Contra Linux

Swiss Open Systems User Group /ch/open kritisiert Solothurner Entscheidung

Uhr | Aktualisiert
von asc

Obwohl die Solothurner Regierung noch im letzten Monat ihre positive Haltung zum Linux-Projekt der kantonalen Verwaltung öffentlich bekräftigte, hat sie letzte Woche ihre Strategie überraschend über den Haufen geworfen.

Dabei hat sie entgegen den Empfehlungen der von ihr selber beigezogenen IT-Experten entschieden. Die Swiss Open Systems User Group /ch/open stellt diesen willkürlichen Entscheid in Frage. Sie fordert als gesamtschweizerischer Verein für die Förderung von offenen Systemen den Regierungsrat auf, alle Einzelheiten der Urteilsfindung bekannt zu geben und ein allfälliges Nachfolge-System im Rahmen einer korrekten öffentlichen Ausschreibung zu beschaffen.

Der ursprüngliche Plan

Die Informatikstrategie des Kanton Solothurns wurde 2001 vom Kantonsrat abgesegnet, in allen Behörden auf Linux umzustellen. Das Projekt Linux-Desktop wurde vom Regierungsrat im September 2006 definitiv beschlossen. Noch im vergangenen August 2010 bestätigte die Solothurner Regierung das Festhalten an der Linux-Strategie. Letzte Woche wurde dann entschieden, dass der Linux-Desktop weichen müsse. Alle kantonalen PCs müssten flächendeckend unter Windows 7 laufen. Völlig unklar bleiben die vermutlich massiven Kostenfolgen dieses plötzlichen Entscheids, kritisiert der Vereinsvorsitzende Dr. Matthias Stürmer.

Bis 2010 respektive 2011 hätten sämtliche 2000 Solothurner Verwaltungsangestellte mit Rechnern unter Open Source Software (OSS) arbeiten sollen. Das Projekt stand nur wenige Monate vor dem Abschluss der Migrationsarbeiten: Bis dato wurde auf 1300 PCs unter Linux gearbeitet und bei den restlichen Computern war alles für den Linux-Einsatz vorbereitet.

"Verabschiedung wäre ein Rückschritt"

Das weitgehend erfolgreiche, pionierhafte Linux-Projekt wurde jedoch verschiedentlich hinterfragt. Dazu zählten die Finanzkontrolle, vereinzelte unzufriedene Anwender und parlamentarische Vorstösse. In einer Interpellation vom 23. Juni 2010 unter dem Titel "Linux-Strategie am Ende?" fragte die Fraktion CVP/EVP/glp im Zusammenhang mit dem Abgang des Chefs des für die Migration zuständigen Kantonalen Amts für Informatik und Organisation (AIO), Kurt Bader, den Regierungsrat, ob es denkbar sei, sich von Linux zu verabschieden. Die Antwort vom 10. August 2010 in Form eines Regierungsratsbeschluss lautete:

"Die Experten empfehlen, die bisher gewählte Ausrichtung auf offene Systeme und Linux nicht zu ändern, sondern nur die bisher gewählte Art und Weise der Umsetzung der Linux-Desktop Strategie zu korrigieren. Gemäss Aussagen der Experten entspricht die Ausrichtung auf eine Öffnung im Bereich des IT-Arbeitsplatzes, wie sie vom Kanton Solothurn angestrebt wird, den allgemeinen Entwicklungstendenzen in der IT-Branche. Eine 'Verabschiedung' von Linux wäre gemäss Aussagen der Experten als Rückschritt einzustufen. Diese Empfehlung erachten wir als fundiert begründet und nachvollziehbar, weshalb eine Strategieänderung nicht in Erwägung gezogen wird."

1 Million Franken Einsparung

Es ist unbestritten, dass es bei diesem aufwendigen Migrationsprojekt Verzögerungen bei der Umsetzung gab, gewisse Software-Probleme auftraten und einige Mitarbeiter unzufrieden mit der neuen Benutzerschnittstelle waren – aber dies auch nicht mehr als in vergleichbaren Projekten dieser Grössenordnung. Als geradezu perfid sind Anschuldigungen, die wichtigsten Vorteile von einem Linux-Einsatz in Abrede zu stellen. So wurde öffentlich verschiedentlich die Aussage des für die Migration zuständigen AIO in Zweifel gezogen, mit dem Einsatz von Linux liesse sich pro Jahr mindestens 1 Million Franken sparen. Die Gutachter des Regierungsrats zumindest erachteten die bisher geschätzten Einsparungen von 1 bis 1,5 Millionen Franken jährlich aber als völlig plausibel.

Migration ohne Ausschreibung

Obwohl die neuen Kostenfolgen vom Regierungsrat nicht beziffert werden, sollen nächstes Jahr alle kantonalen Desktop-Rechner komplett auf Windows 7 umgestellt werden – dies offenbar ohne öffentliche Ausschreibung. Die /ch/open fordert erstens eine lückenlose Offenlegung aller Hintergründe, die zum letztwöchigen, entgegen den Ratschlägen der eigenen IT-Experten gefällten Entscheid des Regierungsrats geführt haben. Zweitens verlangt der Verein, dass ein allfälliges Nachfolge-Betriebssytem im Rahmen einer rechtmässigen öffentlichen Ausschreibung mit funktionalen Anforderungen und ohne Nennung von Produkt- und Herstellernamen beschafft wird.