Das Tamedia-Insourcing sorgt für Kopfschütteln in der Branche
Die Medienbranche gilt für IT-Outsourcer mit eher tiefen Gewinnen und speziellen Rahmenbedingungen als wenig attraktiv. Jetzt sorgt Tamedia für Aufsehen: Das Medienhaus betreibt ab 2013 die IT wieder selbst.

Swisscom IT Services (SITS) hat seit 2004 sämtliche Arbeitsplätze von Tamedia an der Zürcher Werdstrasse und weiteren Firmensitzen sowie verschiedene Informatiksysteme und die Serverinfrastruktur des Unternehmens betreut. Nicht betroffen waren etwa die IT der 2005 übernommenen Berner Espace Media und jene von Edipresse, die seit 2009 schrittweise von Tamedia übernommen wird.
Jetzt macht Tamedia rechtsumkehrt und will ab 2013 die ganze IT wieder im Eigenbetrieb führen. Dank Insourcing will man Einsparungen im zweistelligen Prozentbereich erzielen. Sprecher Christoph Zimmer ergänzt gegenüber der Netzwoche: «In den letzten Jahren konnten wir die IT-Kosten eines Eigenbetriebs mit den IT-Kosten bei einem externen Partner vergleichen. Unsere Erfahrungen in Bern und Lausanne zeigen, dass diese Grössenordnung realistisch ist.»
Offiziell führt Tamedia für die Kehrtwende die guten Erfahrungen an den Standorten, wo die IT inhouse behalten wurde, sowie Sparmotive als Gründe an. Dennoch ist in den letzten Jahren immer wieder durchgesickert, dass Tamedia nicht vollumfänglich zufrieden war mit seinem Outsourcing-Dienstleister. So wurden Mitarbeiterumfragen publik, die zeigten, dass die inhouse betriebenen Standorte insgesamt besser wegkamen als die ausgelagerten. Als Gründe dafür wurden etwa der zunehmende Kostendruck bei SITS genannt, der scheinbar Auswirkungen auf dessen Dienstleistung hatte.
Gegenüber dem «IT-Reseller», der die Probleme 2007 publik gemacht hatte, beklagte sich Tamedia damals, dass SITS vor allem mit kleinen Einheiten wie Tele Züri oder Radio 24 Probleme hatte. Obwohl zuletzt bekannt wurde, dass sich die Umfragewerte wieder deutlich verbessert hatten, entschied sich Tamedia nun für das Insourcing.
Wenig Verständnis für Tamedia-Entscheid
Der Trend der letzten Jahre lief jedoch in die andere Richtung. Die Auslagerung der IT an einen Spezialisten ist zu einem industrieübergreifenden Thema geworden. Die Outsourcing-Anbieter proklamieren etwa, dass die Auslagerung des IT-Betriebs für den Nutzer Vorteile wie die Konzentration auf das Kerngeschäft, finanzielle Planbarkeit, Zukunftssicherheit oder Flexibilität habe. Den Lockrufen konnten je länger je mehr auch Medienhäuser nicht widerstehen, insbesondere auch grosse. So setzte etwa der grösste deutsche Verlag, Axel Springer, ab 2004 auf die Auslagerung seiner IT-Infrastruktur zu Siemens Business Services (SBS), wie auch die Pro7-Sat1-Gruppe, die ihre IT heute von IBM betreiben lässt. Und eben Tamedia, die es sich jetzt aber wieder anders überlegt hat.
Doch der «Fall Tamedia» ist verzwickter, als man auf den ersten Blick annehmen könnte. So wollten verschiedene von der Netzwoche angefragte IT-Outsourcer zum Fall entweder gar keine Einschätzung abgeben oder nicht mit Namen genannt werden. Man will es sich weder mit SITS noch mit Tamedia verscherzen.
Klar wurde jedoch: Der Tamedia-Entscheid löst beim einen oder anderen Outsourcer Kopfschütteln aus. Das Kostenargument – Tamedia will dank Insourcing sparen – zählt nur bedingt: «Man kann auch durch die Neuverhandlung des Outsourcing-Vertrags oder den Wechsel des Anbieters Kosten sparen. Dafür muss man nicht inhouse gehen», äussert sich ein IT-Outsourcing-Fachmann und Kenner der Medienbranche gegenüber der Netzwoche.
