Neustrukturierung

Bye, bye webOS und PC-Geschäft

Uhr | Aktualisiert
von asc

Überraschender Strategiewechsel bei Hewlett-Packard: Der IT-Konzern will sein PC-Geschäft abspalten, plant eine milliardenschwere Übernahme und lässt das mobile Betriebssystem WebOS aussterben.

HP überraschte am Donnerstag mit der Ankündigung der radikalen Neustrukturierung des Konzerns. Dazu gehört neben der Beerdigung von Palm auch die komplette oder teilweise Abspaltung der schwächelnden PC-Sparte Personal Systems Group (PSG). Gleichzeitig kündigte der HP-Aufsichtsrat an, das britische Software-Unternehmen Autonomy für gut zehn Milliarden Dollar zu übernehmen.

Erst vor 16 Monaten wagte HP mit der Übernahme von Palm den Einstieg ins Smartphone-Business und begann das Tablet-Geschäft aufzubauen. Beides wird nun zu Grabe getragen: Damit gehören Palm und das Tablet-System webOS (HP Touchpad und webOS-Phones) der Vergangenheit an.

1,3 Milliarden Dollar für die Katz - zumindest dann, wenn sich kein Käufer für die Palm-Technologie findet. Mögliche Kandidaten wären unter anderem Samsung oder HTC. Beide Smartphoneriesen bauen auf das Betriebssystem Android von Google und sehen sich einer verschärften Konkurrenz gegenüber, seit der Webriese angekündigt hat für 12,5 Milliarden Dollar Motorola Mobility zu übernehmen. Mit webOS hätten sie eine schlüsselfertige Alternative zu Android in der Tasche. Die Trennung von webOS kam sehr überraschend - erst diese Woche hatte HP angekündigt, dass das neue Smartphone HP Pre3 in Kürze auf den Markt kommen werde. Gemäss HP werde man nun alle Möglichkeiten prüfen, "den zukünftigen Wert der webOS-Software zu optimieren".

Nach der Übernahme von Palm durch HP im April 2010 tönte es von allen Ecken, dass dies ein grosser Erfolgsgarant für HP sei. Nur ein paar wenige Analysten glaubten nicht an den Erfolg. So hatte John Strand vom Marktforschungsunternehmen Strand Conusult damals erklärt: Wenn HP weltweit eine Rolle in der mobilen Welt spielen will, ist ein 1,2 Milliarden Dollar schwerer Kauf von Palm der First-Class-Weg, Aktionärswerte zu zerstören. Palm hat ausserhalb der USA keine Marke und keinen Vertrieb".

Hardware ade

Dass HP sich von webOS trennen will, ist wegen des ausbleibenden Erfolgs mit dem Touchpad schon nachvollziehbar. Doch die Abspaltung der PC-Sparte ist nicht wirklich einfach zu erkennen - ist der Konzern doch der Weltmarktführer im PC-Segment. Doch neben der angespannten Wirtschaftslage, in der viele Käufer eher die Finger von einem neuen PC lassen, ist es natürlich auch der blendende Erfolg von Apple, der HP zu schaffen macht.

Der Konzern wolle nach eigenen Angaben mit der Neustrukturierung zu seiner alten Wachstumsstärke zurückfinden und es damit IBM gleich tun. Big Blue hatte sich in einem ähnlichen radikalen Schritt Ende 2004 neu aufgestellt und seine PC-Sparte für 1,75 Milliarden Dollar an Lenovo verkauft. "Die Suche nach Alternativen für die Personal Systemes Group zeigt unser Engagement für die Steigerung des Shareholder Value und der Verstärkung unseres strategischen und finanziellen Fokus'.

Der HP-Chef Léo Apotheker hatte in den vergangenen Monaten bereits angekündigt, den Fokus auf das lukrative Geschäft mit Software und Dienstleistungen zu legen. Seit Anfang 2011 kündigte der Konzern an, massiv in die Cloud-Technologie zu investieren. Mit der Akquisition von Autonomy wird dieser Bereich nun weiter ausgebaut. Die in Cambridge und San Francisco ansässige Firma entwickelt Enterprise-Search- und Knowledge-Software mit Techiken wie der adaptiven Mustererkennung.

Unzufriedenheit der Aktionäre

Ein Grund für die Umstrukturierung könnte auch die sich zuletzt unter den HP-Anlegern ausgebreitete Unzufriedenheit wegen des sinkenden Aktienkurses und den schwachen Erträgen sein. Der Konzern musste seine Prognosen für das laufende Geschäftsjahr mehrfach zurückschrauben. Bereit Mitte Mai hatte Apotheker in einem internen Schreiben vor einem "weiteren schwierigen Quartal" gewarnt. Mit der Veröffentlichung der neuen Quartalszahlen wurden die Prognosen erneut auf den Kopf gestellt.

Im dritten Quartal 2011 setzte HP mit 31,2 Milliarden Dollar kaum mehr um als im Vorjahr mit 30,7 Milliarden. Für das vierte Quartal erwartet der HP-Chef nun einen Umsatz zwischen 32,1 und 32,5 Milliarden Dollar und einen Gewinn pro Aktie von 0,44 Dollar. Für das gesamte Finanzjahr wird die Umsatzerwartung von 129 bis 130 Milliarden Dollar abwärts korrigiert auf 127,2 bis 127,6 Milliarden Dollar.

Machtlos gegen Apple

Mit den Quartalszahlen scheint es nahezu sicher, dass Apple nach seinen sprunghaft angestiegenen Zuwachsraten, HP als weltgrössten IT-Konzern sogar schon 2011 ablösen könnte. Immer mehr Kunden greifen selbst im Unternehmensbereich lieber zum iPad. HPs eigener Versuch mit dem Touchpad konnte sich bei den Kunden nicht durchsetzen. HP musste sogar vergangene Woche die Preise für das Tablet drastisch senken, um den Verkauf anzukurbeln.

HP Schweiz kommentierte auf Anfrage der Netzwoche die globalen Umstrukturierungen des Konzerns nicht.