Serie über Führungsmodelle

Gleichberechtigung durch Transparenz und Offenheit

Uhr | Aktualisiert
von Jasmine Hartmann

Im zweiten Teil unserer Serie über Führungsmodelle haben wir Ergon besucht. Beim Zürcher Softwarehaus dürfen alle mitreden und jeder weiss, wie es dem Unternehmen geht. Ergon pflegt ein demokratisches Modell – und das mit Erfolg.

Ergon wurde 1984 gegründet und ist ein Anbieter von Softwareprodukten und spezialisiert auf die Realisierung kundenspezifischer Software. Aktuell beschäftigt Ergon rund 150 Mitarbeitende an ihren Standorten in der Stadt Zürich. Die Mitarbeitenden sind über drei Häuser verteilt, die rund fünf Minuten zu Fuss voneinander entfernt sind. Die Arbeitsplätze werden nach Projektteams eingeteilt.

Das Spezielle bei Ergon ist auf der einen Seite das Eigentümermodell, auf der anderen Seite das demokratische Modell, das das Unternehmen pflegt, wie CEO Patrick Burkhalter erzählt. 1992 hat ein Firmengründer das Unternehmen verlassen und die Aktien an die Mitarbeiter verkauft. "Dann waren plötzlich alle Mitarbeiter Eigentümer", so Burkhalter.

Von da an wurden alle Entscheidungen gemeinsam gefällt, egal, ob es um eine neue Kaffeemaschine, die Anschaffung neuer Computer, die Eroberung neuer Märkte, den Lohn oder die Auszahlung von Boni Ende des Jahres ging. Momentan sind 86 Personen Aktionäre von Ergon, 66 davon sind aktive, die restlichen sind ehemalige Mitarbeitende.

Alle dürfen mitreden

Mittlerweile sind auch Mitarbeitende im Unternehmen, die keine Aktien von Ergon besitzen, aber auch sie dürfen bei allen Angelegenheiten mitreden. Gegen Entscheidungen der Vorgesetzten zum Beispiel kann die Mehrheit der Betroffenen ihr Veto einlegen. Dies sei jedoch noch nie offiziell vorgekommen, erzählt Burkhalter.

Über gewisse Fragen könnten die Mitarbeiter sowieso im Vorfeld abstimmen. Vor zwei Jahren stand aufgrund von Platzmangel in den alten Büroräumen die Frage im Raum, wohin das Unternehmen seinen Standort verlegen soll. Zur Wahl standen zwei Varianten: zentral in Zürich zu bleiben, wo die Miete teurer ist, oder die Büros in die Agglomeration zu verlegen und dafür mehr Lohn zu bekommen. 80 Prozent der Mitarbeitenden wollten in der Stadt Zürich bleiben.

Konstante Teams sind wichtig

Bei Ergon gibt es fünf Abteilungen, die sich jeweils auf einen bestimmten Markt, ein Produkt oder bestimmte Technologien fokussieren. Diese Abteilungen sind mehr oder weniger autonom und nicht zentral gesteuert, sie sind selbst dafür verantwortlich, ihren Markt zu erobern und zu bearbeiten. In jeder Abteilung arbeiten etwa 20 bis 30 Mitarbeiter. Die Teams wiederum bestehen aus 6 bis 10 Mitarbeitenden, die an den verschiedenen Projekten arbeiten.

Das Unternehmen verfolgt den Ansatz, möglichst konstante Teams zu haben. Eine Abteilung trifft sich in der Regel ein- bis zweimal pro Monat zu einer Sitzung, ein Projektteam hat meistens jeden Tag eine sogenanntes Stand-up-Meeting.

Gute Kommunikation wird gefördert

Die Kommunikation untereinander läuft über E-Mail und Chat, für technische Fragen gibt es Foren und Wikis. Wichtig ist aber, dass die Mitarbeitenden viel zusammensitzen. Ob und wann Mitarbeitende Homeoffice machen können, hängt vom jeweiligen Projekt ab. Es gibt aber auch einen Mitarbeitenden, der die meiste Zeit zuhause arbeitet, da er in Fribourg wohnt.

Jeder Mitarbeiter weiss, wie es dem Unternehmen, den Abteilungen und den Projekten finanziell geht und was die anderen Mitarbeitenden verdienen. "Transparenz ist sehr wichtig, denn sie ist die Basis für Mitbestimmung", meint Burkhalter. Ende des Jahres wird besprochen, wie viel Bonus an die einzelnen Mitarbeitenden und Aktionäre ausgezahlt wird. Der Bonus wird nicht anhand der Leistung berechnet, sondern nur daran, wie gut es dem Unternehmen geht. So arbeite man nicht gegeneinander, sondern unterstütze sich gegenseitig.

Vergangenes Jahr hat Ergon den "Prix Egalité" für Gleichberechtigung gewonnen. "Durch das, dass wir so offen und transparent sind, müssen wir die Löhne sehr fair machen", so Burkhalter.

Hinweis der Redaktion: der vorliegende Artikel stammt aus dem Printmagazin Nr. 6 der Netzwoche. Wir publizieren Artikel dieser Serie in unregelmässigen Abständen online.

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