Überhaupt stösst in der Outsourcing-Branche auf wenig Verständnis, dass andere Schwergewichte der Schweizer Medienbranche – Ringier, die Publigroupe, die NZZ-Gruppe und allen voran die SRG – den Betrieb ihrer IT nach wie vor inhouse haben.
Neue Nischenanbieter drängen auf den Markt
Während mit SITS ein grosser Dienstleister einen Outsourcing-Vertrag verloren hat, drängen neue Nischen-Outsourcer für die Medienbranche auf den Markt. Anfang März hatte etwa die SRG-Tochter Swiss TXT bekannt gegeben, ihr Angebot nun vermehrt auch privaten Medienhäusern schmackhaft machen zu wollen.
Das Unternehmen bietet Multimedia Solutions, Managed-Services und Content Solutions für Multimedia-Plattformen an und erbringt diese Leistungen bisher vor allem für die SRG. Die Situation hat sich seit dem Start des Teletext 1983 indes stark verändert: Während es anfänglich nur ein Kanal war, sind es heute unzählige mehr geworden. «Die Medienhäuser sind heute mit steigender Komplexität – zum Beispiel wegen der vielen neuen Devices – sowie einem kürzeren Lebenszyklus der Angebote konfrontiert», sagt Urs Luginbühl, Leiter Multimedia Solutions von Swiss TXT, gegenüber der Netzwoche.
Auch ein anderes Urgestein der Medienbranche, die Schweizerische Depeschen Agentur (SDA), ist 2010 gemeinsam mit dem österreichischen Pendant, APA, in die IT-Dienstleister-Branche eingestiegen. SDA und APA sind heute zu je 50 Prozent am neuen IT-Dienstleister SDA Informatik beteiligt. Er versteht sich als «Informatikdienstleister der Medienbranche», wie Thomas Eltschinger von SDA Informatik der Netzwoche erklärte.
«Die APA hat ein sehr kompetitives Redaktionssystem entwickelt, das sie dank uns verstärkt auch in der Schweiz an Medienunternehmen verkaufen will», so Eltschinger. Das Unternehmen konnte Anfang des Jahres die Schweizer Mediendatenbank (SMD) als Kunden gewinnen. 20 Server der SMD werden heute im Rechenzentrum der SDA Informatik betrieben. Zuletzt war die SMD bei Ringier.
Medienbranche wenig attraktiv
Über die Zurückhaltung der Medienhäuser beim IT-Outsourcing können auch die beiden spezialisierten Dienstleister nur spekulieren. «Die Medienbranche war für viele der grossen IT-Outsourcing-Dienstleister ein – gelinde gesagt – nicht allzu attraktives Geschäftsfeld. Die Branche ist zum Beispiel im Verhältnis zu den grossen Dienstleistern klein, es liegen keine Riesenumsätze drin», fügt Luginbühl an. Und Eltschinger meint: «Die Medienunternehmen sind konservativ. Man muss sehr viel Überzeugungsarbeit leisten.»
SDA Informatik wirbt derzeit laut Eltschinger etwa auch bei Privatradios, wo er durchaus Handlungsbedarf sieht: «Es erstaunt mich hier und da, dass es nicht zu mehr Sendeunterbrechungen kommt. Einige Stationen wirkten schon etwas hilflos im Betrieb ihrer IT.»
Besondere Herausforderungen des IT-Betriebs in der Medienbranche kennt auch Luginbühl: «Der Betrieb von Medienplattformen hat durchaus seine Besonderheiten. Neben extrem wechselndem Nutzungsverhalten halten ständig neue Technologien die Service-Provider auf Trab. Demgegenüber wird eine hohe Kosteneffizienz gefordert, da vielfach die Business Cases der Plattformen noch auf schwachen Beinen stehen.» Ob die speziellen Anforderungen daran Schuld sind, dass grosse Outsourcer hierzulande noch wenig Erfolg in der Medienbranche hatten? Oder ist es die Medienbranche selbst, die bei der IT zu wenig fortschrittlich denkt?
Ein IT-Outsourcing-Fachmann zieht ein einfaches Fazit: «Es ist ähnlich wie mit dem Betrieb einer Kantine. Es gibt wirklich nur wenig Argumente dafür, sie selbst zu betreiben.»

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