Fichter erläutert die Auswirkungen digitaler Technik auf die Demokratie. (Bild: Netzmedien)

Die Parlamentariergruppe für digitale Nachhaltigkeit, kurz Parldigi, hat in Bern bei einem Abendessen mit Vertretern aus Politik und IT-Wirtschaft über die Auswirkung von IT auf den politischen Diskurs debattiert. Digitale Kampagnen seien sehr effizient, sagte Franz Grüter, Co-Präsident von Parldigi, in seiner Eröffnungsrede.

Digitale Kampagnen seien emotional, zielgerichtet und würden den Nerv des Empfängers treffen. Über "Likes" und "Shares" würden die Botschaften vervielfacht und an zahlreiche weitere Empfänger rasch verschickt. Dadurch wird die Botschaft nicht mehr von einer Partei, sondern von einem Freund abgesendet, was wiederum Gleichgesinnte aktiviere.

Auf diese Weise beeinflussten soziale Netzwerke massiv die Wahrnehmung der Bürger. Viele der eingesetzten Mittel seien ethisch fragwürdig. "In der Schweiz stellt sich daher die Frage, wie sich die Demokratie und der politische Diskurs durch die Digitalisierung entwickelt", sagte Grüter.

Fake-News, Bots und Filterblasen

Eine berechtigte Frage, wie der anschliessende Vortrag von Informatikprofessor Abraham Bernstein von der Uni Zürich zeigte. Bernstein erklärte, wie bereits bei der Wahl von Barack Obama Wähler zielgerichtet informiert wurden. Ausserdem zeigte Bernstein anhand von Studien, dass die Wählergruppen in den USA polarisiert sind und sich hauptsächlich in ihrem Wahrnehmungsumfeld bewegen. Soll heissen: Wer Trump wählt, wird sich mit Trumps Themen wie etwa unkontrollierter Zuwanderung aus Mexiko beschäftigen und über die Algorithmen von Facebook und Co. ähnliche Nachrichtenbeiträge in seiner Timline zu sehen bekommen.

Auf diese Weise verstärkt sich die vorgefasste Meinung, da die Menschen in ihrer sogenannten Filterblase leben und sich durch die personalisierten Nachrichten in ihrer Meinungen nur bestätigt fühlen. Man muss kein Professor sein, um zum Schluss zu kommen: Auf diese Weise ist ein offener Diskurs kaum möglich. Hinzu kommen Bots, automatische Text-Systeme, die Posts auf Facebook und Twitter absetzen. Diese beeinflussen den Diskurs ebenfalls, da sie schwierig zu entlarven sind.

Es gewinnt, wer den meisten "Lärm" erzeugt

Anschliessend beleuchtete die Politologin, Journalistin und Buchautorin Adrienne Fichter die Lage der Demokratie. Sie verwies auch auf die ungünstige Verknüpfung von Nachrichten-Websites und Facebook. Das soziale Netzwerk will seinen Kunden möglichst personalisierte Nachrichten zuspielen.

Das können NZZ-Artikel sein, oder sogenannte Fake-News. Nachrichten, die übertrieben oder schlicht erlogen sind. Der Algorithmus von Facebook unterscheidet nicht. Das nutzen Fake-News-Publikationen aus. Fichter konnte aufzeigen, wie die Reichweite von Fake-News-Portalen in der heissen Phase des US-Wahlkampfs auf Facebook anstieg. Fichters Fazit: "Facebook ist ungeeigenet für den politischen Diskurs." Es profitiere, wer viel "Lärm" mache.

Wie moderne IT die Demokratie unterstützen kann

Es existierten aber auch positive Ansätze von digitalen Formaten für die demokratische Willensbildung, sogenannte Civic Tech Initiativen wie etwa Pol.is.

Das Machine-Learning unterstützte System wird etwa auf Taiwan genutzt, um die Bevölkerung bei politischen Entscheiden miteinzubeziehen. Auf diese Weise wurde eine einvernehmliche Lösung für den Markteintritt von Uber gefunden. Der schöne Nebeneffekt: Die Beliebtheit der Politiker stieg in der Bevölkerung.

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